Stonehenge fasziniert seit Jahrtausenden, und gerade in der Gegenwart gibt es dank moderner Forschungsmethoden Neues zu entdecken. Am Samstag, den 2.12. stand das 5000 Jahre alte Momument im Mittelpunkt von Dokus in ATVplus und Arte. Die Frage, woher die unterschiedlichen Arten von Steinen stammen und wie sie mit den einstigen Mitteln transportiert wurden, wird schon lange heftig diskutiert. War Stonehenge ein Obersvatorium. war es auf den Stand der Sonne ausgerichtet? Darüber gibt es eine Menge an Theorien.
Freilich bietet Stonehenge im jetzigen Zustand nur einen ungefähren Eindruck davon, wie imposant es einst war. Die von Arte gezeigte Doku stammt von Channel Five und beinhaltet einen Nachbau des vollständigen Stonehenge aus Polystyren, den man sich in den Garten stellen kann (sofern dieser gross genug ist). Dabei wählte man die Version der letzten der bekannten Bauphasen und schuf ein beeindruckendes Werk, bei dem auch die "Steine" so gefärbt wurden, dass sie dem Orginal entsprechen.
Über 2000 Jahre wurden zuerst Holzpfosten, dann kleine und schließlich große Steine angeordnet. Obwohl nur mehr wenige Steine auf dem Platz stehe, den sie in der letzten Bauphase hatten, kann man recht genau rekonstruieren, wie Stonehenge einst aussah. Bei diesem Text ist so eine Zeichnung abgebildet. Hier ist der Stand der Forschung recht interessant beschrieben. Da es sich um eine Autorin handelt, wird der Vorstellung, ausschließlich Männer seien am Bau beteiligt gewesen, eine Absage erteilt - bei uns mögen ja Frauen auf Baustellen selten sein, in anderen Ländern jedoch keineswegs :-)
Berechnungen, wieviele Menschen wie lange gebaut haben, wirken absurd: bei einer damaligen britischen Bevölkerung von 300.000 sollen 10% drei Jahre gebraucht haben, um die schweren Steine zu schleppen, zu behauen und zu arrangieren. Zwar erwirtschaftete man in der Landwirtschaft sicher etwas Überschuss, sodass nicht alle Menschen Nahrungsmittel produzieren mußten, aber ob dies gereicht hätte, so viele sicher gesunde und kräftige Männer und Frauen für das Bauprojekt freizustellen? Zumindest weiss man, woher die Steine stammen: die Blausteine aus den Prescelli Mountains in Wales, ein oaar 100 km entfernt, die Sarsensteine aus auch heute nahezu unveränderten Wäldern einige Kilometer von Stonehenge.
Der Blaustein-Transport gilt als gelöst, da Überreste von Schiffen ausgegraben wurden, die der Zeit entsprechen und zum einen Einbäume sind, zum anderen ein gebautes leichtes Boot. Im ATV-Film wurden zwei Einbäume dazu verwendet, in der Mitte auf einer Art Brücke einen vier Tonnen-Stein zu transportieren, der einen Blaustein symbolisierte. Das Experiment gelang ebenso wie der Transport auf einem nachgebauten Boot, das zwei Ruderern, einer weiteren Person und einem Segel Platz bot, wobei dieses Boot der um die Hälfte kleinere Nachbau der gefundenen Schiffsreste ist. Auf dem Avon und auf dem Meer war das Boot sogar so schnell unterwegs wie ein kleineres Motorboot.
Bleibt der Transport über Land, der auch mit den Blausteinen zumindest bis zum Boot und dann wenige km nach Stonehenge zurückgelegt werden musste. Und natürlich ebenfalls mit den viel schwereren Sarsensteinen, die zudem über eine Anhöhe in unwegsamem Gelände gezogen werden mussten. Es gab immer wieder Versuche, Mammutblöcke über Land zu ziehen, was rasch zur Erschöpfung aller Beteiligten führte. Man vermutete auch, dass günstige Witterung (Schnee) abgewartet wurde, sodass ein dahingleitender Schlitten das Ganze etwas einfacher machte. Ein britischer Tischler hatte eine Idee, die live für die Channel Five-Arte-Sendung getestet wurde: ähnlich wie beim Rudern wurden (angespitzte) schmale meterlange Stämme unter einen 12 Tonnen schweren Betonblock gesteckt, der auf zwei längs befestigten Stämmen ruhte, die als Schlitten fungierten.
