22.11.06

Während sich das öffentliche Interesse auf sogenannte "Killerspiele" konzentriert, offenbart sich im Web eine ganz andere Seite des "Falles" Bastian B. Eigentlich ist es aber ganz gut, wenn sich Eltern mal dessen bewußt werden, welchen Zeitvertreib (angeblich) 2/3 der männlichen Jugendlichen haben. Gibt's da nicht grad wieder Werbung für mehr Aufmerksamkeit gegenüber dem kindlichen TV-Konsum? Könnte man mit einem neuen Spot variieren: Mutter öffnet die Tür und Rambotypen fragen nach dem Sohn, trampeln sie fast nieder und stürmen mit der Waffe im Anschlag ins Kinderzimmer. Eben direkt aus einem "Killerspiel" oder von der Softair-Inszenierung vom letzten Wochenende (siehe auch vorheriger Eintrag hier). Apropos: wer sich gegen Kriegsspiele wendet, etwa im Online-Standard, kriegt leicht virtuell eins übergebraten. Ich sage dann nur, dass ich gegen jeden Waffenbesitz in Privathand bin.

Ein anderer Aspekt dieses "Falles" sind die Postings von Bastian B. (diesmal als R_X) im Forum waytodeath.com (bewußt ohne direkten Link erwähnt). David alias "Dark Born" war dort selbst mal Mitglied und hat am 21.11. zu seinem Entsetzen entdeckt, dass Bastian B. dem Forum am 10. Oktober 2006 beitrat und bis zum 14.11. ingesamt 61 Postings hinterließ. Er beschreibt in einem Text die Funktionsweise solcher Foren, die Menschen eigentlich vom Selbstmord abhalten sollen durch virtuelle Aussprache mit "Gleichgesinnten". Werden Taten konkret angekündigt, müssen Behörden informiert werden. Dark Born meint, dies sei hier unterlassen worden, obwohl sich Bastian B. genau erkundigte, ob die von ihm gewählte Todesart sicher klappt.

Mit Dark Borns Artikel sind die gesicherten Beiträge von waytodeath.com als jpg-Dateien verlinkt (Stichwort Download). Etwa die Methodendiskussion - > Erschießen -> Vorderlader, wo R_X es am 10.10., nach seiner Registrierung, genau wissen wollte. Andere informieren ihn, dass ein Vorderlader mit Schießpulver geladen wird. Er reagiert, dass er eine .12er Flinte und eine .45er Pistole, mit denen aber noch nicht geschossen hat. Er gibt auch zu verstehen, dass konkrete Ratschläge vielleicht rechtlich problematisch sind (eben weil zu den Spielregeln solcher Foren die Benachrichtigung von Behörden im angedeuteten Ernstfall gehört). In anderen Threads spricht er von ebendiesen Waffen und davon, woran er denkt (Schluß machen) und wünscht sich Musik für seine Beerdigung (wieder mit Hinweis auf die Todesart). In der Vorderlader-Diskussion postet dann er selbst wieder, hat sich offenbar selbst schlau gemacht:

14.11. sooo, also Vorderlader Schrotflinte geht definitiv zur Selbsttötung

später antwortet jemand: Der amokläufer hat sich auch mit nem antiken Vorderlader in den mund geschossen und er ist tot also muss es mit so einem vorderlader funktionieren.

dann weist ihn jemand auf die Faktenlage hin: Falls dus nicht gelesen hast, der R_X hier ist/war allem anschein nach der amokläufer.

Wie ein Dialog unter Zombies.

Beim Thema Suizidforen denke ich an eine Österreicherin, die sich per Web zum Selbstmord in Norwegen verabredete - und darum geht es auch beim ersten Google-Fundstück: Die öffentliche Diskussion über Suizidforen im Internet wurde durch den Suizid einer 17- jährigen Österreicherin und eines 20-jährigen Norwegers durch den Sprung von dem 600
Meter hohen Cliff "Prekestolen" - einer bekannten Attraktion im norwegischen Fjord-Distrikt - in Gang gesetzt. Die beiden sind über Diskussionsgruppen zum Thema Suizid im Internet in Kontakt gekommen. Der junge Mann hat in Beiträgen dieser Diskussionsgruppen dazu eingeladen, mit ihm gemeinsam Selbstmord zu begehen. Aus den Antworten mehrerer
junger Frauen wählte er die Österreicherin aus, die schließlich seiner Einladung nach Norwegen folgte und mit ihm in den Tod sprang.

Dieses Ereignis wurde ausführlich in fast allen Medien dargestellt, wobei die Verabredung zum Suizid via Internet den "sensationellen" Mittelpunkt der Berichterstattung bildete. Das Internet erhielt damit unspezifisch die Konnotation des potentiell Tödlichen und Gefährlichen. In der Folgezeit richtete ein auf eher reißerische Berichterstattung orientierter Journalismus sein Augenmerk auf die z. T. schon sehr lange bestehenden Diskussionsforen, Mailinglisten
und Webseiten. Der vorläufige Höhepunkt war die Berichterstattung im Spiegel und Spiegel- TV. Diese Art der Berichterstattung war insofern höchst problematisch, als dass sie letztlich nicht auf Gefahren, sondern auf die Möglichkeiten des Mediums hinwies, sich Informationen über Suizidmethoden zu verschaffen.
So beginnt eine Untersuchung über Suizidforen auf einer Seite zur Selbstmordverhinderung. Diese werden als niedrigschwelliges Angebot gelobt, von dem aus manche Jugendliche in Beratungsstellen finden, während Gefahr bei jenen gesehen wird, die ohnehin bereits "internetsüchtig" sind.

Selbstmord gilt als zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen nach Unfällen (wobei mehr Burschen als Mädchen sich umbringen). Anders als bei Erwachsenen spielen psychische Erkrankungen weniger eine Rolle dabei als Pubertätskonflikte und die Abschottung von der Umwelt als Folge der Nichtbewältigung von Problemen. Gewarnt wird vor reißerischen Presseberichten, die erst recht neugierig machen und in denen die "zynischen" gegenseitigen Ratschläge zur Methode beschrieben werden. (Wobei natürlich zu sagen ist, dass die Tipps ja nicht von Experten kommen, weil die Postenden noch am Leben sind.) selbstmord.de nennt den Forenbereich explizit "Selbstmord ist keine Lösung" (die Seite ist auch hell gestaltet und nicht so düster wie waytodeath). Auch das selbstmord-forum.at kommt seriös daher. Was zu wenig sensible Medienberichte bewirken, zeigt dieser (ausnahmsweise verlinkte) Thread im selbstmord-forum.de. Die Moderatorin muss schon fast verzweifelt all die neuen InteressentInnen darauf hinweisen, das es KEIN Pro-Selbstmord-Forum ist.....

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