10.11.06

Asatru, Eso-Szene und Rechtsextremismus

9./10. November war die Nacht des Grauens für Juden und Jüdinnen und anständige Menschen, damals, 1938. Heute gibt es Gedenkveranstaltungen, wo die einen ihr Bewußtsein zeigen, während die anderen derlei Anlässen fern bleiben, aber in der Öffentlichkeit das "Gute" loben, das "der Führer" gebracht hat. (Herr Zanger, siehe Post vom 9.11., ist auch heute noch nicht zurückgetreten).

Medien berichten über eine Zunahme gewaltbereiter Neonazis in den Bundesländern Vorarlberg und Oberösterreich und meinen, eine Art Einstiegsdroge seien Konzerte der Blood and Honour-Szene, die für Jugendliche attraktiv wirken. Es gibt jedoch auch eine andere, subtilere, umso fiesere Möglichkeit, und die liegt in der Abkehr vom Christentum (gegen die Abkehr an sich habe ich nichts) und die Hinwendung zum "Neuheidentum".

Bislang verband ich mit "Nordischem" vielleicht Runen, doch belehrte mich Lady Purple bei Hagazussa TV (einmal im Monat bei OKTO) in der Sendung am 8.11. eines Besseren, indem sie über Asatru aufklärte, den "Asenglauben". Eine Religion, die sich (logisch!) in Skandinavien ausbreitet, aber auch AnhängerInnen in Australien, Deutschland und Österreich hat. Die meisten Asatru-VertreterInnen grenzen sich scharf von der rechtsextremen Szene ab, doch wenn man mal eine Websuche startet, wird klar, dass nicht jeder/jedem sofort auffallen wird, mit wem man es zu tun hat.

Asatru gibt es "universalistisch" und "ethnisch" - im einen Fall kann jede/r Asatru praktizieren, in anderen Fall sollte man, ohne dass dies wertend gegenüber anderen "Völkern" gemeint sein muss, "germanischer Herkunft" sein (uah, manche sagen auch, scheinbar unbedarft, dazu "völkisch" statt "ethnisch"). "Typisch deutsch" ist Asatru auch in Vereinsform erhältlich, siehe Verein für Germanisches Heidentum, dessen Abkürzung mit jener des Verfassungsgerichtshofes identisch ist.

Die alten Werte bei "Runar" erinnern doch sehr an der Ehre und Treue-Geschwafel manch Freiheitlicher, die ja oft noch einen Tick näher am NS-Gedankengut formulieren. Ich kann mir nicht helfen, aber mir wird ganz anders, wenn ich derlei lese, egal ob es in "altdeutscher" Schrift verfaßt ist oder in moderner Verdana. Auf der Seite Nordzeit /asatru.de lesen wir:
Volklich nahezu aller Nährwurzeln durch die Vertreibung grosser Volksteile aus ihrem Heimatboden beraubt, durch die Umkehrung aller Werte einer ungeheueren Volksverschmutzung ausgesetzt. Geistig-seelisch einer skrupellosen Zerstörungswut gegen unsere deutsche Art ausgeliefert, die jede noch so kleine artbewusste Regung, jedes Sich-Aufbäumen gegen den drohenden Untergang unseres Volkes im Keime zu ersticken versucht und unsere Art im Namenlosen versickern lassen möchte...

Biologisch das einzige Volk dieser Erde, dessen staatliche Institutionen den Mord an jährlich Hunderttausenden ungeborener Kinder gutheissen und gesetzlich unterstützen - ein unverantwortlicher, ja geradezu tödlicher Irrtum - oder gar bewusste Vollziehung ausserstaatlicher Direktiven? Tödlich angesichts der Überschwemmung von Millionen Fremdrassiger, die durch ihren Kinderreichtum in vielen Städten Westdeutschlands zahlenmässig schon ein erschreckendes Übergewicht in den allgemeinbildenden Schulen haben. Die Nöte westdeutscher Eltern, deren Kinder in solchen gemischtsprachigen Schulen unterrichtet werden müssen, sind gross. In diesem, aus allen Fugen geratenen volklichen Etwas, dessen Erscheinungsformen so ganz und gar nicht der Würde und ehemaligen Grösse deutschen Denkens und Handelns entsprechen, soll nun noch Raum für eine Kinderstube des Volkes sein, aus der heraus wieder wahrhaft deutsche Menschen erwachsen können?
Wer Asatru googelt, landet zuerst dort, später dann bei Wikipedia, wo Orientierungshilfen gegeben werden. Was, wenn beispielsweise Jugendliche, die sich für den "Asenglauben" interessieren, gar nicht genau durchchecken, was auf welchen Plattformen vertreten wird?

