03.01.07

Prokop und die Frauenpolitik / Asyl in Not in Erklärungsnot

Meist beziehen sich Artikel und Kommentare, auch von UserInnen auf Onlineplattformen, auf Liese Prokops Wirken als Innenministerin. Dies umfaßt aber nur die letzten beiden Jahre ihres Lebens und läßt unberücksichtigt, dass sie lange Zeit in Niederösterreich tätig war. Übrigens als Förderin von Frauenpolitik und Frauenprojekten, was im CeiberWeiber-Nachruf von Christiana Weidel, die Prokop immer wieder begegnete und in ihr eine Unterstützerin hatte, deutlich wird.

Als ich den Text plus Bildern ins Netz stellte, fiel mir so richtig auf, wie es wohl gewesen sein muss, erste Innenministerin Österreichs zu sein. Da sieht frau Prokop beispielsweise im Kreis von Polizeichefs - keine einzige Frau darunter, lauter Männer. Derlei Fotos gibt es zuhauf, und sie zeigen, dass die Ministerin Pionierin in einem Bereich war, wo sie weit weniger Frauen als Männern begegnet. Diesen Eindruck bestätigt auch das Kondolenzbuch auf der Webseite des Innenministeriums, wo sich zuhauf Männer mit Polizeititeln (RI kann ich grad noch "Revierinspektor" zuordnen) eintragen und manchmal die Verstorbene auch als "guten Kameraden" bezeichnen.

In relativ kurzer Zeit von gerade mal zwei Jahren hat sich Prokop also Ansehen und Respekt als erste Frau in einer Männerdomäne verschafft - vielleicht deshalb, da sie im Spitzensport ja bereits als junge Frau eine "Männerdomäne" erlebte und in einer Zeit in die Politik ging, als weibliche Abgeordnete noch Mangelware waren. Gerade wegen ihre langjährigen Erfahrung wäre es interessant gewesen, sie einmal mit einer Runde jüngerer Frauen zu befragen - es wäre sicher ermutigend geworden, da sich auf so lange Sicht ja doch einiges verändert hat.

Was erörtert wird, ist aber ihr Wirken als Innenministerin - oftmals so, als ob es ganz losgelöst von der Bundesregierung und der EU und auch von Vorgängern (seien sie schwarz oder rot) stattfinden hätte können. Nicht zu vergessen über Jahrzehnte etablierte Strukturen und Beharrungskräfte in Ministerien, für die jede/r neue AmtsinhaberIn nur eine vorübergehende Erscheinung darstellt. Allzu vehemente KritikerInnen machen sich oft nicht klar, was es bedeutet, ein Ministerium zu übernehmen - uneingeschränkte, frei verfügbare Macht ganz sicher nicht.

Bei Asyl und Abschiebung denke ich auch an den "Schübling", so SPÖ-Innenminister Karl Schlögl in unvergessenen Worten über den erstickten Marcus Omofuma. Zynismus gegenüber Toten ist Prokop nicht nachzusagen, auch nicht in der Schlögl-Form der unsensiblen Anwendung eines amtsinternen Begriffes, der vielleicht bei Lebenden betreffenden Vorgängen irgendwie gerechtfertigt sein kann. Erst vor wenigen Tagen habe ich mit einem Politiker meiner Ex-Partei geredet, der wissen wollte, welche Prognose ich zu den Koalitionsverhandlungen abgebe.

Damit konnte ich ihm nicht dienen, wohl aber damit, dass etwa bei der ÖVP (und auch bei der SPÖ, da es nun ja um diese beiden in Sachen Regierung geht) "gstandene Frauen" Chancen auf Spitzenpositionen haben. In seiner Partei sei das anders, da zähle vor allem Styling. Ja, sieht er auch so, und damit sind aus seiner Sicht wenig Inhalte verbunden. (Fragt sich, wer gestylte Frauen auswählt? Ja genau, u.a. die wichtigen Männer in einer Partei!) Ich meinte, ich fand z.B. gut die gemeinsame Pressekonferenz von Ministerinnen zum internationalen Frauentag, wo vier Ministerinnen aus ihren Ressorts und denen der anderen Frauen die frauenspezifischen Schwerpunkte nannten.

