10.12.06

Wieder einmal: Litwinenko und das Cui bono?

Tun Sie etwas für sich, entspannen Sie! - So der Rat des Wiener Frauennotrufs vorgestern, als ich dort einen Termin mit einer sehr netten Juristin hatte (wegen dem am 7.12. Geschilderten). Nun denn, erstmal das Entspannende (und dann das Spannende? :-). Da ich am 8.12. nach besagtem Termin gerade rechtzeitig in der Innenstadt war, um das Zusperren der Geschäfte zu erleben, habe ich den kleinen Bummel - ohne gross was zu kaufen - gestern nachgeholt. Im Grunde gestern früh hatte ich in der Badewanne eine Idee, die genial ist, wenn sie auf Anhieb klappt. (Wenn's nicht sofort passt, brauch ich halt etwas Geduld - wofür, wir nicht verraten).

Dazu wäre mehr technisches Equipment im "Computerhaushalt" hilfreich, sodas ich unterwegs beim Saturn im Columbuscenter in Favoriten vorbeischaue. Dort stellt sich heraus, dass es das, was ich bräuchte, nicht auf den ersten Blick gibt (erstens muss bei mir alles Mac-konpatibel sein und zweitens war extrem viel los und der Verkäufer, der sich beim gwünschten Produkt auskennt, nicht da). Machte aber nichts, da ich die tolle Idee auch so realisieren kann. Immerhin bekam ich endlich ein (Mac-kompatibles :-) Druckeranschlusskabel, das ich bislang vergeblich suchte.

Dann ging es weiter zum Bazar der Anglikanischen Kirche, nicht weil ich gläubig bin, aber weil es dort immer ganz nett ist und ich nie ohne etwas zu kaufen wieder gehe. Leider konnte ich die Stimmung nicht sehr lange geniessen, da ich noch einkaufen musste (in der Innenstadt, wo Supermärkte kein Katzenfutter haben, ergo Supermarkt und Drogeriemarkt mit Schlangen an der Kassa besucht werden müssen). Das alles war recht entspannend, sodass ich gleich noch etwas Entspannung nachschiebe:

Ich sehe mal, was es zu Dingen Neues gibt, die mich soweit beschäftigen, dass sie hier schon Thema waren, Etwa der Fall Litwinenko, zu dem Justin Raimondo bei Antiwar.com (einer Seite, der ich seit dem Kosovokrieg 1999 "treu" bin) auf den NPT verweist (Non Proliferation of Nuclear Wapons Treaty), bei dem die GUS ja Mitglied ist. Amid all the hysteria emanating from the British tabloid press (or do I repeat myself?) over l’affaire Litvinenko, the facts are not fitting the original narrative of a KGB hit against a heroic “human rights” crusader. UPI reports the latest in this developing story:

Die GUS produziert nämlich kein Polonium-210 mehr, das dem NPT unterliegt, was durch die IAEO natürlich überprüft ist. Die letzte Anlage, die es hätte herstellen können, wurde vor zwei Jahren geschlossen. 8 Gramm, die als Letztes produziert wurden, verkaufte man an US-Firmen, die es an britische Firmen lieferten. Allerdings gibt es Länder, die dem NPT nie beitraten, aber Polonium herstellen können, wie die Atommacht Israel, die Verbindungen zu Litwinenko hatte.

Der russtsche Politiker Yegor Gaidar (früher Premierminister, heute Präsident des Instituts für Wirtschaft im Wandel) sollte eine Rede in Dublin halten, schaffte es aber nur mit Mühe, und ihm rettete das Leben, dass er später sein Hotelzimmer verliess, obwohl, er sehr müde war. Auch er wurde vergiftet, wobei sich seine Ärzte daheim über die Veränderungen in seinem Körper wunderten, nachdem sie ihn erst kurz davor durchgecheckt hatten und Bilder vergleichen konnten. Er meint, die Regierung Putin habe sicher kein Interesse, ihn zu töten - eher Akteure hinter den Kulissen. Im Guardian gibt es einen Kommentar, wonach die Neocons den Fall Litwinenko für eine Kampagne gegen Putin in den USA und in Europa benützen.

