13.08.07

The price to pay

So sieht braver, erwünschter, angepasster Journalismus aus: "Der Westen darf sich der russischen Machtpolitik nicht beugen", schreibt Paul Lendvai am 9.8.2007 in einem seiner regelmäßigen Kommentare im "Standard". "Obwohl das (von westlichen Verhandlern vorgeschlagene, Anm.) Paket auch sehr weit gehende Minderheitenrechte für die im Kosovo verbliebenen Serben (weniger als zehn Prozent der Bevölkerung) vorsieht, besteht Belgrad auf eine überwachte Autonomie innerhalb Serbiens.... Während der vom serbischen Hegemoniestreben entfesselten Jugoslawienkriege und anschließend bei der Festigung der Unabhängigkeit der Nachfolgestaaten haben herausragende österreichische Balkanexperten wie Erhard Busek und Wolfgang Petritsch (embedded politicians? Einwurf von mir :-) im Auftrag der Europäischen Union einen bedeutenden Beitrag zur Befriedung und zum Wiederaufbau, vor allem im Kosovo und in Bosnien geleistet."

Das hab ich ein bisschen anders in Erinnerung, nämlich unter aktiver Beteiligung westlicher Kräfte, die Konflikte schürten und schliesslich Jugoslawien bombarierten, unter propagandistischer Schützenhilfe von embedded journalists auch in heimischen Medien. Besonders beliebt war eine Gleichsetzung der Serben mit den Nazis, als ob es sich nicht einst um Naziopfer gehandelt hätte, die Juden retteten (im Gegensatz zu den bei der österreichischen Diplomatie beliebten guten Kroaten). Wolfgang Petritsch, dann auch Spitzenkandidat der SPÖ auf der Wiener Liste bei der Nationalratswahl, posierte während des Kosovokrieges gerne mit UCK-Führern (zur UCK-Mujahedin-CIA siehe Chossudovsky)

"Zu Recht betonte Außenministerin Ursula Plassnik kürzlich im Standard, dass schon zu viel Zeit verloren sei und dass die Stabilität und Zukunftsfähigkeit der gesamten Region eine Klärung des Status des Kosovo erfordere. Ihre vorsichtige, aber unmissverständliche Warnung vor den Folgen einer „gezielten Vetopolitik“ Russlands ist eine selbstverständliche Ergänzung der jüngsten Erklärung des Kanzlers: Kosovo sei ein Testfall für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Gerade deshalb darf man sich im Westen der russischen Machtpolitik nicht beugen. An der "überwachten Unabhängigkeit" des Kosovo von Serbien führt kein Weg mehr vorbei. Wegen der von Moskau demonstrativ bestärkten Verweigerungshaltung Belgrads und der Gefahr der Radikalisierung der Kosovo-Albaner stehen freilich auch Zerreißproben mit unkalkulierbaren Risiken bevor."

Sowas wie die "überwachte Unabhängigkeit" der Marionettenregierungen in Afghanistan und dem Irak von den USA ist da wohl gemeint. Manche PosterInnen sehen in Lendvai einfach einen alten Mann, der immer gleiche Phrasen drischt, doch einer zeigt, dass sich Einfallslosigkeit und Konformität durchaus lohnen: "als selbsternannter und gefälligkeitsjournalist läßt es sich gut leben. vor ein paar jahren gab es ein selbstbeweihräucherungs-meeting der banken-szene in dubrovnik, von der bank austria organisiert, da auch banken aus der republika srpska eingeladen waren, war ich auch dabei. promi-quatscher war erhard busek. beim small-talk danach erfuhr ich von einem bank austria manager, warum busek eingeladen wurde. o-ton: weil er nur euro 2000 für die viertelstunde verlangt und lendvai wollte euro 5000 (die ihm sonst offenbar wirklich bezahlt werden)."

