Posts mit dem Label ORF werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label ORF werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

09.12.07

Klimawandel und Konsumrausch

Medial gepusht wurde in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestern abend für fünf Minuten das Licht ausgeschaltet - angeblich für das Klima. Allerdings war es eine eher kontraproduktive Aktion, da es einen plötzlichen Lastabfall und anschliessendes Wiedereinschalten gibt, was sogar zu Netzabschaltungen führen kann. Sinnvoll ist hingegen der ökologische Fußabdruckrechner, den ich der Licht aus - Aktion gegenübergestellt habe.

Hier erfährt man, welchen Ressourcenverbrauch der eigene Lebensstil bedingt und auch, wie man sich "ökologischer" verhalten kann. Freilich kommt so eine Initiative, selbst wenn sie durchaus beworben wird, auf leisen Sohlen daher und eignet sich nicht zur bequemen Gewissensberuhigung. Sie verlangt uns mehr ab als uns an Promis und PolitikerInnen zu orientieren, die in Medien bekennen, das Licht für fünf Minuten abzuschalten. Wobei auch diese Menschen sicher genau wissen, dass weit mehr erforderlich ist, aber eben den Gesetzen einer Medienwelt folgen.

Der gestrige Tag war auch ein Einkaufssamstag und "eigentlicher" Feiertag, mit dem der Supermarkt Billa werbetechnisch punktete. Die Angestellten hatten am Samstag frei, mussten aber am Tag davor einen Massenansturm bewältigen, da alles um 15% billiger war als sonst. Ich betrat abends einen Billa, weil er am Heimweg lag, kehrte jedoch gleich wieder um anegsichts der langen Schlangen.

Meine Mutter erzählte mir dann, dass sie am Vormittag in der Nähe von Graz bei Billa einkaufte und die anderen in der Schlange begeistert waren. Sie hat die MitarbeiterInnen gefragt, was es für sie bedeutet: ab 5 Uhr in der Früh mussten sie sich auf den Ansturm vorbereiten und hatten durch das dauernde Nachschlichten von Waren und die Massen an KundInnen einen sehr anstrengenden 7. Dezember. Übrigens kaufte ich dann in einem fast leeren Supermarkt ein...

Am Samstag war die Wiener Innenstadt so voll wie ich das selten oder überhaupt nie erlebt habe. Es war fast unmöglich, das Rad durch die Fußgängerzonen zu schieben, immer wieder mußte ich stehenbleiben und warten. Irgendwie wirkt dies auch wie eine unbeirrbare Antwort auf den Klimawandel, denn sicher werden nur wenige der Einkaufenden realisiert habe, dass jeder Konsum auch mit Ressourcenverbrauch und Transportwegen verbunden ist (und vieles unter ausbeuterischen Bedingungen in anderen Ländern produziert wird).

Eigentlich sollte diese Zeit doch ein wenig an Besinnlichkeit und Rückzug beinhalten - keineswegs nur für jene, die sich an christlichen Traditionen orientieren, sondern auch für andere. Dies durchaus in Fortsetzung von Gewohnheiten, die Menschen in Gegenden mit kalten Wintern bereits vor dem Christentum angenommen hatten. Es war die einzige Zeit im Jahr, in der zwangsläufig wenig an äußerer Aktivität entfaltet wurde und so überhaupt mehr Raum für Nachdenken und Innehalten bestand.

Wer dies unter welchem Label auch immer tut (man/frau kann sich auch pantheistisch verstehen, also an die in allem offenbarte Göttlichkeit glauben, die Tradition der Verehrung der Großen Göttin fortsetzen oder sich ganz einfach spirituell nennen) wird erkennen, dass es eigentlich nur auf Werte ankommt. Sie machen einen Unterschied und helfen uns dabei, unserem Leben einen Sinn zu geben, vielleicht sogar einem "höheren Plan" zu folgen, wenn man es so sehen will. Werte liegen immer in unserer Freiheit, egal in welcher äußeren Situation wir sind. Wir können stets entscheiden, was unsere Handlungen und Haltungen leitet.

