14.11.06

Vom Sinn des Lebens

Aus meiner Mailbox: Donnerstag, 10.35 Uhr: Mehr als 13.000 Protestballons gegen Gentechnik starten in den strahlend blauen Berliner Himmel – ein schöner und berührender Augenblick. Es ist ein begeisterndes Bild. Auch die vielen
anwesenden Pressevertreter (vor allem Agenturfotografen) sind fasziniert. Doch dann fehlten am Abend und nächsten Morgen die Berichte und Bilder im Fernsehen und in den Zeitungen. Wir sind enttäuscht: Hat die bisher größte, über das Internet initiierte Aktion in Deutschland etwa nicht genügend Nachrichtenwert?
Offenbar nicht, obwohl in Deutschland gerade über ein Gentechnikgesetz beraten wird. Aber dank Internet kann man sich alles auch online ansehen.

The growth in global emissions of carbon dioxide from fossil fuels over the past five years was four times greater than for the preceding 10 years, according to a study that exposes critical flaws in the attempts to avert damaging climate change.
So wird ein bei Truthout in den USA gespiegelter Artikel des britischen Independent angekündigt. Current levels of carbon dioxide in the atmosphere are 380 parts per million (ppm), about 100ppm higher than before the Industrial Revolution 200 years ago. Some computer models predict damaging and irreversible climate change if carbon dioxide levels rise above 450ppm or 500 ppm.

The rate of increase of emissions suggests it may soon be impossible to avoid some of the worst-case scenarios, said Josep Canadell, executive director of the Global Carbon Project. "On our current path, we will find it extremely difficult to rein in carbon emissions enough to stabilise the atmospheric carbon dioxide concentration at 450ppm, and even 550ppm will be a challenge," he said. "At some point in the near future, we will miss the boat in terms of achieving acceptable levels."
Based on current trends, carbon dioxide concentrations are likely to increase to 500ppm this century. The last time the planet experienced levels as high as 500ppm was about 20 or 40 million years ago, when sea levels were 100 metres higher than today.


Politik, Wirtschaft und über diese beiden Bereiche berichtende Medien agieren jedoch, als sei dies alles irrelevant. Da wird von Wachstum in Asien geschwärmt, an dem man natürlich partizipieren möchte (als sei es nicht mit Emissionen und steigendem Flugverkehr, steigendem Gütertransport allgemein verbunden). Im "Kleinen" kann die österreichische (stahlverarbeitende) VOEST drohen, aus Linz wegzugehen, wenn Emissionswerte eingehalten werden müssen. Dabei hat Östereich seine Ziele nach dem Kyotoprotokoll auch ohne diese Ankündigung einer Erhöhung der CO2-Emissionen weit verfehlt.

Von Einschränkung und Umdenken kann nach wie vor nicht die Rede sein, bleiben doch auch Studien unbeachtet, wonach sich der Individualverkehr seit den 70er Jahren verdreifacht hat (also grob geschätzt jedes Jahr verdoppelt). Um welchen Preis? Untersuchungen, dass die meisten Autofahrten eher kurz sind und leicht öffentlich oder mit dem schnellsten innerstädtischen Verkehrsmittel, dem Fahrrad, bewältigt werden könnten, haben keine Auswirkungen. Auch steigende Energiepreise zeigen uns nicht, dass Ressourcen begrenzt sind und dass wir uns auch mit Sorgfalt beim Konsum durchaus Wünsche erfüllen können, ohne uns davon total abhängig zu machen.

Wenn ich manchen Leuten zuhöre, denke ich aber, dass sich ihr ganzes Leben um Haben-Wollen dreht. Immer das Neueste, und immer mit der Angst, man könne sie, beispielsweise bei Garantieleistungen, übers Ohr hauen. Sie schwärmen von Flachbildfernsehern und könnten stundenlang darüber reden (während ich mich mit einem kleineren Fernseher anno 1994 begnüge, der noch einige Zeit seine Dienste tun wird. DVDs werden am Mac abgespielt, einen Videorecorder gibt es erst seit ein paar Jahren). Die andere Seite der Angst, wo was zuviel zu zahlen, sind Versuche, etwas herauszureißen, per Frühpension etwa oder bei Haushaltsversicherungen. Jedes Thema, so weit es auch vom Finanziellen entfernt sein mag, führt irgendwann zu Kosten. Vielleicht ist es sowas wie ausgleichende Gerechtigkeit des Universums, dass diese Typen manchmal gerade dort blechen sollen, wo sie eigentlich mal etwas für andere tun wollten, dabei aber etwas beschädigten.