Gut entlohnt wird auch politische Anpassung, wenngleich manchen zu Wabls neuem Job nur einfällt, dass sich auch noch andere "alte linke Grüne" Versorgungsposten brauchen. Derlei kommt von Leuten, die oft als "VP-Kampfposter" bezeichnet werden, und tatsächlich offenbart sich unangebrachtes Klischeedenken. Die aus den Grünen vertriebenen linken Grünen sind keineswegs "alt" und auch nicht bereit, um jeden Preis eine Funktion zu übernehmen, auch wenn viele von ihnen nur recht und schlecht in Nischen überleben. Sich nicht der Instrumentalisierung der Grünen als zahme opposition on demand zu unterwerfen bedeutet vielfach, einen hohen Preis zu bezahlen.

Manche mussten sich nicht nur beruflich völlig neu orientieren oder trotz des Stigmas, jemandem im die Quere gekommen zu sein wieder Fuss fassen, sondern brauchten auch, bis sie damit abschliessen konnten und es verkrafteten. Immerhin ist es ja ein demokratisches Recht, sich politisch zu betätigen (ohne dass jemand kommt und einem etwas wegnimmt, das man mit anderen jahrelang ehrenamtlich aufgebaut hat, was man bei einer Partei nicht wiederholen kann). Andreas Wabl wäre als Mensch mit Rückgrat und Mut sicher der richtige Agent fürs Klima - aber hätte er Rückgrat und Mut, dann hätte erst spätestens im Jänner 1992 Farbe bekennen müssen, statt sich entgültig aufs möglich unauffällige Durchlavieren zu verlegen.

Sicher nicht deswegen sind die Stellungnahmen von Parteichef auf Lebenszeit Alexander "Schnarchnase" van der Bellen (63) lahm statt lebhaft, wie etwa der "Kurier" in einem Kommentar "Verschlafene Grüne" am 14.8. kritisiert: "Nach ein paar Tagen Schrecksekunde hat sich jetzt auch Grünen-Chef Van der Bellen aus der schläfrigen Versenkung hervorgeholt. Nein, die Wabl-Bestellung beklagte er lieber nicht (vergossene Milch), aber das grüne Klima-Programm stellte er vor. Brav. In Wirklichkeit müssten die Grünen aber die Regierung vor sich hertreiben für die immer krassere Verfehlung aller Klimaziele. Müssten Dampf machen, und zwar nicht nur mit einem schlüssigen, sondern auch einem durchgerechneten Konzept. Müssten ständig präsent sein, auch der Chef. Denn mit der Ankündigung alleine, bei den nächsten Wahlen wieder als Spitzenkandidat antreten zu wollen, werden die Grünen nicht weit hupfen als Oppositionspartei Nummer eins. Kompetenz hin oder her."

Bei den Forderungen unterlief den Grünen dann der Fehler, nicht zu realisieren, dass Wohnbauförderung längst in manchen Ländern nur für Niedrigenergiebauten gegeben wird, etwa in Wien (derlei weiss man natürlich nicht, wenn man Wohnungen einfach so kaufen kann, keine Kredite aufnehmen muss und zu viel für die Förderkriterien verdient). Van der Bellen bekommt auch im "Standard" sein Fett ab ("Männerrunden und Kritikverlust", Gerfried Sperl zu den ORF-Sommergesprächen): "Aber da regen sich nicht einmal mehr die Grünen auf (darüber, dass nur Männer nur männliche Politiker interviewen, Anm.). Sie haben ja nach der Etablierung der Bereichskoalition mit Rot, Blau und Orange ihren Mann im TV-Management. Pius Strobl jedoch hat sich schnell angepasst. Die Grünen sind eine stinknormale Partei geworden, für die mehr Demokratie und Meinungspluralität nur noch rhetorische Floskeln sind - sieht man ab von Peter Pilz, der selbst in der eigenen Partei ein Außenseiter ist. Er hat keine Chance, jemals dem österreichischen Grün-Liberalen Alexander Van der Bellen nachzufolgen."

Sollte Pilz diese Chance haben? Ich meine: Nein.

Welchen Preis man für Unangepaßtheit, Widerstand und Gewissen unter Umständen bezahlen muss, zeigt der angebliche Selbstmord des CDU-Politikers Uwe Barschel vor 20 Jahren.

