Kürzlich sah man Alfred Worm bei der Ehrung als Journalist des Jahres 2006. "Typisch, mit einem gekauften Interview (Natascha Kampusch)", dachte ich, doch meine innere Stimme meinte "laß ihn, der sieht doch sehr krank aus". Nun ist Worm im Alter von 61 Jahren gestorben, einem Herzinfarkt erlegen, nachdem er jahrelang Herzprobleme hatte, sich bestimmt auch mit viel Willenskraft dennoch im Leben hielt. Er meinte noch, er werde nun etwas leiser treten, was man sich ja in seinem Alter und nach seiner Laufbahn durchaus gestatten kann. Allein wird es nicht mehr dazu kommen, was ihn mit anderen Medienmännern (Journalisten und Karikaturisten) vereint, die ebenfalls mit Ende 50 / Anfang 60 abtraten. Meist nicht so plötzlich, sodass noch berichtet wird, wie sie in ihren letzten Lebenstagen schrieben und zeichneten, mit Leib und Seele ihrem Beruf verfallen. Nicht gerade aufbauende Beispiele, besonders nicht für Journalistinnen, die gerne betonen, nicht jeden Preis für ihren Job bezahlen zu wollen, und dann über verstorbene Kollegen reden.
Viel Weihrauch ist üblich bei prominenten Todesfällen, und ich möchte einem Verstorbenen auch nichts Schlechtes nachsagen. Dennoch ist manches korrekturbedürftig, das Worm nun im Überschwang der Gefühle zugeschrieben wird. Er war DER Aufdecker schlechthin, heißt es meistens, habe unerschrocken gegen "die Mächtigen" gekämpt und sei auch dauernd vor Gericht gestanden, wenn sich jemand durch seine Enthüllungen verletzt fühlte. Worm war zuerst Bauingenieur der Stadt Wien, der Peter Michael Lingens vom "profil" mit Informationen in der Causa Bauring versorgte. 1974 stieg er als Journalist bei diesem Magazin ein und bedurfte einige Zeit der Korrekturen seiner direkten Sprache - in stilistischer wie medienrechtlicher Hinsicht. Lingens kam letztlich nicht mit Worm zurecht; dieser sei ihm "unheimlich" (Basta 6/88). Im Interview mit dem "Forvm" (August - September 1989) meinte Lingens, der die Leitung des "profil" da bereits abgegeben hatte, dass juristische Spitzfindigkeiten wie der Konjunktiv für Behauptungen für Worm nur "Bremsmanöver" darstellten. Er sei aber für das Magazin "weitestgehend unverzichtbar", ein Urteil, dem sich heute sicher die Redaktion seiner letzten Wirkungsstätte "News" anschließen wird.
Worm wurde nicht nur geklagt, sondern war auch klagefreudig, wie Michael Prager vom "Forvm" erleben mußte (seines Zeichens übrigens der einzige Lucona-Aufdecker - er bestritt seinen Lebensunterhalt mit dem Betreuen eines Duty Free-Shops an der Grenze zu Ungarn, als ich vor ein paar Jahren mit ihm in Sachen Lucona in Kontakt war). Prager wagte es, eine der Aufdecker-Geschichten des W., den "wahrscheinlich größten Korruptionsskandal in der Zeit nach 1945" (Neubau des Zentralarchivs) als "in Wahrheit der größte Profil-Flop seit Bestehen" zu bezeichnen. Außerdem kritisierte Prager, dass Bruch von Amtsgeheimnissen und andere Methoden bei den Aufdeckerstories eine Rolle spielen. Zuvor mußte Prager Worm klagen (was abgewiesen wurde), da dieser behauptete, Prager schreibe seine kritischen Berichte zum Lucona-Ausschuß im Forvm im Auftrag der Anwälte von Udo Proksch. Im Forvm Juli - September 1990 schildert Prager eine Begegnung mit Worms Anwalt Masser (zugleich der Rechtsvertreter der Bundesländer-Versicherung): Die Wahrheit? Auch Sie werden die Wahrheit noch kennenlernen, Sie werden Sie noch eingeflößt bekommen, Herr Prager! Löffelweise!