Und, dass ältere Frauen Ministerinnen sein können - schliesslich sind genug ältere Männer entscheidend an der Politik beteiligt. Ich stellte fest, dass manche Männer "inhaltliche Gewichtigkeit" kombiniert mit Modelmaßen wünschen und mache im Geiste eine Rangliste, wer aus der Sicht gerade vieler "Linker" für Politik geeignet ist: 1. Männer 2. Männer 3. stylische Frauen und 4. aber überhaupt nicht ältere Frauen. Somit komme ich wieder zum Thema zurück und frage, ob sich Michael Genner von Asyl in Not sich über ein etwaiges Ableben von Karl Schlögl auch in der bekannten Weise gefreut hätte.

So krass sicher nicht, sofern viele Kommentare linker Machos zu Prokops Tod auch für ihn Aussagekraft haben - denn da wird unverhohlen sexistisch agiert. "Dumme Strohfrau" lese ich auf Mailinglisten, nicht mal der Name der Ministerin ist richtig geschrieben, als Liese wird "Ilse". Das ist auch ein negativer Höhepunkt von letztlich pubertärem Widerstandsgetue:
3.1.:AUSNAHMSWEISE KEINE MITTWOCHSKUNDGEBUNG VOR INNENMINISTERIUM (wegen Todesfall (Aorta) beim Abschiebepersonal) (gemeint sind die Aktionen von Ehe ohne Grenzen, die heute "aus Anteilnahme" nicht stattfinden).

Genner selbst, dessen Vorgeschichte ich gestern ausführte, um sein unentschuldbares Verhalten vielleicht ein wenig erklärbar zu machen, sieht in Medienberichten wie jenem des Standard keinen Grund, etwas ungeschehen machen zu wollen. Offenbar will er sich zum Helden stilisieren: "Das ist mir nicht herausgerutscht", betont der NGO-Aktivist, der nur zu einer kleinen Relativierung bereit ist: "Eine gute Nachricht ist Prokops Tod insofern, als vielleicht eine Ära zu Ende geht und die Chance für ein neues Asylgesetz besteht. Gut, dass die Politikerin Prokop von der Bühne abgetreten ist, nicht dass der Mensch Prokop tot ist."

Genner ist ein Menschenrechtsaktivist der Sorte, der so sehr von seinem Anliegen überzeugt ist, dass ihm übliche Nachrufkonventionen als hohle, sinnentleerte Phrasen einer Bürgerlichkeit erscheinen, die er selbst dann nicht zu übernehmen bereit ist, wenn sogar politische Gegner in ihrem Wortarsenal nach positiven Floskeln kramen. Er sieht seinen Prokop-Text als "Bestandteil meines politischen Lebenswerks, das durch meine Familie sehr geprägt ist". Die Mutter Halbjüdin, der Vater, Laurenz Genner, im Waldviertel als Bauernsohn ein exotischer "Sozialist im Dorf", organisierte "rote Bauerngruppen", verfasste das Sozialdemokratische Agrarprogramm mit, war antifaschistischer Widerstandskämpfer, landete in politischer Haft, wechselte zur KPÖ und trat nach Konflikten wieder aus.


Was hat Prokop (geboren 1941 in Wien) mit der Geschichte seiner Familie zu tun? Noch dazu, wo die Israelitische Kultusgemeinde ihren Tod sehr bedauert, denn sie fand bei ihr in vielfachen Anliegen, sei es bei der Bekämpfung antisemitischer
Umtriebe oder dem Schutz besonders gefährdeter jüdischer Objekte, stets ein offenes Ohr. Frau Bundesministerin Prokop nahm erst vor wenigen Wochen als Vertreterin der österreichischen Bundesregierung an der Eröffnung des neuen Schulcampus und der Hakoah-Sportanlage teil.
Mit innerem Engagement, möchte frau vermuten, da Prokop auch Sportförderung immer ein Anliegen war.