Fall Barschel neu aufgerollt? melden Medien: "Anfang Juli hatte der Rechtsanwalt Justus Warburg im Namen von Barschels Familie die Aufnahme neuer Ermittlungen gefordert. "Nach meiner Überzeugung gehört der Fall Dr. Barschel nunmehr in die Hände der Bundesanwaltschaft, um endlich der Wahrheit die Ehre zu geben", schrieb der Jurist in seiner Erklärung. Hintergrund waren Äußerungen des früheren Barschel-Chefermittlers Heinrich Wille, mit denen der Leitende Lübecker Oberstaatsanwalt sich klar zur Mordthese bekannte. Barschels Witwe Freya und sein Bruder Eike waren immer überzeugt, Uwe Barschel sei ermordet worden. Ob Uwe Barschel ermordet wurde oder freiwillig aus dem Leben schied, konnte nie zweifelsfrei geklärt werden.

Nach Angaben von "Bild am Sonntag" hat Justus Warburg die Generalbundesanwältin Monika Harms in der Zwischenzeit schriftlich aufgefordert, "im Fall Barschel strafrechtliche Ermittlungen in eigener Regie aufzunehmen". Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft bestätigte auf Anfrage der Zeitung, das Schreiben Warburgs liege vor und werde geprüft. Den Informationen zufolge hat die Generalbundesanwältin den schleswig-holsteinischen Generalstaatsanwalt Erhard Rex bereits schriftlich um eine Stellungnahme gebeten."

Zwar wob der Berater von Peter Pilz im Lucona-Ausschuss, Hans Pretterebner, auch Uwe Barschel in den Kontext des Überbösewichts Udo Proksch, der ja doch nur ein Dummy war für etwas, das kein Versicherungsbetrug mit Schrott war, doch schrieb erstmals der Ex-Mosad-Agent Victor Ostrovsky, was wirklich passierte. Nunja, es war nicht die Stasi, und mit dieser hatte nebenbei bemerkt auch Proksch wenig am Hut. Wolfram Baentsch hat viel für Der Doppelmord an Uwe Barschel recherchiert und bestätigt Ostrovsky: "Motive und Todesumstände wurden immer wieder in die Nebel des Geheimnisvollen gehüllt, der Tote allen möglichen Verdächtigungen ausgesetzt. Dieses Buch, für das der Autor drei Jahre lang recherchierte, enttarnt diesen spektakulären Fall als einzigartige Desinformationskampagne. Die Legende vom Selbstmord war eine politische Erfindung. Und bis heute ist das Bemühen, sie über Jahre und Jahrzehnte am Leben zu halten und gegen bessere Einsicht zu verteidigen, politisch motiviert.

Die kriminalistischen Erkenntnisse zu den Todesumständen in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 1987 sind über die Suizid-Version allerdings längst hinweggegangen. Uwe Barschel ist in Genf Opfer einer von professionellen Killern ausgeführten Mordtat geworden. Wolfram Baentsch durfte als Erster Dokumente einsehen und auswerten, die bis heute als Verschlusssache gelten. Er befragte Zeitzeugen und analysierte deren Aussagen. Im nun vorliegenden Ergebnis seiner Recherchen enthüllt er die wahren Hintergründe in einem Vorgang von historischer Tragweite."

Ein Interview mit Baentsch ist wahrlich lesenswert: "Zum einen ist Uwe Barschel in Genf physisch ermordet worden. Zum anderen gab es aber auch einen Rufmord an ihm, der schon vor seinem Tod eingesetzt hatte, und über viele Jahre, im Grunde bis heute angehalten hat. Barschel ist diffamiert worden, als einer, der im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf von 1987 große Schuld auf sich geladen hätte."

Netzeitung: Uwe Barschel, so schreiben Sie, musste sterben, weil er zu einem untragbaren Risiko für die Geheimdienste geworden war. Sein Tod habe den gleichen Hintergrund wie der Mord an Olof Palme.

Baentsch: In der Tat. Olof Palme ist im Februar 1986 auf offener Straße erschossen worden, weil er Waffenlieferungen aus Schweden in Kriegsgebiete verhindern wollte. Uwe Barschel ist aus dem gleichen Grund aus dem Weg geschafft worden. Auch er hatte von Waffengeschäften zwischen Israel und dem Iran erfahren, die über Schleswig-Holstein abgewickelt worden waren. Der Ministerpräsident Barschel wusste davon aber nur durch eigene Recherchen und durch die Informationen seiner engsten Mitarbeiter.

Die Politiker, die damals die Waffenlieferungen betrieben haben, hatten Barschel nicht informiert. Es gab deshalb im schleswig-holsteinischen Parlament einen heftigen Zusammenstoß zwischen Uwe Barschel und seinem Amtsvorgänger, dem damaligen Finanzminister Stoltenberg. Barschel entrüstete sich da über die Waffengeschäfte hinter seinem Rücken. Diese waren in der Regel mit tatkräftiger Mitwirkung und dem vollen Wissen der Geheimdienste, also dem BND, dem Mossad und der CIA vonstatten gegangen.

Netzeitung: Waffengeschäfte zwischen Israel und dem Iran? Das liegt ja zunächst einmal nicht auf der Hand.

Baentsch: Israel und die USA hatten ein gemeinsames Interesse daran, den Krieg zwischen Iran und Irak mit Waffen zu füttern. Je länger und verlustreicher er würde, desto besser. Gleichzeitig hatten sie natürlich ein Interesse daran, nicht selbst als die Förderer dieses Krieges in Erscheinung zu treten. Seit langem ist ja bekannt, dass Saddam Hussein lange Zeit von Amerika mit Waffen beliefert worden ist. Hätte man nicht nun auch den Iran mit Waffen versorgt, wäre der Krieg schnell zu Ende gewesen.

Diese Aufgabe übernahm Israel und brauchte dazu Deutschland als Vorposten. Die Waffen wurden in Lastwagen über Italien nach Deutschland transportiert, zunächst nach Hamburg und dann nach Schleswig-Holstein. Die ursprüngliche Route verlief über Dänemark – dort hatten sich aber die Gewerkschaften geweigert, diese illegalen Transaktionen weiter zu dulden. All diese Vorgänge hat ein ehemaliger Mossad-Agent namens Victor Ostrovsky in aller Breite beschrieben, und er ist bis heute unwiderlegt geblieben.

Netzeitung: Ostrovsky, dessen Buch «Geheimakte – Mossad» 1994 erschienen ist, hatte ja auch die Erklärung für den Tod Uwe Barschels parat.

Baentsch: Er spricht von einem Mord und beschreibt ihn in den allermeisten Punkten so, wie es die medizinischen, toxikologischen und kriminalistischen Recherchen hinterher auch bestätigt haben. Ein Killerkommando des Mossad, so sagt Ostrovsky, habe Uwe Barschel in Genf ermordet.

Netzeitung: Dem stimmen Sie zu?

Baentsch: Ich finde das plausibel. Barschel ist von mehreren Personen ermordet worden, das war nicht einer alleine. Dieser Mord lässt sich auf verschiedene Arten beweisen. Die Beweise aber, und das ist das erschreckende, sind zwar erbracht worden und sie liegen auch vor, durften aber nie veröffentlicht werden. So hat zum Beispiel der Zürcher Toxikologe Professor Brandenberger in einem Gutachten akribisch nachgewiesen, dass das tödliche Gift Barschel erst verabfolgt worden ist, als er schon bewusstlos war. Er hat es also gar nicht selbst aufnehmen können.

Und schon gar nicht, wäre er danach in der Lage gewesen, die Spuren zu beseitigen. Die Flasche Wein, die er am Abend zuvor bestellt hatte, fand sich in dem Zimmer nicht mehr. Auch wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, die Verpackungen der vielen Medikamente, die in seinem Körper gefunden wurden, zu beseitigen.

Barschel starb an einem Gift, Cyklobarbital, das dem bereits Bewusstlosen in großer Menge verabreicht worden war. Während sich das Cyklobarbital noch im Magen befand, waren drei andere Gifte bereits in der Ausscheidungsphase begriffen. Diese Gifte hatten zuvor die Bewusstlosigkeit bewirkt. So der toxikologische Befund von Professor Brandenberger. Ich habe sein Gutachten nun übrigens über die Website meines Verlages öffentlich gemacht.

Aus weiteren Indizien lässt sich etwa folgender Tathergang rekonstruieren: Uwe Barschel ist unter dem Vorwand, man wolle ihm dort Beweismaterial überreichen, das ihn in der Pfeiffer-Angelegenheit entlasten würde, nach Genf gelockt worden. Dort traf er sich im Hotelzimmer mit seinen Mördern.

Die haben ihn zunächst pharmazeutisch betäubt, aber auch körperliche Gewalt angewendet, wovon Kopfverletzungen zeugen, die zunächst unbemerkt geblieben sind. Das tödliche Gift ist dem Bewusstlosen schließlich mit einem Schlauch durch die Nasenlöcher inturbiert worden. Auch das wird durch Verletzungen der Nasenschleimhäute bewiesen.

Netzeitung: Die allgemeine Erinnerung führt Uwe Barschel aber bis heute nicht als Opfer, sondern gemeinhin als skrupellosen Machtpolitiker, dem seine kriminellen Machenschaften schließlich bis zum Tod in der Badewanne über den Kopf gewachsen sind. Sein Kontrahent Björn Engholm gilt hingegen als integerer Politiker, und kaum jemand vermag noch zu sagen, warum er eigentlich am Ende zurücktreten musste. Wie kommt es zu dieser Erinnerung?

Baentsch: Durch eine riesige und bis heute andauernde Desinformationskampagne. Führen wir uns die Fakten vor Augen: Der erste parlamentarische Untersuchungsausschuss, den der gerade ermordete Barschel ja nicht mehr miterleben konnte, hat Barschel in allen Punkten schuldig gesprochen.

Es ging, wie sie sich erinnern, um die Bespitzelungen und Intrigen, die der Journalist Reiner Pfeiffer im Auftrag Barschels gegen den politischen Konkurrenten Björn Engholm gerichtet haben sollte. Dann aber gab es einen weiteren parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Es war nämlich herausgekommen, dass Pfeiffer von der anderen Seite, also von Engholms SPD finanziert worden war."

Barschel soll wegen der Affäre Selbstmord begangen haben, aber: "Im Grunde war das das Resultat des zweiten Untersuchungsausschusses: Barschel hatte nicht die Schuld auf sich geladen, unter deren Last er hätte zusammenbrechen und Selbstmord begehen können. Schließlich war das Hauptmotiv für Barschels vermeintlichen Suizid vom Tisch. Immer nur war nämlich zuvor von seiner großen Schuld die Rede gewesen und von seiner Karriereversessenheit, die ein Leben ohne politische Macht ihm sinnlos hätte erscheinen lassen.

Das ist aber blanker Unsinn. Freunde von Uwe Barschel wissen es übrigens auch besser. Justus Frantz, der mit ihm zusammen das Schleswig-Holstein-Festival ins Leben gerufen hatte, erinnert sich daran, dass Barschel ohnehin plante, sich Mitte der 1987 beginnenden Legislaturperiode von der Politik zurückzuziehen und in die Wissenschaft zu gehen. Er hatte seine Habilitationsschrift bereits fast fertig gestellt. Barschel war von der Politik maßlos enttäuscht.

Als er von den heimlichen Waffengeschäften, die hinter seinem Rücken gelaufen waren, erfahren hatte, wollte er nicht weiter mitmachen. Das Metier insgesamt war ihm suspekt geworden. Als er sich aber weigerte, Grundgesetzbrüche auf seine Kappe zu nehmen, bekam er zunehmend große Angst und fühlte sich bedroht. Das hat er auch wiederholt geäußert.

Netzeitung: Hatte Barschel auch objektive Anhaltspunkte für eine solche Bedrohung?

