07.02.07

Der Eurofighter-Einbruch

MITTWOCH, 07. FEBRUAR 2007 Irgendwann heute Nacht ist bei uns eingebrochen worden. Die Glastür zu meinem Büro ist in Scherben. Auf meinem Schreibtisch steht meine neue Digitalkamera im Ladegerät unberührt da. Ein Schrank ist durchwühlt worden. Die Einbrecher haben in den Büros von Terezija Stoisits und mir irgend etwas gesucht. Einige Computer sind gestohlen worden. Meiner steht vor mir im Tiroler Oberland. Wenn das normale Einbrecher waren, dann waren sie nicht ganz normal. Habgierig waren sie jedenfalls nicht. Jetzt untersucht das LVT, das Landesamt für Verfassungsschutz. Aktueller Eintrag von peterpilz.at

Im Vergleich dazu die Aussendung der Grünen:
Im Grünen Parlamentsklub ist in der Nacht auf Mittwoch eingebrochen worden. Zielobjekte waren nach Angaben der Grünen unter anderem Büros der "Eurofighter-Abgeordneten" Peter Pilz und Werner Kogler. Der stellvertretende Klubobmann Karl Öllinger äußerte bei einer zu einem anderen Thema anberaumten Pressekonferenz offen den Verdacht, dass der Einbruch in "Zusammenhang" mit dem Eurofighter-Untersuchungsausschuss steht. Opfer des Angriffs waren laut Öllinger auch Büros von Mitarbeitern und der Abgeordneten Terezija Stoisits und Ulrike Lunacek. Ohne "den Ermittlungen der Polizei vorgreifen zu wollen", äußerte er die Vermutung, dass es bei dem Einbruch "nicht um Wertgegenstände gegangen ist, obwohl welche verschwunden sind". "Ich sehe einen Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss", so Öllinger.

Die Einbrecher seien "nicht sehr habgierig gewesen", so sei etwa eine auf dem Schreibtisch von Pilz offen gelegene Digitalkamera nicht entwendet worden, dafür aber Aktenschränke mit Eurofighter-Ausschuss-Akten "gezielt aufgebrochen" worden. In anderen Räumlichkeiten seien eine Videokamera und ein Laptop gestohlen worden. Der oder die Täter seien über ein Gangfenster im Gebäude in der Löwelstraße im ersten Wiener Bezirk in die Klubräumlichkeiten eingestiegen. Öllinger sprach von einer "etwas raffinierteren Form" des Einbruchs.


Waren es a) die Büros von Pilz und Stoisits (Pilz) oder b) von Pilz, Kogler, Lunacek, Stoisits und von Mitarbeiterinnen (Öllinger-Version)?

Wurde/n a) einige Computer (Pilz) oder b) ein Laptop (Öllinger) gestohlen?

Wurde a) ganz simpel ein Schrank durchwühlt (Pilz, erinnert an einen Wäscheschrank, in dem ja manche Privatpersonen Wertsachen verstecken) oder b) Aktenschränke gezielt aufgebrochen (Öllinger)?

Dass Pilz die Videokamera und Wertsachen nicht erwähnt, Öllinger aber beides sehr wohl, wäre spitzfindig.

Es ist auch so etwas merkwürdig: Pilz scheint in seiner Reaktion gar nicht er selbst zu sein, ist doch Understatement ansonsten nie seine Sache. Schon gar nicht, wenn er sich irgendwie wegen seiner mutigen Aufdeckerrolle angegriffen fühlen kann. Erinnern wir uns doch z.B. an das Skandalisieren der sog. "Spitzelaffäre" (an Zunds über wirkliche Spitzel hatte damals auch der eben verstorbene Alfred Worm kein Interesse) und auch an Pilz' Performance in Sachen Eurofighter.

Wirft man ihm normalerweise (manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht) Aufbauschen vor, so ist sein Tagebucheintrag simples Herunterspielen. Dank Internet wird in Foren, etwa beim Standard, auch eifrig spekuliert, inwie weit die Sache wirklich mit den Eurofightern zu tun haben könnte. Manche sehen hier gar Geheimdienste am Werk, als ob diese (es sei denn, sie wollen plump agieren) so auffällig einbrechen würden. Wenn derlei Institutionen an Informationen kommen wollen, die in schriftlicher oder digitaler Form vorhanden ist und die sie noch nicht haben, so können sie dies arrangieren, ohne dass jemand etwas merkt.

Findigeren Köpfen wird nur was komisch vorkommen (etwas ist anders angeordnet im Büro, oder etwas fehlt aus einem Ordner oder war doch irgendwo anders einsortiert oder es surft sich anders im Web), doch ein offensichtlicher Kausalzusammenhang ist nicht herstellbar. Hier haben wir es ja ganz offensichtlich: Laptop etc. an einem bestimmten Abend noch da - Laptop am nächsten Morgen weg, plus Einbruchsspuren = Daten und Gerät entwendet. Wenn "Profis" so agieren, dann weil sie wollen, dass man etwas merkt (oder weil sie annehmen, dass das Ablenkungsmanöver Einbruch plausibel ist).