Auch Kinder von Widerstandskämpfern haben keinen Freibrief, sondern sind für ihr Verhalten selbst verantwortlich; ebenso, wenn sie jüdisches Erbteil betonen wollen (es gibt hierzulande Juden, die unermüdlich auch in hohem Alter für gesellschaftliche Veränderungen arbeiten, für die dies ebenfalls persönliches Risiko bedeutet - und doch sind keine Aussagen bekannt, wo der Freude über den Tod von politisch andersdenkenden Menschen Ausdruck verliehen wird). Genner sieht Prokop offenbar als Feindin, die ihm persönlich so viel angetan hat, dass er sie über den Tod hinaus hassen "darf", wie aus dem erwähnten Standard-Artikel hervorgeht: Er ist ein "68er", kein Hippie, kein Weltverbesserer, wie er sagt, sondern der personifizierte Zivilgesellschafter, der den Satz "Alles ist politisch" lebt. Dieser Zugang "möge meinen Zorn erklären", sagt er. Darum machte der Überzeugungstäter Prokop als Ministerin persönlich verantwortlich für das von ihm als bis zum Exzess unmenschlich empfundene Asylrecht.

Komm mal runter vom Teppich, möchte frau sagen, hat jemand schon mal erlebt, dass eine Frau ihrem Unmut über die Politik auf so zynische und hasserfüllte Weise Luft macht? Sicher sind die Belastungsgrenzen unterschiedlich: die einen rennen schon, wenn jemand "buh!" ruft, während andere angesichts von aus Film, Fernsehen, Büchern als "gefährlich" bekannten Gegnern nur "na, dann" meinen und ihre Arbeit fortsetzen. Ich tendiere eher zum zweiten Extrem und habe vermutlich schon Schlimmeres erlebt als Herr Genner. Ohne dies bewerten oder einen Betroffenheitswettbewerb machen zu wollen, denn Druck und Leid wird immer subjektiv empfunden. Was die einen von den Socken haut, halten die anderen aus und umgekehrt.

Ich würde mich selbst und Prinzipien verraten, für die ich viel in Kauf genommen habe, würde ich mich von Hass beherrschen und verwandeln lassen. Dabei muss ich gar nicht irgendwen stellvertretend, gewissermaßen als "SchreibtischtäterIn" in anonymen Strukturen heranziehen, sondern kann Personen benennen. Was würde mir deren Tod bedeuten? Vermutlich sowas wie Trauer, dass es nicht anders hat kommen können, dass kein anderer Weg möglich war, kein anderes Verhalten. Mit dem Karma, wenn es dies gibt, müssen eh sie klarkommen - Tatsache aber ist, dass sie in diesem Leben keine Chance mehr haben, etwas anders und besser zu machen.

Man kann Dinge nicht bekämpfen, in dem man wie sie wird. Oder so wird, wie ihnen zu sein unterstellt wird. Sich entschuldigen wäre aus meiner Sicht der einzige Weg, wie Michael Genner seinen Verein und seine Arbeit retten kann. Das erfordert aber Reife und Einsicht - und geht nicht unter dem Aspekt spätpubertärer Machogesten gegenüber einer "Polit-Oma" (so denken sicher manche insgeheim über Prokop, nicht beachtend, dass es auch stolze Opas unter den Politikern gibt). Auffällig ist auch eine Negativität, die der Situation von Asyl in Not gar nicht entspricht. Immerhin gibt es jedes Jahr eine Auktion mit Kunstwerken zugunsten des Vereins - muss man sich mal vorstellen, da gibt es KünstlerInnen, die es meist nicht so leicht haben, von ihrer Arbeit auch zu leben, die einfach so aus Überzeugung Werke zur Verfügung stellen. So kamen letztes Jahr aber "nur" 66.000 Euro Erlös zustande....

@ Regierungsverhandlungen: ich kann denen am Verhandlungstisch zwar nicht in die Karten schauen, aber selbst in die Karten blicken. Nachdem ich in einem Internetforum von einem erfahrenen Kartenleger für mein Verständnis vom Tarot volles Lob eingeheimst habe, wage ich es, meine Legung zu den Koalitionsverhandlungen zu offenbaren :-)

In den Verhandlungen geht es vor allem darum, bisherige Konventionen und Verhaltensweisen zu überwinden, dies angesichts von Partnern, die einander nicht gerade optimistisch gegenüberstehen. Die SPÖ hat den Eindruck, dass ihrem Verhandlungsführer manches entgleitet, sie sich nicht wie gewünscht gegenüber der ÖVP behaupten kann. Die ÖVP wiederum muss erkennen, dass Probleme und die eigene Situation wichtiger sind als die Abwehr, die sie aufgrund früherer Verletzungen gegenüber der SPÖ errichtet. Der Ausgang der Verhandlungen bedeutet für die SPÖ Kampfbereitschaft und Geschick, für die ÖVP das Erringen einer ausgewogeneren Perspektive, nachdem man lange alles negativ gesehen hat. Wenn die Verhandlungen abgeschlossen werden, dann wird eine neue Struktur geschaffen - nicht unbedingt mit kreativem Spielraum, aber mit festen Regeln und Rollen, die auch eine Form von Sicherheit und Stabilität darstellen.

Nahezu alle gezogenen Karten hatten mit Kampf und Konflikt und deren Folgen zu tun. Die Frage ist, ob die beiden Parteien lernen, nicht nur Kampf und Konflikt zu sehen und Dinge auch anders bewerten können. Wenn nicht, scheitern die Verhandlungen - oder es wird eine große Koalition als Sinnbild erstarrter politischer Verhältnisse, die bisher von dieser Regierungsform Gewohntes noch übertrifft.

Sorry, dass ich nichts Erfreulicheres zu bieten habe - es handelt sich aber um Tendenzen, die vielleicht zu anderem Handeln auffordern (kann ja sein, dass es jemand von den Verhandlern liest - es soll ja PolitikerInnen geben, die Hellseherinnen konsultieren :-)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

also "abschiebepersonal" finde ich nicht zynisch - war schliesslich das was sie als innenministerin gemacht hat. dafuer hat wurde sie von der schwarzblauorangen regierung eingesetzt. erstaunlich finde ich auch dass in deinem ganzen posting all das elend dass den migrantInnen durch die von ihr unterzeichneten gesetze angetan wurde ausblendest. gesetzte die manchen das leben gekostet haben. sicher kann man/frau das nicht prokop alleine anlasten: das muessen wir schwarzblauorangerot anlasten (ja auch rot: die haben auch dem menschenrechtswidrigen asyl- und fremdenpolizeigesetz zugestimmt.). insofern ist der tod der innenministerin fuer diese gruppen ein willkommener anlass diese politik weisszuwaschen... interssant ist dass da auch gruene mitspielen...

lg mond.

siehe auch LOGO: Aufregung um Kritik an der verstorbenen Innenministerin Liese Prokop

alexandra bader hat gesagt…

hallo mond, whoever you are....

die blogeinträge ergänzen die ceiberweiber, und dort wird sehr wohl immer wieder kritisch auf die asylpolitik eingegangen. außerdem haben wir sehr entschieden gegen rassistischen wahlkampf stellung bezogen und dabei all jene kritisiert, die das ganze nach dem motto "nur net anstreifen" ignorierten, im stolz darauf, selber anders zu sein. resultat: die agitation inbes. gegen muslime lief ungehindert ab (ergebnis auch, was sich diesen monat danach entwickelte, die affäre um strache, wo auch nur wenige darauf hinwiesen, dass ja die wahlkämpfe zeigten, wo er steht).