Baentsch: Ganz sicher. Ich sehe es etwa durch viele Indizien als erwiesen an, dass der Flugzeugabsturz, den Barschel am 31. Mai 1987 in einer Cessna als einziger und schwerverletzt überlebt hatte, kein Unfall war, wie damals behauptet wurde, sondern ein Attentat. Außerdem ist erwiesen, dass zwischenzeitlich ein holländischer Killer auf Barschel angesetzt worden war, der aber kurz darauf einen Herzinfarkt erlitt. Er kommt also für den Mord in Genf nicht in Frage. Der Mordauftrag ist zwar aktenkundig, wurde aber niemals öffentlich. Überhaupt ist eine ganze Reihe kriminalistischer Ergebnisse der Öffentlichkeit kategorisch vorenthalten worden."

Was Baentsch an den deutschen Verhältnissen kritisiert, passt zur CIA-Affäre: "Wir haben allen Grund unsere schöne Demokratie zu reparieren, wo sie reparaturbedürftig ist. Und da gibt es zwei Ansatzpunkte. Zum einen müssen die Geheimdienste kontrolliert werden: durch die Justiz und durch die Parlamente. Das geschieht aber nicht.Die Dienste können in Deutschland, wie sie wollen, abhören und Verfassungsbrüche begehen, ohne dass sie dadurch irgendetwas zu befürchten hätten. Ihre Abhängigkeit von ausländischen Geheimdiensten ist ein völlig unkontrollierbares Feld und öffnet Tür und Tor für Willkür und Verbrechen. Das muss abgestellt werden. Dazu müssen aber auch unsere Staatsanwaltschaften endlich frei ermitteln dürfen. Hierzulande sind die Staatsanwälte ja weisungsgebunden, und je brisanter ein Fall in politischer Hinsicht ist, desto massiver greift die Politik in die Arbeit der Staatsanwaltschaft ein. Das ist illegitim."

Und sein Fazit: "Der Kalte Krieg ist damals so kalt und so kriegerisch schon gar nicht mehr gewesen. Tatsächlich haben die Geheimdienste glänzend zusammengearbeitet. Oft wurde der Kalte Krieg einfach vorgeschoben, um eine massive Aufrüstung zu legitimieren. Heute haben wir ja stattdessen den Krieg gegen den Terrorismus. Auch hier glaube ich, dass eine Gefahr systematisch übertrieben wird, um ganz andere Zwecke zu erreichen. Geopolitik, Rüstungsgeschäfte – wo sich gut verdienen lässt, haben vorgeschobene Feindbilder mitunter große Vorteile. Täuschungsmanöver, wie das, was ich in meinem Buch beschreibe, halte ich daher durchaus noch immer für möglich."

Tja, über Täuschungsmanöver könnte ich, Ex-unembedded political activist und nun unembedded journalist, Herrn Baentsch auch einiges erzählen :-)

Was die Feindbilder nach dem Kalten Krieg betrifft, ist heute ja "Terrorismus" beliebt, der beispielsweise zu Entscheidungen führt wie einer Abschusserlaubnis für Passagiermaschinen. Auch in Österreich, aber wenn man nachfragt, geben Kanzler Gusenbauer und Verteidigungsminister Darabos durchaus differenzierte Antworten. Sie halten ein Szenario wie 9/11 (etwa bezogen auf die Fussball-EM 2008 in Wien) für sehr unwahrscheinlich - also auch 9/11?

Barschel Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, war mir nicht nur ein Anliegen, sondern es soll auch den Amerikaverteidigungsreflex konservativer Politiker etwas in Frage stellen (zumal man ja auch die Geschichten von Enrico Mattei oder Aldo Moro erzählen kann, die sich NATO/US-Interessen entgegenstellten). Und es soll, ganz ohne Pathos zeigen, dass Menschen für Freiheit, Frieden, Menschenrechte und Demokratie sterben. Viele, viele Menschen, viele viele mit unbekannten Namen, und viele werden im Moment ihres Todes nicht gewusst haben, warum sie sterben müssen, im Gegensatz zu Politikern (oder -innen wie Petra Kelly?), Journalisten, Veteranen von Geheimdienst und Militär und aus anderen Bereichen....

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