Obwohl es vieles an Putin zu kritisieren gibt (u.a. Menschenrechtsverletzungen), hat die Welle der Antipathie ganz andere Gründe: Even so, those on the centre-left who have joined the current wave of Putin-bashing ought to consider whose cause they are serving. Long before the deaths of Litvinenko and the campaigning journalist Anna Politkovskaya, Russophobes in the US and their allies in Britain were doing all they could to discredit Putin's administration. These rightwing hawks are gunning for Putin not because of concern for human rights but because an independent Russia stands in the way of their plans for global hegemony. The neoconservative grand strategy was recorded in the leaked Wolfowitz memorandum, a secret 1990s Pentagon document that targeted Russia as the biggest future threat to US geostrategic ambitions and projected a US-Russian confrontation over Nato expansion.

Was etwa "Der Standard" nie im Leben veröffentlichen würde, kann man in Grossbritannien in gelebter Meinungsfreiheit durchaus lesen: Every measure Putin has taken has been portrayed by the Russophobes as the work of a sinister totalitarian. Gazprom's decision to start charging Ukraine the going rate for its gas last winter was presented as a threat to the future of western Europe. And while western interference in elections in Ukraine, Georgia and other ex-Soviet republics has been justified on grounds of spreading democracy, any Russian involvement in the affairs of its neighbours has been spun as an attempt to recreate the "evil empire".

As part of their strategy, Washington's hawks have been busy promoting Chechen separatism in furtherance of their anti-Putin campaign, as well as championing some of Russia's most notorious oligarchs. In the absence of genuine evidence of Russian state involvement in the killings of Litvinenko and Politkovskaya, we should be wary about jumping on a bandwagon orchestrated by the people who bought death and destruction to the streets of Baghdad, and whose aim is to neuter any counterweight to the most powerful empire ever seen.
Dazu kommt, dass der Westen durchaus Al Qaida-artig mit Fake Terror interventiert, um dann Putin für die Reaktionen anzuklagen.

Lesenswert sind auch weitere Kommentare von Raimondo, etwa vom 4.12., wo er betont, dass Litwinenko kein Menschenrechtsaktivist war und eine seltsame Kombination von Freunden hatte. Als Märtyrer eignet er sich auch deshalb nicht, weil er KGB / FSB-Material zu erpresserischen Zwecken einsetzen wollte. Ausserdem kann es sein, dass er Nuklearmaterial schmuggelte (wenngleich Polonium nicht mehr hergestellt wird und das letzte Po 210 in die USA ging). Raimondo leitet aus den vielen Orten, wo Radioaktivität festgestellt wurde, eine Vergiftung als Unfall als am ehesten wahrscheinlich ab (könnte insofern passen, als dass der Zerfall von Po 210 mit der Herstellung beginnt).

Uns und auch Raimondo erinnert dies an die auch dem KGB angelastete Vergiftung des ukrainischen Präsidenten Victor Yushchenko, die vom Rudolfinerspital in Wien diagnostiziert wurde. Freilich änderte der medizinische Direktor seine Einschätzung, wurde aber vom Umfeld Yushchenkos eingeschüchtert und trat von seiner Funktion zurück. Am 22.11. befand Raimondo, dass uns in Sachen Litwinenko sicher ein gewaltiger Bär aufgebunden wird, und verglich es mit dem Fall Yushchenko (wer verwendet schon Dioxin, um jemanden zu töten?).

Litwinenkos Freunde sind oft selbst Ex-KGB-Agenten, während Putin unterstellt wird, solche um sich zu scharen. Sein Tod untermauert auch, dass Anna Politkovskaja, deren Kritik im Ausland viel bekannter ist als in Russland, im Auftrag Putins ermordet wurde, weil dies zu seinen Behauptungen in der letzten Zeit gehörte. Der KGB wird nun permanent von jenen, die ihn zuvor als den Ausbund des Bösen und als perfekt perfide Organisation sahen, als Ansammlung von Holzköpfen hingestellt. Statt ihn nüchtern mit CIA, Mossad und anderen zu vergleichen, soll er nun nicht mehr in der Lage sein, unauffällig zu töten, wie dies auch die anderen Dienste beherrschen.