In der Szene sind die Nordzeit-Leute unter dem Stichwort "Artgemeinschaft" heftig umstritten. Jürgen Rieger NPD-Mitglied, ist schließlich Gründer der Artgemeinschaft-geramische Glaubensgemeinschaft und der Nordzeitung und Organisator von Rudolf Heß-Gedenkmärschen sowie in seinem Job als Anwalt Verteidiger von Holcoaustleugnern. Ich persönlich halte das "Volks"-Getue, auch wenn es nicht von rechts kommt, ohnehin für unsinnig, da es im genetischen Sinn keine Völker gibt, wir längst bunte Mischungen darstellen. (In Österreich müßten sowieso auch die Kelten ins Spiel kommen, deren Kultur vom heutigen Oberösterreich und Salzburg ausging und die nicht die "Barbaren" waren, als die sie der ORF in der Doku über die römischen Eroberer in Carnuntum darstellt..)

Nornis AEtt hat mit "Odins Auge" eine Beobachtung rechtsextremer Tendenzen, wo u.a. steht: “Wir sind unpolitisch” - das ist ein vielgelesener Satz, dem man in der deutschen Heidenszene immer wieder begegnet. Man trifft auf ihn allerdings fast ausschließlich in Diskussionen, in denen Verknüpfungen oder Verbindungen mit rechtsextremen Inhalten oder Personen thematisiert werden. Dieser Satz dient, wie wir immer wieder feststellen mussten, ausschließlich dem Zweck, solche Diskussionen schon im Ansatz abzuwürgen und wird somit als reines Totschlagargument genutzt, um den Blick nicht auf Dinge richten zu müssen, durch die man in die unbequeme Lage geraten würde, eine eindeutige Position zu Ideologien zu beziehen, die heidnische Kultur als Deckmantel für ihre eigene politische Agenda missbrauchen.

Tatsächlich findet man (jedenfalls dann, wenn man bspw. den NS-Jargon aus Beschäftigung mit Zeitgeschichte kennt) die rechtsextreme Orientierung bereits in Satzungen: Mitglied der Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft e.V. kann jemand werden, wenn er ersichtlich unserer Menschenart angehört, keiner anderen religiösen Gemeinschaften angehört, die Grundsätze unseres Glaubens (das Artbekenntnis) und unsere sittlichen Grundlagen (das Sittengesetz unserer Art) bejaht und dies auch in Form einer freien Willenserklärung zum Ausdruck bringt. Hätte da mein deutscher Vater mit roten Haaren, Sommersprossen und grünen Augen eine Chance gehabt, oder hätten sie ihn als "artfremden Kelten" bezeichnet?

Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Esoterik ist oft oberflächlich und so dumpf pauschalierend, dass man mit derselben Masche auch vor jedwedem politischen Engagement (oder vor dem Besuch von Konzerten, der Lektüre von Büchern, dem Surfen im Web) warnen könnte. Immerhin gibt es rechtsextreme Parteien und politische Gruppierungen (und Bands und Bücher und Internetseiten). Auch das Verbot von Symbolen treibt in Deutschland seltsame Blüten, da beispielsweise die keltische Triskele als verdächtig gilt (die von vielen Menschen als Amulett getragen wird, die mit Rechts nichts am Hut haben, jedoch keltische Kunst mögen). Nach dem Motto, alles kann ein Hakenkreuz sein, auch ein Symbol, das eine Dreiheit darstellt (drei Aspekte der Göttin). Differenziert argumentiert hingegen Antje Schrupp, die auch Tipps gibt, wie man rechtsextremes Gedankengut im "Heidentum" entdeckt:

- Erstens: Vorsicht, wenn Gruppen, die man nach ihrer Verbindung zu Neonazis fragt, mit einer Kritik an Hitler und der NSDAP antworten. In einem solchen Fall nach Himmler und der SS fragen.
- Zweitens: Vorsicht, wenn sie viel von Europa reden. Fragen, ob auch Griechenland, Sizilien und Rumänien zu ihrem Europa gehören.
- Drittens: Fragen, was sie von 'gemischtrassigen' Ehen halten und in welcher spirituellen Tradition Kinder aus solchen Ehen stehen. Wenn die Antwort darauf schwammig bleibt, fragen, ob euer senegalesischer Verlobter auch Mitglied in der Gruppe werden kann.
- Viertens: Vorsicht, wenn die Gruppe sich zwar als nicht-rassistisch verstehen will, aber immer betont, daß sie unpolitisch sei. Wirklich nicht-rassistische Heiden und Heidinnen haben ihr Verhältnis zum rechtsextremen Heidentum reflektiert und verstehen sich insofern durchaus als politisch.
- Fünftens: Vorsicht, wenn auf geheime Traditionen Bezug genommen wird, wenn behauptet wird, die 'Wahrheit' über keltische oder germanische Religiosität zu kennen. Heiden, die wirklich an dieser Tradition interessiert sind, wissen, daß man darüber nichts weiß, und geben zu, daß sie ihre Rituale zu einem großen Teil neu erfunden haben.