Da ich die Schwester von Sisyphos bin, kann ich mich schwer entziehen, wenn jemand um Berichte über seinen Kampf gegen Windmühlen ersucht. Schwester von deshalb, weil die CeiberWeiber-Themen eigentlich irgendwann überholt sein müßten, sich aber nur manches ändert. Die feststellbaren Karrierefrauen werden gewissermassen aufgewogen durch die Einkommensschere und die niedrigeren weiblichen Durchschnittseinkommen. Bewußtsein für Frauengeschichte steht gegenüber, dass Frauen oft Opfer von Menschenhandel sind, weit stärker als in früheren Zeiten etwa in der k.u.k.- Monarchie. Außerdem habe ich Katzen, sodass ich mir beim Putzen wie Sisyphos vorkomme - es gelingt nie. einen Zustand der absoluten Haar- und Katzenstreukrümel-Losigkeit zu erreichen. Wenn ich beim einen Ende ankomme, findet sich am anderen ein Krümelchen oder ein kleines Büschel Haare :-)

Also besuchte ich Wolfgang Mundstein, der gegenüber vom Justizministerium für den Rücktritt von Ministerin Gastinger hungerstreikt. Sein Standort liegt nachmittags im Schatten, sodass es trotz Handschuhen, Schal und Haube ziemlich kalt war. Mit klammen Fingern notierte ich, was er in pausenlosem Redefluss mit häufigem Hin- und Herspringen zwischen offenbar markanten Daten erzählt. Ich schreibe keine Romane voll in ein Notizheft, da ich keines mithabe, am Rand von Zetteln Stichworte kritzle. Die Geschichte kann lang formuliert werden mit Chronologiene, Eingaben, tausenden Beilagen, mehreren hundert Mails und Briefen an PolitikerInnen, JournalistInnen, Institutionen oder in einem Satz: Wolfgang Mundstein brauchte für eine Green Card in den USA, wo er jetzt lebt, eine Strafregisterbescheinigung, und jene, die nach New York geschickt wurde, unterschied sich von anderen, die anderen Leuten erteilt wurden.

Da nichts gegen ihn vorlag, erhielt Mundstein seine Green Card, doch damit fing die Story erst an, da er dem damaligen Innenminister Ernst Strasser Urkundenfälschung nachweisen wollte. Außerdem rief ihn ein Mitarbeiter von Herbert Haupts "Bürgerservice" (Haupt war Vizekanzler und Minister) mehrmals an, doch Mundstein wollte nicht mit ihm sprechen, sodass der Mann ihm letztlich etwas auf den Anrufbeantworter sprach, das M. als Drohung interpretierte (man kann es auch als "guten Rat" verstehen). Seither versucht M. - immerhin mehr als drei Jahre lang - Konsequenzen und Stellungnahmen zu erwirken, jedoch ohne Erfolg. Auch die Volksanwaltschaft (Ewald Stadler, jedoch auch andere) wurde von ihm berfaßt, er wandte sich auch an europäische Institutionen. Mundstein nimmt für sich in Anspruch, Minister Strasser, der mitten in der letzten Legislaturperiode zurücktrat, gestürzt zu haben, und will darüber auch ein Buch schreiben.

