08.01.07

Neue Regierung

Leidenschaftslos seyn: eine Eigenschaft der höchsten Geistesgröße, deren Ueberlegenheit selbst sie loskauft vom Joche gemeiner äußerer Eindrücke. Keine höhere Herrschaft, als die über sich selbst und über seine Affecten: sie wird zum Triumph des freien Willens. Sollte aber jemals die Leidenschaft sich der Person bemächtigen; so darf sie doch nie sich an das Amt wagen, und um so weniger, je höher solches ist. Dies ist eine edle Art, sich Verdrießlichkeiten zu ersparen, ja sogar auf dem kürzesten Wege zu Ansehen zu gelangen.

Was hat das mit der neuen Regierung zu tun? Nun, das Zitat stammt aus dem Handorakel des Balthasar Gracian, eines Jesuitenmönchs, der von 1601 bis 1658 in Spanien lebte,

Denken wie die Wenigsten und reden wie die Meisten. Gegen den Strom schwimmen wollen, vermag keineswegs den Irrthum zu zerstören, sehr wohl aber, in Gefahr zu bringen. Nur ein Sokrates konnte es unternehmen. Von Anderer Meinung abweichen, wird für Beleidigung gehalten; denn es ist ein Verdammen des fremden Urtheils. Bald mehren sich die darob Verdrießlichen, theils wegen des getadelten Gegenstandes, theils wegen dessen, der ihn gelobt hatte. Die Wahrheit ist für Wenige, der Trug so allgemein wie gemein. Den Weisen wird man nicht an dem erkennen, was er auf dem Marktplatz redet: denn dort spricht er nicht mit seiner Stimme, sondern mit der der allgemeinen Thorheit, so sehr auch sein Inneres sie verleugnen mag. Der Kluge vermeidet eben so sehr, daß man ihm, als daß er Andern widerspreche: so bereit er zum Tadel ist, so zurückhaltend in der Aeußerung desselben. Das Denken ist frei, ihm kann und darf keine Gewalt geschehen. Daher zieht der Kluge sich zurück in das Heiligthum seines Schweigens: und läßt er ja sich bisweilen aus; so ist es im engen Kreise Weniger und Verständiger.

Auch dieses Zitat stammt aus dem Hand-Orakel und könnte was mit den Koalitionsverhandlungen zu tun haben :-)

Nahe bei den Menschen sein spiegelt laut SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer das Ergebnis an Ressorts gemessen wieder. Andere wie Ex-Vizekanzler Hannes Androsch sehen hingegen den Zusammenhang zwischen einstigen BZÖ-Ministerien und heutigen SPÖ-Ministerien. Der Seniorpartner von bisher hat seine Ressorts im Wesentlichen behalten, der Wahlsieger übernimmt die Ressorts des Juniorpartners. Eine ÖVP-Regierung mit rotem Bundeskanzler ist auf den Punkt gebracht (und oft als Schlagzeile oder Posting formuliert), was viele denken. Symptomatisch ist wohl, dass Hannes Androsch, der einst vielen SozialdemokratInnen und SPÖ-WählerInnen zu pragmatisch und zu wirtschaftsorientiert war, heute eine Koalition ablehnt, die ihm (und vielen anderen) zu pragmatisch ist.

SPÖ-Klubobmann Josef Cap lässt ihm freilich via Zeit im Bild 2 ausrichten, dass er nie verhandeln mußte, sondern das Glück hatte, in den Zeiten der Alleinregierung Minister gewesen zu sein. Verhandeln sei hart, und es war auch hart. Daneben gibt es aber auch die Reaktionen von Politikern, die Verhandeln mit dieser ÖVP sehr wohl aus eigener nicht lange zurückliegender Erfahrung kennen. Nämlich z.B. seitens der Grünen, die sich fragen, ob die SPÖ denn ohne Strategie in das Unterfangen ging. Man müsse gegenüber Schüssel wissen, wie man reagiert, und bereit sein, aufzustehen und zu gehen. Wir haben damals (2003) mehr erreicht als die SPÖ heute ist daher eine Meinung Grüner.