Dies, als der so hartnäckige Journalist nach dem Ausschuß im Parlament nun auch noch den Lucona-Prozeß verfolgte und darüber berichtete. Masser war, wie auch Worm, daran beteiligt, aus dem Versicherungsfall des gesunkenen Schiffes - das eine andere als die im übrigen auch mit Einverständnis der Versicherung schlampig deklarierte Ladung an Bord hatte -, die These einer vorsätzlichen Sprengung zu propagieren. Worms Rolle schildert das Forvm (Mai 1989) so: Im März 1985 hart 'Profil'-Autor Worm bei 'Lucona'-Untersuchungsrichter Tandinger und im Beisein des in dieser Affäre ermittelnden Kriminalbeamten Reitter so etwas wie eine anonyme Mordanzeige erstattet. (Einschub: Prager beschrieb mir diese Ermittler pointiert; heute könnte man wohl sagen, sie waren keine Vorwegnahme von C.S.I.) Worm, der erklärt, ungenannt bleiben zu wollen, weil er sonst um sein Leben fürchten müsse, berichte, ein ihm bekannter Anwalt, der erklärt, ebenfalls ungenannt bleiben zu wollen, weil es um seine berufliche Verschwiegenheitspflicht gehe, habe sich an ihn gewandt; der habe aus seinen Kontakten mit einem Sprengmeister des Bundesheeres, Hans Edelmaier, die Überzeugung gewonnen, daß Edelmaier direkt an der Sprengung der Lucona beteiligt gewesen wäre, nämlich unter Beiziehung des Fallschirmspringers Hans Huber.
Das "Forvm", durch eine Ironie der Geschichte übrigens ursprünglich eine Gründung der CIA im Rahmen des Congress for Cultural Freedom, fand heraus, dass diese Aussage erst nach zwei Jahren in den Lucona-Akt aufgenommen wurde, da ein Stempel dies belegt. Freilich stand sie, wie vieles andere auch, dem zweiten "Aufdecker" in diesem "Spiel", Hans Pretterebner zur Verfügung ("Der Fall Lucona", erschienen 1987). Dies kam auch im Lucona-Ausschuß (1989) zur Sprache und wurde, wie auch immer wieder Stellungnahmen sozialdemokratischer Ausschußmitglieder, nicht in der als vollständig suggerierten "profil"-Berichterstattung erwähnt. Außerdem löste es nicht die Empörung aus, die ein vergleichbares Handeln seitens eines "roten" Richters in dieser Causa verursacht hätte - davon abgesehen, dass dieses Dokument das missing link darstellte. Immerhin erklärte es, wie Udo Proksch an Sprengstoff gekommen sein soll (wenn auch nicht, wie man im Jahr 1976/77 Zeitzünder länger als zehn Tage im Vorhinein einstellen konnte, was damals nicht möglich war).
Seltsam erschien nicht nur dem "Forvm", dass ein Dokument, in dem Worm nicht mit Namen erwähnt wird, bei der Einjournalisierung sein Leben gefährden konnte. Beim Lucona-Prozeß wird der erwähnte Huber nach zwei Jahren U-Haft vernommen, bekennt sich, mit den Nerven am Ende, falscher Zeugenaussage für schuldig (während die durch die Verteidigung entkräfteten Lügengeschichten, so "Forvm" April - Juni 1990, von Lucona-Kapitän und Steuermann nicht geahndet werden). Edelmaier wiederum sei, schreibt die Zeitschrift, aus fadenscheinigen Motiven festgehalten worden. Er hatte nämlich im Oktober 1976 Urlaub und hätte da die Lucona inspizieren können, die sich damals in Hamburg befand. Tatsächlich wurde, so die Aussagen von Kapitän und Steuermann, das Schiff damals besichtigt, nicht von Proksch und "Komplize" Daimler, aber in welche Sprache sich die Interessenten unterhielten, daran kann sich niemand erinnern.
