16.01.07

Die Regierung erklärt sich

Debatte im Parlament, vom ORF übertragen, Kanzler Gusenbauer stellt Regierungsprogramm in etwas mehr als einer Stunde vor (Zusammenfassung: Teil 1 und Teil 2). Während er die Eurofighter ausklammert, bietet er an, selbst in einer Wiener Schule Nachhilfe zu geben, vielleicht als gutes Vorbild für StudentInnen (was manche angesichts seines Einkommens zynisch finden). Seitens der Grünen kritisiert Klubchef Van der Bellen, dass Gusenbauers Rede wenig inspiriert war, auch weil dieser frei besser spreche als vom Blatt.

Sonderlich gut wirkt aber auch Van der Bellens Rhetorik nicht, es zieht sich kein Faden durch. Highlight ist das Wiedereinbringen eines SPÖ-Antrags vom November 2006 zur Abschaffung der Studiengebühren. Nach ihm kommt SPÖ-Klubobmann Cap, der meint, er habe zum Glück gerade Kaffee getrunken, bevor Van der Bellen sprach. Bei den Studiengebühren sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Er zitiert Aussagen der nunmehrigen Opposition, die ja eine Große Koalition befürwortet hat, und hält Van der Bellen die Kritik von dessen Parteikollegen Voggenhuber an genau dieser Haltung vor.

Vieles ist für Cap "absolut vorzeigbar", etwa die Frauenpolitik, aber auch Energie und Umwelt ("das liest sich wie ein grünes Programm"). Nach ihm ist FPÖ-Chef Strache an der Reihe, der dauernd nach seinen Sätzen "net?" oder "net wahr?" sagt, als hielte er eine Marktplatzrede vor Publikum. Die Inhalte lassen erst später erkennen, dass er sich dessen bewußt ist, wo er spricht, da er dann doch auf das Regierungsprogramm eingeht. Dann hat Wolfgang Schüssel sein Debüt als Klubobmann und kann sich einen Seitenhieb auf Cap nicht verkneifen, der vorhin den Zustand des übernommenen Budgets kritisierte:

Cap habe noch ein Übergangsproblem, das versteht niemand besser als ich. Seltsam dann sein Sager zu Van der Bellen, bei dem er Melancholie, wieder nicht dabei zu sein, vermutet. Man solle nicht jede andere Möglichkeit einer Mehrheitsbildung ausschließen, immerhin sind alles Demokraten im Parlament (Schwarzblauorange III; woran er da denkt?).
Schüssel stehe "voll hinter dem Regierungsprogramm", möchte Gusenbauer aber etwas korrigieren: dieser hat nur von "transatlantischen Beziehungen" gesprochen, die ebenso wie jene zur Russischen Föderation gepflegt werden sollen; tatsächlich "verdanken wir den USA aber viel".

Nach der Männer-Rederunde kommen auch Frauen zu Wort (zuerst allerdings Vizekanzler Molterer), und da hören wir bspw. Renate Csörgits (SPÖ) von "Arbeitslosenbekämpfung" sprechen. Was sie sicher nicht so meinte, da sie von Gesprächen mit "Leuten" berichtete, die betroffen sind. Eva Glawischnig (Grüne) ging auf Umwelt ein und ein wenig auf Frauen (wo sie mehr das Ministerium ohne eigenes Budget störte als die Inhalte des Regierungsprogrammes). Seitens der FPÖ kritisierte Barbara Rosenkranz die Zuwanderung und "Parallelgesellschaften", in denen es keine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gäbe.

Nun, diese gibt es bei FPÖ und BZÖ auch nicht, sehen wir uns den Frauenanteil in den Fraktionen an (zwei bzw. eine Frau unter den Abgeordneten). Sie warf der SPÖ vor, die Prekarisierung am Arbeitsmarkt ebenso verschlafen zu haben wie die Gewerkschaft. Allerdings sieht sie einen Gegensatz zwischen Arbeitnehmerrechten und Zuwanderung, offenbar in der Annahme, alle Neuankömmlinge würden ihre Arbeitskraft zu Dumpingpreisen anbieten. Es gäbe in Wien Bezirke, wo man sich als Frau nachts nicht mehr auf die Strasse trauen kann, meint sie, explizit den 15. erwähnend.

