02.01.07

Prokop / Regierungsbildung & Gender

Prokop ist tot. Eine weniger. Was kommt danach? Wer schreibt sowas? Aber erstmal weiter im Text: Die gute Meldung zum Jahresbeginn: Liese Prokop, Bundesministerin für Folter und Deportation, ist tot. Mit ihrem Namen wird für immer die Erinnerung an das Leid verzweifelter, vergebens schutzsuchender Menschen verbunden sein. Die Erinnerung an Menschen, die – in der Heimat verfolgt, der Folter und dem Tod entronnen - hier in Österreich neuerlich mißhandelt, gedemütigt, von ihren Familien getrennt, ins Gefängnis gesperrt, durch die Haft von neuem traumatisiert und abgeschoben wurden.... Dann Folgen Fallbeispiele, unterschrieben hat Michael Genner, Obmann von Asyl in Not, der bei den Grünen aktiv war (ist?)

Hat Genner da was verwechselt und geglaubt, Augusto Pinochet sei erst jetzt gestorben? Oder will er nur zeigen, dass auch in Österreich Geschmacklosigkeit keine Grenzen kennt, nachdem Videos von der Hinrichtung Saddam Husseins (oder seines Doppelgängers?) zuhauf ins Web gestellt wurden? Apropos: es ist verständlich, Saddam Hussein keine Träne nachzuweinen, wenngleich er als lebenslang Gefangener nicht zum Märtyrer gestylt werden könnte. Aber einer ganz normalen heimischen Politikerin auch so pietätlos nachzureden?

Eine andere Sache ist Kritik an ihrer Politik - die aber die falsche Adressatin hat, wenn sie sich an eine Tote richtet, die doch dies und jenes anders hätte machen können. All dies kann nur ein Arbeitsauftrag an die nächste Regierung sein, während der Tod eines Menschen nicht dazu führen darf, dass Angehörige und FreundInnen ihren Verlust via Internet mit Häme überschüttet sehen. Politik in einem Ressort ist nie die Alleinveranwortung von MinisterIn, sondern wird von der Bundesregierung auf der Grundlage von Rahmenbedingungen getragen, die auch die EU-Ebene vorgibt. Dies ist gerade in den Bereichen der Fall, die Prokop gestaltete. Wesentlich andere Integrations- und Asylpolitik würde keine Partei in einer Regierung machen (vielleicht eher eine rigidere als eine weniger restriktive).

Allerdings hat die beispielsweise von Norbert Darabos (SPÖ-Geschäftsführer) und Reinhold Lopatka (ÖVP-Generalsekretär) so heftig zurückgewiesene Verhaltensweise von Michael Genner auch eine Geschichte. Diese wird deutlicher, wenn frau sich beispielsweise vergegenwärtigt, dass Genner 1999 von seiner Ex-Frau in Briefbomben-Verdacht gebracht wurde. (Details auch bei dieser Geschichte des Briefbomben-Terrors, wo wir auch erfahren, dass Schwaiger beim Fuchs-Prozess im Publikum war). Die "Presse", in der besagte Ex, die Schriftstellerin Brigitte Schwaiger, auch anschaulich ihre Erfahrungen als Borderline-Patientin auf der "Baumgartner Höhe" beschrieb, meinte am 6.2.1999 unter Berufung auf Schwaiger, hinter Franz Fuchs habe ein Agitator namens G. gesteckt. "Der Genner!" soll dann Helmut Zilk, bekanntlich eines der Briefbombenopfer, gesagt haben.

Für Genner, auch damals bereits für "Asyl in Not" aktiv, natürlich ziemlich heavy, dass die Frau, mit der er ein gemeinsames Kind hat, unter anderem zu Hans Pretterebner, dem rechten Publizisten geht. Schwaiger wob auch Willi Stelzhammer, Bezirksrat der Grünen in Simmering, in ihr Konstrukt hinein. Genner meinte (siehe der oben verwendete Link zum Archiv der akin), dass Schwaigers Behauptungen deswegen medial gespielt wurden, weil man auf diese Weise von den Mißständen in Österreich ablenken könne, die er kritisierte.

Auf der Webseite Freidenker gibt es einen undatierten, aber vom Inhalt her wohl relativ neuen Text von Genner gegen islamischen Fundamentalismus, den er auch als Angriff auf die Religionsfreiheit versteht. Er sieht sich durch das Kopftuch provoziert und will Frauenrechte in islamischen Ländern. Es gibt auch Berichte über Genner - etwa über das Verfahren, das gegen ihn eingeleitet wurde, weil er die Bevölkerung dazu aufforderte, Traumatisierte und Folteropfer, deren Asylansuchen abgelehnt wurde, bei sich aufzunehmen.

Gegen diese am meisten Verfolgten richtet sich nämlich das derzeitige Asylgesetz. Jede Hilfe für diese Verfolgten wird durch den berüchtigten § 115 Fremdenpolizeigesetz mit Gefängnis bedroht. In zahlreichen Kommentaren auf Glocalist Daily News wurde vor diese Folge dieses Paragraphen für NGos und seine einschränkende Wirkung für die Meinungsfreiheit hingewiesen. Dies wurde von der Regierung stets in Abrede gestellt: das Gegenteil ist nun der Fall.

Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft leitete daher gegen Michael Genner Vorerhebungen wegen Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen (§ 282 StGB) ein; darauf können zwei Jahre Gefängnis stehen. Dagegen berief Genner auf sein gesetzlich verankertes Notwehrrecht.Die Staatsanwaltschaft Innsbruck verzichtet nun vorläufig auf die Verfolgung Genners nimmt sich aber eine Probezeit von zwei Jahren heraus.


Nochmal davongekommen, kann frau sagen - allerdings hat Asyl historische Praxis auch bei uns etwa in Form des Kirchenasyls, das ohne Ansehen der Person gewährt wurde. Genners Jahresrückblick 2006 ist alles andere als auch nur ansatzweise optimistisch: Ein schreckliches Jahr geht zu Ende ist der Titel.

Tut mir leid, liebe Leserinnen, liebe Leser - ich kann Euch nichts Schönes schreiben. Nichts Weihnachtlich-Beschauliches. Ich würde ja gerne. Aber dieses Land war seit 1945 noch nie so tief unten wie jetzt. Noch nie wurden Menschenrechte so schamlos gebrochen. Noch nie hat man verzweifelte, schutzsuchende, traumatisierte Menschen so unmenschlich behandelt. Noch nie war das Asylrecht derart abgeschafft wie heute.

Trotzdem haben wir Erfolge erzielt: Abschiebungen verhindert, Menschen aus der Schubhaft freigekämpft. 56 erwachsene Flüchtlinge, die wir rechtlich vertraten, und 44 Kinder erhielten bis heute Asyl. 14 Dublin-Bescheide wurden dank unseren Rechtsmitteln behoben. Jeder dieser Siege ist hart erkämpft – und doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir wissen nur zu genau, wie enge Grenzen unserer juristischen Kunst gezogen sind.


Das Ganze relativ unbedankt, so dürfte es Genner jedenfalls angesichts der Tatsache empfinden, dass Asyl in Not nach magistratsinternen Reformen von der Gemeinde Wien nicht mehr gefördert wird. Ursache ist die Ersetzung des Wiener Integrationsfonds durch die MA 17, die jedoch nur mehr das unterstützen will, was bereits anerkannten Flüchtlingen zugute kommt.

5000.- Euro, nebbich, waren es dann tatsächlich voriges Jahr (=2005). Für 2006 haben wir wieder einen Antrag gestellt: Wir wollten diesmal 15.000.-, um unsere diplomierte Sozialarbeiterin Daniela Falkner, die jetzt nur geringfügig beschäftigt ist und schon vielen Leuten geholfen hat, die auch ziemlich viel Zeit ehrenamtlich einsetzt, um Flüchtlinge zu betreuen, endlich richtig anstellen zu können, halbtags wenigstens, wie es sich gehört.

Dieser Antrag wurde abgelehnt. Weil es angeblich schon genug Angebote gibt. Und weil wir nichts "Neues", "Innovatives" vorgeschlagen haben. In unserem Antrag, sagte man uns als Begründung, steht dasselbe drin wie schon im vorigen Jahr...
Wir verlangen eine Basisförderung, und zwar für die Arbeit, die wir wirklich machen: Für die offensive, parteiische Hilfe für Verfolgte; nicht für kleine belanglose Projekte, sondern für umfassende Beratung und Betreuung. 15.000 Euro, das ist dafür nicht zu viel, das ist eine kleine Summe, dieses Geld kann die Gemeinde Wien aus der Portokasse zahlen, aber sie will nicht, sie rückt es nicht heraus.


Ich möchte das Verhalten von Genner nicht rechtfertigen oder entschuldigen - aber ich glaube, dass wir mit diesen Anmerkungen die Vorgeschichte ziemlich genau erfasst haben. Hätte Genner nicht die Erfahrung gemacht, mit seinen politischen Anliegen oft im Regen stehengelassen worden zu sein und wäre er auch nicht immer wieder in existenzbedrohende Situationen gebracht worden (Briefbomben-Anschuldigungen, Verfahrensdrohung wegen Aufruf, Asyl zu gewähren etc.), so würden ihn die Nachrufe auf Innenministerin Liese Prokop wohl nicht so erzürnt haben.

Wenn nun Politiker von ihm eine Entschuldigung fordern, so denke ich, dass dies durchaus gerechtfertigt ist - ebenso aber, dass die Arbeit für Asylsuchende gesellschaftlich anerkannt und finanziert wird. Und nicht erst dann einsetzen darf, wenn Flüchtlinge es ohne diese Betreuung geschafft haben, hier offiziell leben zu dürfen. Ein Auftrag an die neue Regierung?!

Apropos Regierung: Schön langsam neigen sich die Verhandlungen dem Ende zu, Namen werden kolportiert, aber fix is noch gar nix. Grund zu fragen, wie es denn mit Gender Mainstreaming und Co. aussieht. Was wird aus Wahlversprechen wie:
* ein eigenständiges Frauenministerium mit mehr Kompetenzen und Budget
* die Hälfte der Regierung muss aus Frauen bestehen?

Fragt sich auch, ob Gender Mainstreaming und Gender Budgeting bei den Verhandlungen eine Rolle spielten - wenn ja, welche? :-)

Keine Kommentare: