03.10.06

über den Tellerrand hinaus...

In Österreich zeichnen sich nun Kolaitionsverhandlungen ab, dh. es wird medial abgecheckt, wo Positionen und Wahversprechen zwischen SPÖ und ÖVP unvereinbar sind. Besonders schwierig wird es wohl in der Eurofighter-Frage werden. Die SPÖ inserierte zuletzt "Sozialfighter statt Eurofighter", während die ÖVP mit dem Ankauf der Kampfflieger aus europäischer Produktion ein Bekenntnis zur Neutralität verband. Fragt sich, wie teuer ein Vertragsausstieg wäre - wenns zu kostspielig wird, kann die SPÖ die Schuld ja dem Koalitionspartner zuschieben....

Weitere SPÖ-Pläne, die Geld kosten: Grundsicherung von 800 Euro, die etwa jenen helfen soll, die von ihrer Arbeit nicht leben können (sinnvoll!), Abschaffung der Studiengebühren und Gesamtschule (gegen die die ÖVP im Prinzip nichts hat, wenn "Vielfalt" erhalten bleibt). Die Grünen sind inzwischen mit dem Ergebnis, das sie nicht zu den möglichen Mitregierenden rechnet, ziemlich zufrieden. Sie rechnen damit, dank Wahlkarten mit der FPÖ zumindest in Mandaten gleichzuziehen, wenn sie die Partei nicht an Stimmen überholen. Man werde "führende Oppostionspartei" sein, also ist das Nichtmitregieren-Können nicht weiter schlimm.

Grüne auf Platz 3 bedeutet Anspruch auf dritte/n NationalratspräsidentIn, ein Job, für den die Grünen des öfteren (erfolglos) kandidierten, um Bewerber aus der nationalen Ecke zu verhindern. Fix ist, dass Barbara Prammer (SPÖ), ehemals Frauenministerin und bislang 2. Nationalratspräsidentin, nun mehr die erste Präsidentin sein wird. In Österreich also bis zur Wahlkarten-Auszählung am 9. Oktober, nicht viel Neues. Interessant ist, wie sich der Umgang mit "Sieger" Gusenbauer verändert hat und wie anders man dem "Verlierer" Schüssel begegnet. Anführungszeichen deshalb, weil beide Großparteien Stimmen verloren haben, die ÖVP-Verluste allerdings ein Vielfaches des SPÖ-Minus betragen.

Analysiert wird das überraschende Resultat nun so, dass Schüssel eben volksfern agierte, während Gusenbauer volksnahe unterwegs war. Wenn das jemandem schon vorher aufgefallen wäre, dann wäre das Wahlergebnis nicht so verblüffend gewesen. Für mich sieht es eher so aus, als wären Würfel verwendet worden. Mal fallen sie so, mal fallen sie eben so. Besonders volksnahe kann eine Partei ja nicht sein, bei der bis vor kurzem Mitglieder und Funktionäre willkommen waren, die sich schamlos bedienten und Milliarden in den Sand setzten (Bawag, ÖGB). Will heißen, dass nicht nur Programmatisches a la "Wohlstand gerecht verteilen" erforderlich ist, sondern auch Menschenkenntnis und Umsetzung der eigenen Grundsätze im internen Bereich.

Bei der ÖVP findet man hingegen demonstratives Festhalten an Schüssel, der zumindest die Koalitionsverhandlungen führen soll. Was er ja, wie wir wissen, ziemlich raffiniert zu bewerkstelligen weiss. Erinnern wir uns an die Verhandlungen mit der FPÖ im Jahr 2000 oder an das Scheitern der Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen im Jahr 2002. Bei Letzerem wird oft den Grünen der Vorwurf gemacht, diese Chance verpaßt zu haben (gerade jetzt wieder, wo es sich rein rechnerisch mit niemandem ausgeht). Vielleicht hätte die ÖVP ja auch mehr Entgegenkommen zeigen müssen, statt sich als gefinkelte und viel routiniertere Verhandler zu profilieren? Offenbar soll nun ähnlich wie 1999/2000 hart verhandelt werden. Seitens der ÖVP heißt es, man habe in der Regierung wenig zu gewinnen, beziehungsweise, dass man wenn, dann nicht "billig" zu haben sei.

Angesichts der plötzlichen medialen Lobhudelei auf Gusenbauer, der doch eben noch unbeholfen und hölzern, gar mit Resopal-Charme versehen war, habe ich etwas "Ehrliches" zur Situation nach der Wahl geschrieben: Der Sieg des Pyrrhus (1), Unüberbietbar ist die Wende von Österreich, wo aus "Gusis" Aussage, er jogge u.a. wegen 108 kg, was Übergewicht bedeute, im Wolfgang Fellner-Kommentar "108 kg Übergewicht" wird. Wollen die einen sozialdemokratischen Kanzler mit null (politischem) Gewicht? Auch "Gusis" Tochter Selina, immerhin 14 Jahre alt, wird sich schön bedanke dafür, dass "Österreich" sie zur "kleinen Tochter" macht....

Blick über den Tellerrand: letzte Woche veranstaltete die Amerikanische Botschaft eine Konferenz "The US Image And The Media", über die ich bei den CeiberWeibern berichte. Interessant war, dass Gäste aus den USA voll auf der Höhe der Zeit waren, was mediale Veränderungen durch Internet, Blogs, Podcasts, Youtube und Webradio betrifft. Sie waren auch selbstkritisch hinsichtlich der MedienkonsumentInnen in ihrem Land, die nun mal überwiegend wenig Ahnung davon haben, was in anderen Teilen der Welt vor sich geht. Allerdings ist es hier wie dort eine Minderheit informierter Menschen, die sich selbst all das besorgen, was sie interessiert. Nimmt man für bare Münze, was österreichische Medienleute dort sagten, dann sind sie erstens die besten JournalistInnen der Welt und zweitens die ÖsterreicherInnen besonders aufgeklärte KonsumentInnen.

Österreichische Medienleute gefallen sich in einer Rolle als "gatekeeper", weit über das normale Mass der "Selektion" hinaus. Natürlich schreibe auch ich nicht alles, was es über eine Veranstaltung, ein Ereignis, eine Wahl zu berichten gäbe. Dies ist aber eine Auswahl durch Rahmenbedingungen: niemand kann überall sein, alles mitkriegen, alles mitschreiben (auch Transkripte nach mp3-Aufnahmen wären mäßig interessant, da viel zu lang - und sie würden auch viel Arbeitszeit erfordern). Ich bin aber keine "gatekeeperin", die anderen vorschreibt, was sie NICHT lesen dürfen, womit sie sich NICHT befassen sollen. So handhaben die "Ösis" aber beispielsweise das 9/11 Truth Movement, das für sie taxfrei aus "irren Verschwörungstheoretikern" besteht. Außer mir macht sich niemand die Mühe, dazu mal zu recherchieren und dann etwas zu schreiben, das auf viele Quellen verweist (siehe langer Artikel. Die Arroganz der werten KollegInnen ist aber fast amüsant, wenn etwa Michael Freund vom Standard offenbart, dass er an die "magische Kugel" glaubt, die im Zickzack-Kurs Präsident Kennedy tötete und auch andere Menschen traf.

English: After the elections coalitios are debated; the only possible version is Social Democrat / Conservative. This makes it "expensive" for the winning Social Democrats - who were no winners in the exact sense but lost far less votes than the Conservatives. Although nobody has guessed that the Social Democrats would win the media comments now attribue to Gusenbauer being closer to ordinaray people than his rival Schüssel.

Last week the US Embassy held a conference on "The US Image And The Media" were blogs and changes in the media sphere were in the focus. The guests from the US were critical, the guests from Austrian media were arrogant. But while US mainstream media begin to cover the findings of the 9/11 Truth Movement this is still a "red line" that almost no Austrian journalist dares to cross - I had to say this as I'm the only journalist here which is open for the Movements' arguments.

2 Kommentare:

Woelfin hat gesagt…

anders ausgedrückt: du hättest lieber weiter schüssels lügenpolitik gehabt (ministerialposten mit frauen garnieren und dann behaupten, alles wäre plötzlich frauenfreundlich, arbeitslose zu hunderten in engen räumen (siehe sozialökonomische betriebe, in schlecht remunerierten jobs abdrängend)) dann behaupten, die AL wäre plötzlich gesunken? war SOWAS denn die lösung?

alexandra bader hat gesagt…

Hallo Susi, ich möchte Frauen nicht zu Alibifrauen reduzieren, nur weil sie nicht dem Lager angehören, das eher mit Frauenpolitik in Verbindung gebracht wird. Denn das sind sie genauso wenig (oder genauso viel) wie Frauen in anderen Parteien. Immerhin haben alle Parteien Männer an der Spitze und gerade bei allgemeinen und strategischen Fragen (besonders sichtbar jetzt nach der Wahl) äußern sich auch fast nur Männer öffentlich. Ich finde es schade, dass nicht Politikerinnen vor der Wahl im TV diskutierten, auch dass es zu wenig Veranstaltungen gab, wo beispielsweise Prammer und Rauch-Kallat ihre (unterschiedlichen) Vorstellungen von Frauenpolitik darlegten. Einen gewissen Grundkonsens gibt es ja unter Frauen, in dem sich auch die meisten Nicht-Politikerinnen wiederfinden, und der müßte mehr zur Grundlage der Politik werden (was schwer ist, solange Männer das Sagen haben :-)