Nunja - Cap wies auch jedwede Kritik von BZÖ (dort wünscht sich Peter Westenthaler indirekt ein Wiederaufleben der Donnerstagsdemos), FPÖ und besonders der Grünen zurück (die doch geradezu, in Aussagen van der Bellens, eine grosse Koalition wünschten). Sicher, die SPÖ konnte so nicht mit Unterstützung einer Minderheitsregierung rechnen - war sie der ÖVP aber deswegen ohne Optionen ausgeliefert? Derzeit, am Montagabend, ist die SPÖ-Zentrale von StudentInnen besetzt, von denen manche auch dort übernachten wollen. Nach Meldungen dürfen sie bleiben, wenn sie nichts beschädigen und beschmieren.

Grund ist die Empörung über die "Spontanidee" (c Cap) in den Verhandlungen, anstelle einer nicht durchsetzbaren Abschaffung der Studiengebühren die Möglichkeit zu schaffen, sie in 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit pro Semester abzudienen. Das Ganze läuft unter dem Stichwort soziale Gerechtigkeit, als ob es einen Ausgleich schaffen würde zwischen StudentInnen als wohlhabenden Familien und aus jenen, wo die Studiengebühren eine Belastung darstellen. Hilfsorganisationen, bei denen offenbar gemeinnützig gearbeitet werden soll, winken bereits ab, da sie keine unqualifizierten StudentInnen für zweieinhalb Stunden pro Woche brauchen, sondern ausgebildetes Personal (und Zivildiener, die lange genug da sind, um ausgebildet zu werden).

Die Frage der "harten" und "weichen" Ressorts (ÖVP alle "harten" Ressorts bis auf Verteidigung, wo jetzt die unbeliebten Flieger dem Volk verkauft werden sollen, die es laut Wahlkampfspruch "Sozialfighter statt Eurofighter" nicht geben sollte) ist etwas unfair, da man ja auch in "weichen" Ministerien etwas bewirken kann. Wenn man da, wie Gusenbauer betont, nahe an den Menschen sein kann, dann kann auch viel für Geschlechtergerechtigkeit getan werden. Das Frauenministerium ist dann ein guter Schritt, wenn es nicht jenem von 1999 entspricht (im Kanzleramt, ohne eigenes Portefeuille, mit vergleichsweise wenig MitarbeiterInnen). Derzeit sieht es aber genau danach aus, obwohl gerade Barbara Prammer als letzte SPÖ-Frauenministerin ein eigenständiges Ministerium mit mehr Budget und mehr Kompetenzen und eine Art Generalkompetenz der Einmischung in "Frauenfragen" gerfordert hat.

Mehr zu all diesen Fragen siehe Wir haben eine neue Regierung!

& noch ein paar Fundstücke: Die SPÖ hat einen guten Kompromiss bei den Studiengebühren erzielt.

Österreich wird moderner, sozialer und leistungsfähiger

Erfolgreiche Regierungsbildung - Österreich verpflichtet

Im Standard meinen mehr als 90% der UserInnen, die ÖVP habe sich bei den Verhandlungen durchgesetzt

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein Lügenbaron als Kanzler ?
"Wir brauchen in Österreich eine Regierung, für die am Tag vor der Wahl auch das gilt, was am Tag nach der Wahl gilt. Und wir brauchen in Österreich nicht einen Bundeskanzler der gebrochenen Versprechen, sondern wir brauchen in Österreich einen Bundeskanzler der sein Wort hält. Und genau deswegen trete ich am Sonntag an."
Alfred Gusenbauer, 29.9.2006

alexandra bader hat gesagt…

yep :-)

die liste der zitate läßt sich fortsetzen....

Anonym hat gesagt…

warum nicht:)