Sie betont: Gefährlich sind aus meiner Sicht nicht so sehr "spinnerte" neuheidnische Minigruppen, seien sie rechtsradikal oder nicht. Viel gefährlicher ist daß die sogenannte Neue Rechte auf die ganz normale Politik Einfluß hat. Diese Leute kommen nicht als Germanenpriester verkleidet daher, sondern mit Schlips und Anzug. Leute wie der Franzose Alain de Benoist, Pierre Krebs oder Sigrid Hunke haben eine neue, antiegalitäre Philosophie entwickelt, die aus einer Ablehnung des egalitären Christen-/Judentums heraus sich ebenfalls auf das Heidentum beruft. Ihr Bezugspunkt ist nicht das Germanentum, sondern Europa - und im Rahmen der gegenwärtigen Europadebatten kommen Argumentationslinien der neuen Rechten immer wieder zum Zug. Sie vertreten ein Politikverständnis, das sich, wie schon ihre Vorläufer im 19. Jahrhundert, vom Gleichheitsideal der Aufklärung verabschiedet. Sie wollen eine „organische Politik", die von der Verschiedenheit der Völker ausgehend Europa als ein 'biokulturelles' System versteht. Religiös sind sie, insofern sie den Universalismusanspruch der monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam ablehnen, also die Vorstellung, es gebe nur einen Gott, vor dem alle Menschen gleich sind - wobei die Stoßrichtung dieser Argumentation heute nicht mehr in erster Linie gegen das Judentum geht, sondern gegen den Islam.

Siehe auch Mythen der Rechtsradikalen

Und schließlich noch Linktipps zu Asatru:

Nordic Twilight
Rabenclan - eine Plattform für "NeuheidInnen", Wicca, Druiden, Kelten, Asatru, dezidiert gegen rechtsextreme Vereinnahmungen der Szene
Asatru-Begriffe bei Boudicca
Asatru als staatlich anerkannte Religion in Island
Eldaring
Eibenpfad
Asatru in Spanien
Alte Sitte Schweiz

3 Kommentare:

Andreas G. Wilsdorf hat gesagt…

Der Artikel macht durchaus Sinn. wenn ich ihm auch nicht in Gänze zustimme. ein paar Schlussfolgerungen sind doch ein wenig weit hergeholt.Im Kontext aber sauber recherchiert. Nur eines ist eine Selbstlüge als Astru zu sagen.. "Wir sind unpolitisch" das ist wohl niemand. Auch ich habe politische Ansichten die aber in der heutigen polit Szene wohl bei den Anachisten ein zu ordnen sind und in anderen Bereichen mag es möglich sein das Dinge weit rechts zu finden sind. In keinem Falle jedoch würde ich mich mit irgendeiner extremen Rassenpolitischen oder Gesellschaftspolitischen Gruppierung einlassen

Anonym hat gesagt…

Schon mal überlegt wie Europa christlich wurde?
Schon mal überlegt wie Deutschlasnd und weite Teile Europas faschistisch oder "kommunistisch" wurden?
Schon mal überlegt wie Europa muslimsch werden wird?
Dann überleg doch mal was mit all denen passierte welche weder christlich, faschistisch oder kommunistisch werden wollten.
Am schlimmsten traf es dann die Juden.
Übrigens waren Faschisten und Muslime (Hilfstruppen in Osteuropa und anderen Einsatzorten) zur Zeit des WWII dicke Partner, vereint bei Judenvernichtung und Abschaffung der Demokratie, die ja wirklich nicht das Ergebnis des Christentums ist. Und Partner aktiver Muslime sind auch in der Jetztzeit.
Asatru und andere Ringe etc. als Gefahr. Dabei handelt es sich zumeist um Neoheiden der verträumten Art. Ne Art Fantasywelt nicht online digital sondern Freizeit gestaltend.
Gefahr von rechts ist vorhanden. die linke/grüne Gefahr wird oft übersehen.
Dann zahlt mal zukünftig ruhig Dhimmisteuer.
Ragnar

Stoffspax hat gesagt…

Ich selbst bin Anhänger des Asatru, allerdings lehne ich den Nazionalsozialismus total ab. Im Gegenteil. Mensch ist Mensch und jeder soll an das Glauben was er für richtig hält und keinem sollte mit seiner Religion gleich eine politische Einstellung aufgedrückt werden. Eine vergleichbare Situation wäre, wenn allen Christen Vorgeworfen werden würde das sie die Kreuzzüge gut finden. Also bitte last uns in Ruhe mit dem Nazionalsozialismus. Religion und Politik sind zwei Paar Stiefel