Ein Anliegen ist der zehnfachen Mutter auch, Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky wegen ihrer Aussagen im Buch "Kinderlos? Na und..." zu kritisieren. Dies tut auch die BZÖ-Abgeordnete Ursula Haubner, die meint, es sei bei einer auch für Familien zuständigen Ministerin inakzeptabel, "kinder- und familienfeindliche Kommentare" abzugeben. Kdolsky sprach nur aus, was viele denken, die gerade nicht Kleinkinder versorgen: dass es ungeheuer nervend sein kann, wenn Kinder im öffentlichen Raum (in Restaurants oder Flugzeugen) ungehindert herumtoben und schreien dürfen, weil manche Eltern dies modern finden.

Sicher sehen es viele Politiker auch so, die ihren Nachwuchs, solange er klein ist, nur stundenweise sehen und erst später, wenn man mit Kindern auch "vernünftig" reden kann, mehr mit ihnen anzufangen wissen. Aber Männer dürfen ja so denken... Kdolsky hat jedenfalls einige erfrischende Aussagen gemacht: so werde Mutterschaft "verklärt" und sie steht dazu, ein "Wohlfühlgewicht" zu haben, sprich ein paar Kilo zuviel auf den Hüften. Und, ja, sie sagt, dass ihre eigene Beziehung wohl weniger gut funktionieren würde, hätte sie Kinder. Das sollte nicht Grund zur Empörung sein, sondern all jene, die das ärgert, zum Nachdenken verleiten: ja, woran liegt das wohl?

Erstens ist es das Recht jeder Frau, selbst zu entscheiden, ob sie Kinder haben will oder nicht. Zweitens fiele es jenen, die sich nicht klar gegen KInder entscheiden, wohl leichter, welche zu bekommen, wenn sie damit rechnen könnten, dass sie beruflich ebenso gut oder gebremst vorankommen wie Väter.... (Übrigens verteidigte Kdolskys Vorgängerin Maria Rauch-Kallat, nun Abgeordnete, sie gerade)

Ob man/frau Doris Bures an Johanna Dohnal messen kann, ist Thema eines CeiberWeiber-Textes. Bei historischer Betrachtung zeigt sich, dass die damalige Zeit ein Zusammentreffen mehrerer günstiger Umstände mit sich brachte, was nicht wiederholbar ist. Allerdings kann sich Bures etwas von Dohnal abschauen - das geschickte Nutzen von nicht genau festgelegten Kompetenzen, um sich überall als Anwältin der Frauen einzumischen. Übrigens besteht das Ministerium seit 1990 (mit sieben Jahren Unterbrechung) im wesentlichen in jener Form, die Dohnal damals Vranitzky abtrotzte. Sollte sich da nicht mal was ändern im Sinne von: mehr Kompetenzen, mehr Geld (es gab seither Budgetsteigerungen, aber es muss noch mehr sein....)?!

Im Parlament gab es übrigens noch eine sichtbar gute Gesprächsbasis zwischen Schüssel und Scheibner (BZÖ) und unfreiwillig komische Szenen. Etwa, als Strache (zum 2. Mal am Redepult) gegen die sog. Mindestsicherung anführte, dass diese nicht viel niedriger ist als die niedrigsten Löhne. Er führte unter anderem die Billa-Verkäuferin an - na, da könnte er doch bei den Orangen, die bei den Blauen sitzen, Herrn Veit Schalle fragen, warum diese armen Frauen nicht mehr verdienen, wo Billa doch so viel Gewinn macht. (Vielleicht muss Schalle aber erst im Wirtschaftsprogramm der NSDAP nachschlagen, also lassen wir das Thema besser :-)

Ex-BZÖ-Staatssekretär Dolinschek meinte dann, es müsse ein Unterschied zwischen Mindestsicherung und Mindesteinkommen bestehen. Wüßte man nicht, was diese Frage für viele Leute am Ende der Einkommensskala bedeutet, könnte man fast lachen über eine Debatte unter 183 BezieherInnen eines Grundeinkommens (da ja Abgeordnete nicht nach Leistung oder Stunden bezahlt werden und mit einmal oder zweimal 800 Euro weniger immer noch sehr gut verdienen würden) darüber, ob man auch anderen die eigenen "Privilegien" zukommen lassen will, ohne sie "zu verwöhnen" oder "faul" zu machen.

Auch Werner Amon von der ÖVP gjng darauf ein und widersprach einer Grundsicherung unter dem Aspekt der christlichen Soziallehre (die Katholische Sozialakademie ist genau deswegen dafür). Arbeit sei Teil eines sinnerfüllten Lebens, meinte er. "Dauerhaft kein Einkommen zu haben", sei "gegen die Würde des Menschen". Na, wie wäre es dann damit, etwas vom üppigen Abgeordnetengehalt der Gesellschaft zurückzugeben in Form eines Coachings für eine kleinere Gruppe Arbeitsloser, Herr Amon?!

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