Nun ist bekannt, dass es in Wiener Büros Auftragsdiebstähle gibt, bei denen bevorzugt Laptops geklaut werden. Schwere Computer, die man nicht einfach abtransportieren kann, bleiben da (und durchaus auch mal eine Kamera, wenn sie nicht auf den ersten Blick sichtbar herumsteht). Allerdings sind diverse Niederlassungen meist eher bekannt als die zahlreichen Dependancen parlamentarischer Klubs. Neben FahrradbotInnen, Lieferanten und JournalistInnen wird wohl kaum jemand so ohne weiteres wissen, dass die Grünen Arbeitsräume auch in der Löwelstraße haben. Die Einbrecher offenbar schon, schlichen sie sich doch eine Nebenstiege hinauf, öffneten das Gangfenster und balancierten im 2. Stock auf dem Sims zum Fenster, das sie dann noch einschlagen mußten.

So jedenfalls die Darstellung, was auch durch Fernsehbilder untermauert wurde, die dann auch die Spurensicherung bei der Arbeit zeigten. Kritik wurde geäußert, dass die Grünen sofort die Medien riefen und daher den Ermittlern die Arbeit nicht gerade leichter machten. Seitens der Grünen ist es ein klarer Fall, der Zusammenhang zu den Eurofightern besteht. Andererseits können sie nicht sagen, ob entsprechende Unterlagen gestohlen wurden oder nicht. Wozu aber dann der akrobatische Aufwand - wir wissen ja, es kann laut Öllinger und Co. kein gewöhnlicher Einbruch gewesen sein. Im Web vergleichen es manche mit Watergate (im Sinne von: hätte Pilz gerne), aber nehmen wir diesen Hinweis mal unter die Lupe:

Watergate war nicht die ungeplante Enthüllung eines gewissen Bob Woodward über einen Einbruch im Auftrag von Präsident Nixon bei den gegnerischen Demokraten, über die Nixon dann stolperte (Näheres siehe weiterer Blogeintrag zum Eurofighter-Einbruch) Ebenso hat Uwe Barschel seinen Rivalen Björn Engholm nicht bespitzeln lassen, sondern sollte über eine inszenierte Affäre stolpern, weil er von einem über Schleswig-Holstein laufenden geheimen Waffendeal Israels mit dem kriegführenden Iran erfahren hatte und diesen stoppen wollte. Barschel ließ nicht locker, egal was gegen ihn unternommen wurde - das Resultat ist bekannt, er wurde in Genf ermordet.

Wenn man Watergate erwähnt, sollte man also dazu sagen, ob man "Watergate" (die offizielle Version) oder Watergate meint. Wird es hier von anderen ins Spiel gebracht, dann denken sie wahrscheinlich an die Mainstream-Story und schieben unterschwellig einer anderen Partei (oder auch EADS) den schwarzen Peter zu. Die Grünen scheinen in Sachen Eurofighter ein bißchen auf der Stelle zu rudern, jedenfalls bis gerade eben noch. Da wird beispielsweise einer Sachverhaltsdarstellung von Pilz an die Staatsanwaltschaft wenig Chance gegeben, da Geheimhaltungsklauseln bei derartigen Verträgen üblich und keine Nötigung sind.

An den Fernsehbildern vom Gangfenster im zweiten Stock und dem zerschlagenen Fenster im Bereich des Büros erschien mir irgendwas merkwürdig, ohne dass ich sofort dahinterkam. Dann überlegte ich: wer außer vielleicht Freeclimbern balanciert in der Höhe des zweiten Stockwerks (hat das Haus eventuell auch noch einen Mezzanin vor dem ersten Stock, sodass es praktisch im dritten Stock ist?) auf einem schmalen Sims entlang? Wie schmal, läßt sich an an einem Bild des Hauses im Internet nachvollziehen. Die Löwelstraße 12 ist nämlich eine exklusive Adresse, die eine eigene Webseite hat, da es neben Büros auch teure Wohnungen zu mieten gibt. Nicht anzunehmen, dass die Simse im Inneren des Hauses breiter sind als außen.

Aber der/die Einbrecher mußte/n nicht nur in für Normalverbraucher schwindelerregender Höhe balancieren, sondern auch noch eine (Doppel?) Scheibe so einschlagen, dass er/sie unverletzt einsteigen können. Wie machten sie das? Es erscheint schlicht UNMÖGLICH (man kann es ja nachstellen, so wie in modernen Krimis mehrere Varianten gezeigt werden, die im Laufe der Ermittlungen plausibel wirken). Gut, wir haben also Leute, denen die Höhe und der schmale Halt nichts ausmachen, die mit einer freien Hand zuschlagen können (wenn sie sich nicht beim Reinklettern verletzen, dann vielleicht durch die dabei entstehenden Splitter?).

Egal wie, das Ganze wirkt unwahrscheinlich, sodaß absurd erscheint, dass die Polizei davon spricht und auch die Grünen aus dem zweifelsohne kaputten Fenster innen auf eine Kletterpartie schließen. Somit hat der/die Täter schlicht die (wohl vorhandene?) Alarmanlage ausgetrickst und die Tür benutzt, um dann zum Abschied noch ein wenig abzulenken. Wenn aber selbst beim kleinen Detail der Art und Weise des Einbruchs Unwahrscheinliches propagiert wird - wie ernst wird dann wohl ermittelt werden?

PS: Der ORF zeigt in seinen Berichten immer wieder kurz den Gang, das Sims, das Fenster: das Sims ist im Innenhof noch schmäler als auf dem verlinkten Außenbild des Hauses. Beim Fenster ist nur bei einem Flügel die Scheibe (eher in der Mitte) eingeschlagen, sodaß folgendes Szenario nach Ansicht von Polizei und Grünen realistisch sein soll: Täter klettern in einigen Metern Höhe auf ein winziges Sims (wo halten sie sich fest?), vermutlich wenn's mehrere sind, nicht alle auf einmal. Der Erste (oder Einzige?) schlägt ein Loch in die Scheibe (wo hält er sich fest?), federt hoch und macht eine Rolle vorwärts durch das Loch in der Scheibe, landet sicher drinnen, ohne sich zu verletzen. Die anderen, wenn er nicht allein unterwegs war, machen es ihm nach.

Zurück rollen sie sich wieder durchs Fenster, einer hat einen Laptop in der Hand, der andere eine Videokamera, noch einer ein paar Wertsachen und ein paar Akten (vielleicht in einer großen Tragtasche?). Nein, jetzt wirds aber wirklich zu blöd, sie gehen durch die Tür. Keine Ahnung, wie Alarmanlagen funktionieren (sofern vorhanden), aber die einfacheren schaltest du einfach ein, wenn du gehst. Was aber, wenn du gehst und sie ist eigentlich an? Egal: realistisch ist wohl, dass wie bei anderen Büroeinbrüchen eventuelle Alarmanlage und Schloß überwunden wurden, möglichst ohne Spuren zu hinterlassen. Warum aber kann man das nicht so sagen?

Soll nun eine Fahndung nach Freeclimbern, Zirkusakrobaten, ehemaligen Mitgliedern von Spezialeinheiten, Spiderman und Superman eingeleitet werden? Dies alles, weil "durch die Tür" natürlich auch Wasser auf den Mühlen jener ist, die böse von grüner Inszenierung sprechen? Aber: entkräftet man dies besser mit abstrusen oder mit halbwegs realistischen Rekonstruktionen? Übrigens: der Gang soll kaum bekannt gewesen sein, dh viele, die im Haus arbeiten, benutzen ihn nie - somit wissen wohl auch Leute nicht davon, die gelegentlich mit Büros im Haus zu tun haben...

Mittlerweile ist auf der Webseite der Grünen als Bildunterschrift zu lesen, dass heikle Eurofighter-Akten anderswo sicher verwahrt seien. Anfangs wußte man ja nicht so recht, ob was Wichtiges fehlt oder nicht (ich nehme aber mal an, wenn man Dokumente anderswo aufhebt, hat man parat, dass es 1) so ist und 2) was anderswo lagert).

PS vom 8.2. 2007: Unterschiedliche Angaben von EF-Ausschußmitglied Werner Kogler - laut Mittagsjournal des ORF ist nichts verschwunden, was in Sachen EF von Belang ist. Kogler selbst vermißt nur eine Mappe, mit der er sich auf eine Fernsehdiskussion vorbereitete ("Offen gesagt", das schon gesendet wurde?). In einer Meldung des ORF Steiermark klingt es etwas anders: Es gibt keinen Hinweis darauf, dass besonders vertrauliche Akten verschwunden sind. Die sind gar nicht geknackt worden, die haben wir gut versteckt. Es gibt allerdings Hinweise drauf, dass Ordnungsmappen doch gekapert worden sein könnten, wo die eine oder andere Unterlage sich drinnen befindet. Faktum ist, dass das dann eine Eurofighter-Unterlage war, aber kein geheimer Akt"

In dieser Meldung (und auch im Mittagsjournal) ist davon die Rede, dass "nichts" aus dem Büro von Peter Pilz verschwunden sei. Sonderlich aufregend ist das ganze für Pilz nach wie vor nicht - wir lesen am 8.2. noch immer nichts als seinen mageren Tagebucheintrag vom 7.2. zum Thema. Koglers Worten zufolge ging es ja doch um den EF-Ausschuß - das sollte Pilz ja nicht kalt lassen, erinnern wir uns doch an seine tagelange Empörung über angebliche Zeugenabsprache im Finanzministerium, seine Behauptung, Beamte seien unter Druck gesetzt worden. Und nun, wo SOWAS passiert? Man/frau vergleiche auch diesen letzten oberflächlichen, unpräzisen Pilz-Eintrag (auf den übrigens viele mit Postings reagierten, mehrheitlich ungläubig) mit den detaillierten Ausführungen betreffs EF-Ausschuß (und wie Pilz und Kogler jetzt anderen einheizen werden).

Weiterer Blogeintrag zum Eurofighter-Einbruch

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

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