10.08.07

Angela Merkel und die CIA-Folterflüge

Das Thema der "extraordinary renditions", so die "Fachsprache", ist noch lange nicht ausgestanden, da Europaratsermittler Dick Marty in Interviews bereits davon spricht, dass wieder Folterflieger unterwegs sind. Nichts besonderes dran meint wohl auch der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble, der dagegen ist, Amerikaner außerhalb der USA vor ein Gericht zu stellen (beispielsweise als Folterer; wie so ein Verfahren ausgehen würde, kann man sich ausrechnen). Bei mutmasslichen Tätern in welchen Breichen auch immer wird aber wohl die Gercihtsbarkeit in dem Land wirksam, wo sie ertappt wurden.

Zweierlei Maß also und nur ein weiterer von vielen Rücktrittsgründen: Ob Abschaffung des Völkerrechts im Frieden, Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen, faktische Aufhebung des Fernmelde- und Brief- sowie des Bankgeheimnisses, Aufhebung der Unverletzlichkeit der Wohnung, Kommunikationssperren für Verdächtige, Beweislastumkehr, maximale Überwachung durch biometrische und konventionelle Kameras, Erfassung der Fingerabdrücke eines jeden Bürgers, Ermittlungen ohne Anfangsverdacht, RFID-Chips in Reisepässen, Anti-Terror-Dateien, Ausweitung des Kombattanten-Status, Tötung ohne Notfall- oder Notwehrsituation, Einsatz der Bundeswehr im Innern, präventive Inhaftierung, Verbot von IT-Sicherheitswerkzeugen und Zertifizierung von Sicherheitsdienstleistern oder oder oder - die Bürger bekommen zurecht Angst vor seinen Vorstellungen einer freien Gesellschaft.

In den USA wird mittlerweile die Antikriegsbewegung damit bedroht, dass der Besitz von Personen konfisziert wird, die den Erfolg des Irakkrieges "gefährden". In Deutschland wurde ein Stadtsoziologe verhaftet, weil Worte in Bekennerschreiben zu Brandanschlägen an seine Formulierungen erinnern, die gewiss nicht nur ihm selbst geläufig sind. Hier ist also das demokratische Recht auf Protest strafbar, dort wissenschafliche Arbeit. Und all das unter anderem wegen dem Phantom Al Qaida?

Aber ja, denn deswegen wurden ja auch Menschen aus Europa entführt, gefoltert, festgehalten. In Webpostings zeigen manche Empörung und durchschauen das Spiel; andere meinen, man könne doch die Guantanamo-Häftlinge nicht einfach freilassen, da Bush, der bekanntlich immer recht und noch nie gelogen hat, von "Killern" spricht. Der Hinweis auf fehlende Beweise ficht diese Leute nicht an und ebenso wenig, dass fair trial und nicht Folter für alle in der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, die hierzulande Standard ist.

Da verliert man dann schon mal die Geduld und rät zu einer Runde Guantanamo oder eine Folterausflug als Bewusstseinserweiterung. Vielleicht hilft sowas, die Universalität von Menschenrechte zu begreifen. Die Ursache für die aktive Komplizenschaft von 14 Staaten bei Verschleppungen ist übrigens NICHT 9/11 und NICHT angeblicher Terrorverdacht, sondern die auch davor übliche Duldung von CIA-Aktivitäten. Dies ist auch Thema eines Offenen Briefes an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die aufgefordert wird, sich in ein CIA-Oper hineinzuversetzen.

Es ist bewusst nicht die Geschichte von Khaled El Masri, der die Deutsche Regierung jedwede Geste der Entschuldigung, des Bedauerns oder der Wiedergutmachung verweigert. Sondern eine der ganz normalen Interventionen der CIA in eine Partei, die das Leben derer weitreichend verändert, die bewusst oder unbewusst Widerstand leisten. Sie sind permanenter Sabotage und Diffamierung ausgesetzt, auch in ihrem Privatbereich und erkenenn, wenn sie wissen, wer dahintersteckt, dass ihr Staat sie nicht schützt. Sie sind Freiwild, staatenlose Staatsbürger, "Ausländer im Ausland", so die US-Sicht, und nicht von der amerikanischen Verfassung geschützt.

Der sie im Stich lassende Staat demütigt nicht nur seine BürgerInnen und BewohnerInnen, sondern auch sich selbst, indem er einen fremden Staat über sich selbst setzt, also einen Putsch geschehen läßt. Er verletzt die Menschenrechtskonvention und die eigene Verfassung und die AmtsträgerInnen verletzen ihren Eid. Wenn so ein Verhalten als normal empfunden wird, obwohl es den Rechtsstaat und die Eigenstaatlichkeit auflöst, dann ist der Weg nicht weit zum Dulden von Entführungen oder der aktiven Mithilfe. Denn da läßt man sich ja von der CIA, die sich immer auf Geheimhaltung beruft, irgendwas vorsetzen, das meistens nicht überprüft werden kann, und schon ist es ja nur ein fanatischer Muslim, den man insgeheim gerne loswird.

Medienberichte machen mittlerweile die Zugehörigkeit zum Islam bereits zum potentiellen Terrorverdacht, was erst dann als bizarr erkannt wird, wenn wir uns das mal mit Christen vorstellen und bei jedem Namen "der bekannte Christ", "die Kirchen besuchende Christin" dazudenken. Dann wird dem traumatisierten Khaled El Masri sein letztliches Ausflippen vorgeworfen, nachdem er mutig überall als Zeuge zur Verfügung stand und versuchte, die CIA zu klagen (wegen "state secret" zurückgewiesen, was die CIA zu einer illegalen Organisation macht, da jedwede staatliche Verwaltung / Behörde rechenschaftspflichtig ist.

Lasst euch doch mal ein bißchen entführen und foltern, aber ohne zu wissen, ob ihr da je wieder lebend rauskommt, denke ich mir bei manchen Artikeln, wo die Autoren offenbar schon stolz darauf sind, das Wort Trauma zu verwenden. Vom Posttraumatischen Stress haben sie aber sichtbar keine Ahnung, sonst würden sie nicht so ambivalent mit einerseits aber andererseits rumschwafeln, und auch nicht von CIA-Willkür und Freiwildsein in der Praxis. Der Brief zielt darauf ab, dass die deutsche Regierung eine Geste gegenüber El Masri setzen muss, will sie ihn nicht im psychischen Sinne auf dem Gewissen haben. Opfer einer Organisation zu sein, die niemand aufhält, vor der alle den Schwanz einziehen, die mit dir machen kann, was sie will, bedeutet den Verlust der Welt und des Vertrauens in die Welt.

Es ist schlimm genug, nach normalen zerstörerischen Erfahrungen mit der CIA zu Staatsvertretern zu gehen, die nicht das geringste unternehmen wollen, auch wenn sie Menschenrechtsverletzungen zugelassen haben. Aber wie arg muss es erst für El Masri gewesen sein, bei dem noch die Komponente der Gefangenschaft, Entführung, Folter, Angst um sein Leben dazukam, der sich nirgendwo hin in einen CIA-freien Raum zurückziehen und seine Schritte überdenken, zur Ruhe kommen konnte. Die Welt kann nur dann wiederhergestellt werden, wenn die Proportionen wieder stimmen, wenn Verbrechen Verbrechen ist und Entführung Entführung und Verbrechen. Wird Angela Merkel Khalel El Masris Welt wieder zurechtrücken?

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