Allein: Die Lucona ist nachweislich erst Mitte Dezember, also zwei Monate nach dem Hamburg-Aufenthalt angechartert worden, und zwar über einen der größten Genueser Schiffsmaker, nachdem das ursprünglich für die Fracht vorgesehene Schiff, die Beatrix, nach Sturmschäden havariert ausgefallen war. Und, muß man hinzufügen, sie hieß früher Steinberg und hatte ein identisches Schwesterschiff namens Scheersberg, mit der Material für das israelische Atomprogramm geschmuggelt wurde. Somit gibt es noch einen weiteren "Kandidaten", der Kenntnis vom Bauplan hatte. Pretterebner zitierte Kreisky in seinem Buch, wonach sich Hochtechnologie auf der Lucona befunden habe, mit der man Atombomben hätte herstellen können. Welcher Geheimdienst das Schiff versenkt habe, wolle er als gebranntes Kind aber nicht sagen.
Pretterebner verwendet oft Zitate in direkter Rede, die Nähe zu den Erwähnten vermitteln. Manches, was Proksch in den Mund gelegt wird, stammt aus einem Artikel von Wolfgang Maier für TransAtlantik Juli 1981. Maier befragt auch Anwalt Masser, der meint, die Anlage an Bord sei erheblich überfakturiert gewesen, was die Ingenieurfirma Comprimo bestätigt habe. Bei diesem holländischen Unternehmen arbeitete A.Q.Khan, der pakistanische Meisterspion, nachdem er in einem Reaktorzentrum entlarvt worden war (heute gilt er als Vater der pakistanischen Atombombe und hat vor ein paar Jahren einiges enthüllt). Maier besuchte auch den schweizerischen Proksch-Geschäftspartner Egger, der laut Pretterebner Scharniere für Schmuckkästchen herstellte, jedoch von Maier und dem BND-Agenten "Manfred Morstein" als Waffenexperte beschrieben wird. Prettnerebner liefert uns auch zwei eineinander ausschließende Versionen, wie dieser Hochstapler Proksch und Lütgendorf kennenlernte: a) nach dem Untergang der Lucona 1977 macht Egger erst die Bekanntschaft von Proksch, dann von Lütgendorf b) Egger und Lütgendorf kannten sich seit den 70er Jahren wegen Eggers Kontakten zu Waffenhändlern.
Pretterebner, der auch Decknamen von Stasi-Agenten gerne doppelt anwendet (entweder schreibt er selbst sie zwei Personen zu oder anderswo wird über jemanden berichtet, der genau jenen Decknamen trägt, den Pretterebner schon jemandem verpaßt hat), "entkräftet" die merkwürdige Tatsache, dass eine Zapata Ölgesellschaft von George H.W. Bush als CIA front office gilt, in Bezug auf die Lucona-Zapata so: Und so mag denn auch in der Behauptung, zwischen der Zapata Corporation und dem US-Geheimdienst bestünde eine gewisse Affinität, durchaus ein wahrer Kern liegen. Man beachte die untypisch gewundene Formulierung, wo sonst stets deftige Worte gewählt werden. Dennoch sind all diese Überlegungen müßig, denn das US-Unternehmen und die gleichnamige schweizerische Domizilgesellschaft haben in Wahrheit nicht das Geringste miteinander zu tun. Woher weiß er das? Von der CIA? :-)
Wäre Worm DER Aufdecker, hätte er mal das Pretterebner-Buch unter die Lupe genommen - und mit ergänzenden Recherchen eine ganz andere Geschichte zutage gefördert. Gut, mag man sich denken, auch ein Aufdecker ist nicht unfehlbar (oder besser: überschreitet gewisse Grenzen sicherheitshalber nicht), aber er hat doch den Sinowatz aufgeblattelt. Anlaß war die Behauptung, Sinowatz habe bereits im Sommer 1985 seinen burgenländischen Parteifreunden anvertraut, man werde die Bevölkerung rechtzeitig über Waldheims braune Vergangenheit aufklären (damals standen Bundespräsidentenwahlen bevor). Sinowatz, damals Bundeskanzler, ging vor Gericht, das der Aussage von 40 Zeugen weniger Glauben schenkte als der Zeugin Ottilie Matysek, die sich als SPÖ-Rebellin inszenierte und mit Ex-Bundesländerversicherungs-Direktor Ruso befreundet war (die Bundesländer gilt ebenso als schwarz wie die Wiener Städtische als rot).