Ebenso verbucht er als Erfolg, dass Kanzler Schüssel dank seiner Interventionen nicht für einen Posten in der EU-Kommission in Frage kommt. Der Hungerstreik jetzt richtet sich gegen Schüssel. aber auch wie gesagt Gastinger (und gegen Außenministerin Plassnik). Allerdings ist Mundsteins Mails (alles auf seiner Webseite nachzulesen) auch zu entnehmen, dass er den Rücktritt von Grünen-Chef Van der Bellen erreichen will (der sich lediglich nicht mit Mundsteins Anliegen befassen will). Mundsteins Seite besteht ausschließlich aus seinem Kampf, es gibt wenig Infos über ihn selbst, jedoch vieles über Abgeordnete, Regierungsmitglieder, Journalisten, auch, wo man jede/n erreichen kann; einiges über Institutionen in Österreich und der EU - kurzum, weit detaillierter als der Österreich-Eintrag auf der CIA-Webseite.

Der Kampf gegen Windmühlen hat 22.000 Euro gekostet (Kopien tausender Seiten, Reisen, Hotel, FedEx-Zustellungen usw), was für Menschen, die ihr Leben lang arbeiten mussten (und von denen viele diese Summe nicht einmal im Jahr verdienen), gewaltig erscheint. Mundstein hat jung einiges von seinem Vater geerbt, sagt er, doch er wird arbeiten müssen, hat auch bereits eine New Yoker Taxilizenz. Er spricht bei seinen Recherchen von "journalistischer" Arbeit, die jedoch üblicherwerise meist nicht in eigener Sache erfolgt (und selbst dann die Perspektive der jeweils anderen Seite zumindest erwähnen sollte). Außerdem ist er Publizist, weil er ein Buch "Wie ich Ernst Strasser stürzte..." usw. herausbringen will.

Ich habe bislang weder eine Strafregisterbescheinigung noch einen Stapo-Akt angefordert, erinnere mich aber gut, als ein paar Grüne in Graz Letzteres taten. Wir lachten herzlich über die veralteten Informationen, in denen Aktivitäten in längst nicht mehr bestehenden Arbeitskreisen angeführt wurden. Bei manch einer auch als Elternteil engagierten Mutter stand dann zu lesen, dass besagte Frau in einem Elternverein aktiv gewesen sein "soll", offenbar konnte man nicht abklären, ob die Person ident ist (davon abgesehen, dass die Kinder inzwischen nicht mehr die Volksschule besuchten). Das Ganze befreite uns auch von der Vorstellung, es habe einen "Spitzel" bei uns gegeben - obwohl wir den Verdacht gegenüber einer ganz bestimmten Person doch nie völlig loswurden.

Unter den wenigen Antworten, die Mundstein bekam, fällt jene der EU-Abgeordneten Karin Resetarits auf, die meint, sie habe viel mit Menschen zu tun, denen durch Willkür alles mögliche an Unrecht zugefügt wurde. SIe riet ihm, seine Energien anderen Dingen zuzuwenden, durchaus nett gemeint (zitiert in meinem Artikel über Mundsteins Mission). Aus seiner Sicht war das natürlich die falsche Antwort, wie aus späteren Mails hervorgeht, auf die Resetarits nicht mehr reagierte. Ich kann jeder/m, die/der gerade den Novemberblues hat oder sonstwie schlecht drauf ist oder sich über Alltagskram ärgert, nur empfehlen, Mundstein gegenüber vom Justizministerium neben dem Volkstheater in Wien zu besuchen.

Man sieht dann den eigenen Umgang mit Frust und Freude vergleichbar dem, was Selbsthilfe-Bücher raten. Ich fuhr dann jedenfalls die Neustiftgasse entlang und machte bei Om Esoterik Pause. Dort wollte ich wissen, ob sie eine bestimmte CD von Loreena Mc Kennitt haben, auf der ein Lied ist, dessen Titel ich nicht kenne. Ich hörte ein paar CDs teilweise an (wurde dann zuhause auf der Webseite von Mc Kennit fündig) und sah mir das Bücherangebot an. Allerdings fühlte ich mich für den Tag genug "erleuchtet", sodass ich fröhlich in der Kälte mit dem Rad heimfuhr :-)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo!

Ich bin erst jetzt, leider zu spät, auf Wolfgang Mundstein aufmerksam geworden. Viele seiner Seiten/Berichte sind nicht mehr vorhanden. Wo bekomme ich zu verbreitendes Material?

Grüßle
ASY