Ausserdem sind seine Agenten nicht imstande, getarnte Morde als solche zu erkennen, was komischerweise nicht nur anderen Agenten, sondern auch Laien wie Journalisten und Politikern, die irgendwann mal erkannten, wo Geheimdienste ihre Fäden ziehen, keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Also brauchen sie was ungeheuer Spektakuläres, damit sie kapieren, dass sie nicht plaudern sollen. Weiters ist der KGB plötzlich unfähig, jemanden auszuschalten, der gefährliches sagen könnte - man wählt etwas, das so lange wirkt, dass noch drei Wochen lang Verdächtigungen losgelassen werden. Und schliesslich: der KGB soll wohl (wie CIA; MI6 und Mossad) Schaden von seiner Regierung und dem Präsidenten abwenden. Das sieht anscheinend so aus, dass man den Schaden maximiert, der von den Aussagen einer Person verursacht werden könnte.

Zum cui bono ist zumindest überlegenswert, was Raimondo über Putins Politik schreibt. Denn dieser Präsident ist dem Westen unangenehm, da er das Land bei allen Fehlern zu konsolidieren versucht. Und wohl auch wegen der Rohstoffe angefeindet wird, wie wir es auch beim Iran und bei Venezuela sehen - in all diesen Ländern will man selbst über seine Ressourcen und deren Verkauf verfügen. Gerade wird bei Sabine Christiansen darüber diskutiert, warum Russland so "bedrohlich" ist. Gut sind Wladimir Kaminer, Schriftsteller (der beinah mit dem Geigerzähler abgetastet wird, wenn er in Deutschland in ein Taxi steigt), Gabriele Schmalz-Jacobsen, die als langjährige Russlandkorrespondentin viel Erfahrung hat und jetzt beispielsweise russische Menschenrechtsorganiationen zu einem Treffen versammelt. Allerdings interessierte sich dafür niemand von der Presse.

Komisch, dass Russland sein Umgang mit Energieverteilung innerhalb der Föderation vorgeworfen wird, während es völlig normal ist, den Irak zu überfallen, um Zugang zum Erdöl zu haben. Okay auch der russische Botschafter in Deutschland, Vladimir V. Kotnev, dessen Arbeitsplatz für viele wohl ein einziger FSB-Hort ist. Schmalz-Jacobsen meinte, es sei unfair, immer Putin die einstige KGB-Arbeit vorzuwerfen, während beim neuen US-Verteidigungsminister Robert Gates die Tätigkeit als CIA-Chef eine biografische Randnotiz ist. Wir können uns das "Mysterium Litwinenko" ja mal andersrum ansehen und uns fragen, ob es wirklich so James Bond-tauglich ist, wie eben in der Sendung ein Politiker anmerkte.

Jemand wird mit Gift ermordet, ganz spektakulär, das Zeugs wirkt langsam. Bevor er stirbt, beschuldigt er tagelang den US-Präsidenten, Aufttraggeber zu sein. Der Jemand war einst bei der CIA (und hat sich mit dubiosen Geschäftsleuten eingelassen, reiste kurz vor seinem Tod nach Israel, soll Leute mit Dossiers aus der Zeit bei der Firma erpresst haben(. Er hat Bush auch beschuldigt, den Mord an einer regierungskritischen Journalistin in Auftrag gegeben zu haben. (Beide Personen sind in Europa eher ein Begriff als in den USA, der Mann war nicht beispielsweise als Kritiker des Irakkrieges oder der 9/11-Farce bekannt und hat auch andere Ex-Agenten unter seinen Verbindungen.

Den Kommentatoren ist klar, dass es nur die CIA gewesen sein kann, denn - diese Art Gtftmord ist ganz typisch für sie; sie wollte den Kerl stoppen und am Reden hindern. Auf Hinweise, dass die CIA wohl wie FSB, Mossad und MI6 so morden kann, dass man dem eine Legende verpassen kann, wird ein wenig eingelenkt. Es war notwendig, ein deutliches Signal zu setzen, damit CIA-Agenten, die auch aus der Schule plaudern wollen, gewarnt sind. Der Mord sollte Schaden von Präsident Bush abhalten, was die CIA so ungeschickt anging, dass sich der mögliche Schaden maximiert hat.

Nicht, dass es sinnvoll ist, die CIA zu überschätzen - aber so ein serienweise dummes Agieren würde man ihr wohl kaum zutrauen. Gerade beim FSB, dem Gottseibeiuns vieler Schreiberlinge, wird jede Vernunft und Logik fallen gelassen.

Gute Nacht :-) Vom Frauennotruf das nächste Mal, es wird eine kurze Nacht, da ich mich frühmorgens auf die Lauer legen werde müssen....

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