Auf Kommando hoben ein paar Männer und Frauen an jedem der "Ruder" im Takt den Block in einer Vorwärtsbewegung an. Siehe da, es funktionierte - wobei die Teams anfangs auch ineinandertrudelten, binnen Minuten aber den Dreh raus hatten, wie ihre VorfahrInnen die Aufgabe vielleicht bewältigten. Der Rudertrick kann auch erklären, wie die schweren, mit Zapfen auf die aufrecht stehenden Blöcke gesteckten Decksteine angehoben werden konnten. Es wurde ausprobiert, ob man den Betonblock mit den "Rudern" anheben und Baumstämme darunter schieben kann, mal so rum, mal so rum, wie bei einem Blockhaus. Es klappte, sodass der Block bald einen Meter hoch gehoben war.
Freilich war ein Gerüst notwendig, von dem aus gehoben und dann auf die aufrechten Steine geschoben wird. Ohne Gerüst werden es die Erbauer wohl nicht geschafft haben. Die senkrechten Steine wurden mittels einer Grube aufgestellt, die auf der einen Seite abgeschrägt war. Der so hineinrutschende Stein wurde dann durch Hebel auf der einen und Zug auf der anderen Seite aufgerichtet. Stonehenge unterscheidet von anderen Megalithbauwerken, dass die Steine (bis auf die Blausteine) behauen wurden, was für die Filme nur ansatzweise nachgestellt wurde. Man kann jedoch mit einem gezielt eingesetzten Stein einen anderen Stein grob behauen - sichtbare Resultate sind dann zu erwarten, wenn man darauf viel Zeit und Kraft verwendet.
Der Stonehenge-Nachbau diente diversen Experimenten und ist auch so faszinierend, da man sich endlich vorstellen kann, wie es "wirklich" war. Traditionell feiern Neodruiden in Stonehenge (das ansonsten nicht für Touristen zugänglich ist) die Sommersonnenwende (auch wenn die Druiden, als deren Nachfolger sie sich sehen, Stonehenge nicht erbauten, wohl aber nutzten). War es jedoch wirklich dieses Datum, auf das die Anlage ausgerichtet wurde? Mit einer massiven Lichtquelle wurde die Position von Winter- und Sommersonnenwende vor 5000 Jahren nachgestellt. Die "Originalsonne" war hier nicht dienlich, da sich die Erdachse seither weiter geneigt hat. Zwischen jenen beiden Steinen, die den Weg zum Steinkreis flankieren, brach die künstliche Sommersonne effektvoll durch. Weit beeindruckender war jedoch die nachgestellte Wintersonnenwende, mit viel gleißender wirkendem Licht.
Außerdem gibt es vier steinerne Markierungen außerhalb des Kreises, die am Mond ausgerichtet sind, wenn er alle 19 Jahre in Winternächten besonders hell ist. Nun verstehe ich durchaus, dass Menschen, die einen Steinkreis erbauen konnten, auch in der Lage sind, den Punkt der aufgehenden Wintersonne zu markieren - wie aber sollten sie mit einem Ereignis umgehen, das weit seltener ist, wo es doch keinerlei schriftliche Aufzeichnungen gab? Diese Frage erinnert an das Staunen über die Himmelsscheibe von Nebra, die BBC Horizon akribisch untersuchte. Mit dem Ergebnis, dass es sich um die älteste bekannte Abbildung der - nur manche Monate im Jahr sichtbaren - Plejaden handelt und dass auch ein Winkel eingezeichnet ist, der mit dem Sonnenstand im Winter zu tun hat (auch hier also Informationen, die für vom Ackerbau abhängige Gesellschaften wichtig waren).
Das Material der Himmelsscheibe gab darüber Aufschluss, woher es stammte und wo sie bearbeitet wurde: das Metall wurde im heutigen Österreich abgebaut und das Kunstwerk eben im Osten Deutschlands angefertigt. Mittlerweile hat man in Nebra auch Überreste einer Art Tempelanlage ausgegraben. Nebra und Stonehenge werfen die Vorstellungen von primitiven VorfahrInnen über den Haufen, da sowohl Steinkreis als auch Himmelsscheibe älter sind als etwa die Pyramiden. Freilich ist Stonehenge nicht allein, obwohl einzigartig: in der Gegend wimmelt es von Steinsetzungen, und man fand auch ein Woodhenge (Überreste einer hölzernen Anlage) und neuerdings ein Seahenge (eine hölzerne Anlage im Meer, datiert auf 2050 v.u.Z.).
Das "ultimative" Stonehenge-Experiment beinhaltete auch eine akustische Untersuchung - mit dem Ergebnis, dass der Schall wellenförmig von den Steinen reflektiert und auf einer Bahn nach außen gelenkt wurde. Dort versammelten sich wohl auch TeilnehmerInnen an welchen Ritualen und Versammlungen auch immer, doch durch die Konstruktion des Steinkreises konnten sie nicht sehen, was im Inneren passiert. Offenbar sollten sie es aber hören....
03.12.06
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