Davon abgesehen konnte niemand im Sommer 1985 von Dokumenten wissen, die erst 1986 gefunden wurden, als der Wahlkampf in vollem Gange war. Dies auch deshalb nicht, weil Waldheim als Ex-UN-Generalsekretär natürlich von den großen Geheimdiensten durchleuchtet worden ist, also brisantes Material längst eingesetzt worden wäre. Zudem hatten die Russen einen ehemaligen Vorgesetzten Waldheims nach dem Krieg in Gewahrsam, der sicherlich verraten hätte, was es zu wissen gab, zumal Festgehaltene eher jene belasteten, die sicher im Westen waren. Victor Ostrowsky, ehemals Mossad-Agent, war bereits u.a. mit seinen Angaben zur Ermordung von Uwe Barschel, der einen Waffendeal Israels mit dem Iran über Deutschland verhindern wollte, durch Recherchen bestätigt worden. In "Geheimakte Mossad" schreibt er, dass gezielt aus anderen Akten stammende Dokumente Waldheims Unterlagen untergejubelt wurden, weil dieser israelischen Aktivitäten im Libanon kritisch gegenüberstand. Auch das plötzliche "Entdecken" der heiklen Informationen durch den damaligen Botschafter Israels bei der UNO, Netanyahu, war geplant worden.
Worm, DER Aufdecker und unser aller Vorbild? Meines sicher nicht, auch wenn ich manchen seiner Recherchen durchaus etwas abgewinnen kann, besonders der Kompromißlosigkeit gegenüber dem Treiben in der rechten Ecke. Da auch er sich an unsichtbare Grenzen und Gesetze hielt, was enthüllt werden darf und was nicht, trägt er dazu bei, das Leben jener Menschen schwer zu machen, die darunter leiden, dass es Tabus gibt. Wo er (und andere) aufdecken darf, konnte er freilich für manche durchaus etwas Positives bewirken. "Typisch" fand ich den Natascha Kampusch-Rummel, wo drei Männer (einer der interviewende Worm, einer der Psychiater, der dritte der Medienexperte) das zarte Mädchen auch per Körpersprache abschirmen. Nach dem unbewußten Motto: es gibt noch edle Ritter, die eine holde Maid verteidigen. Negierend, dass wohl kaum eine Frau Priklopil einen zehnjährigen Sascha entführt und acht Jahre im Keller festgehalten hätte, sondern dass dies wieder einmal Männergewalt ist. Worm hätte in seinem letzten Medium "News" (er war dann Herausgeber) auch dafür sorgen können, dass keine Panikmache-Geschichten (Vogelgrippe- und Terrorhysterie) erscheinen, sondern sachlich und faktenorientiert berichtet wird. Schließlich hat er sich auch an das Tabu gehalten, nur ja nicht die offizielle 9/11-Verschwörungstheorie zu bezweifeln - obwohl er da eine Menge hätte aufdecken können...
05.02.07
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12 Kommentare:
schliesslich sei auch noch die geschichte von der wohnservice wien ges.m.b.h erwähnt. vor der nase des aufdeckers wurde da einiges an steuermittel in den news-tower verbrannt.
ich will nicht worms jeden skandal vorwerfen den er nicht aufgedeckt hat, aber ich vermute das er etwas zu nah am fall dran war. wer ermittelt schon gegen seinen chef?
Gemeinderat, 39. Sitzung vom 30.01.2004 http://www.wien.gv.at/mdb/gr/2004/gr-039-w-2004-01-30-018.htm
fischbau
"die offizielle 9/11-Verschwörungstheorie"
...gabs die etwa, DIE eine ?
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