Mir ist bewußt, dass gestern im Vorweihnachtsrummel auch viele Menschen unterwegs waren, denen nur das Betrachten von Auslagen und Regalen bleibt, weil sie sich gerade eben das Allernötigste leisten können. Unbemerkt von all den anderen, die ohne weiteres die Kreditkarte zücken litten die Ärmeren darunter, dass für sie so vieles unerreichbar ist und sie sich auch generell oft unverstanden fühlen. Manchmal erscheint ja jedwede öffentliche Debatte so, als kämen sie nur als Statistik und gelegentlich auch persönlich als "plakatives Fallbeispiel" vor, in die Diskussion geworfen von AkteurInnen, die ökonomisch weit besser gestellt sind.

Ich habe da auch keinen Rat und will mir auch nichts anmaßen, war aber selbst einmal arbeitslos und erinnere mich daran, wie es war, doch sehr aufs Geld schauen zu müssen. Für mich war aber das größere Problem, keinen Bezugsrahmen zu haben, in den ich mit meinen Fähigkeiten eingebunden war, sondern mich einfach mit Recherchen auf eigene Faust zu Themen zu beschäftigen, die mich zu interessieren begannen. Freilich ist so etwas nicht so zielgerichtet und findet auch keine Anerkennung, wenn es außerhalb eines Arbeitsrahmens oder Auftrags geschieht.

Entsetzt war ich damals über jene Arbeitslosen, die so lethargisch wurden, dass sie mehrmals am Tag duschten, nur damit die Zeit vergeht. Sie konnten keine Perspektiven entwickeln, die sie aus ihrer Situation führten, da ihnen ja Unrecht geschehen war, sie eigentlich dort weitermachen sollten, wo sie aufgehört hatten. Das dürfte eines der Hauptprobleme bei einer Umorientierung sein, die natürlich auch ein Sprung ins kalte Wasser ist und umso leichter gelingt, je klarer man Vorstellungen konkretisieren kann. Meine eigene Umorientierung war erstens Internet und zweitens ein back to the roots, da mich der Journalismus noch vor der Politik sehr interessierte und außerdem beide Bereiche Gemeinsamkeiten haben, man sich auch durch Berichterstattung täglich mit Politik befasst.

Empfehlen könnte ich anderen, zu sich zu stehen, also auch zu ihrer persönlichen Situation, die vielleicht in den Augen der Gesellschaft geringeren "Wert" hat als die einer Person, die nicht nur einen Job hat, sondern gar Karriere macht. Es macht wenig Sinn, die eigene Lage zu verschweigen oder nicht zu thematisieren, da Arbeitslose eben nicht in der Situation einer Person in Beschäftigung sind. Hier zu zaudern bedeutet, sich auch noch selbst abzuwerten. Auf Mailinglisten, wo auch Arbeitslose diskutieren, geht die Verzweiflung aber oft bis zu blindem Hass auf alle, die als Eliten gesehen werden. Diesen Menschen wird Allmacht zugeschrieben und Blindheit gegenüber den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, auch der Situation von Erwerbslosen.

Besonders gerne werden Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, Sozialminister Erwin Buchinger und natürlich das AMS attackiert. Unter welchen Rahmenbedingungen agieren Regierungsmitglieder nach Ansicht dieser (meist männlichen) Arbeitslosen? Glauben sie auch wirklich, dass Gusenbauer seine Herkunft aus "einfachen Verhältnissen", wie dies genannt wird, für immer vergessen hat und nicht gewisse Prägungen stets in sich tragen wird? Meinen sie etwa, das jemand, der aus bürgerlichen, gutverdienenden Kreisen stammt, mehr Verständnis entwickeln könnte oder in keiner Weise von seinen frühen Erfahrungen beeinflusst ist?

Jeder Mensch weiss doch selbst, wie Herkunft und Erfahrungen sich auf den eigenen Zugang auswirken. Meiner ist beispielsweise sicher immer etwas anders als der in Menschen, deren Verwandtschaft bereits im eigenen beruflichen Umfeld tätig war und daher auch Stütze und Lobby bedeutet. Dazu kommt, dass ich lange Zeit parteipolitisch aktiv war abseits der etablierten Parteien, sodass dadurch nicht der Vorteil des Eingebundenseins in gewachsene Strukturen bestand, sondern eher der Nachteil, dass das Engagement mancherorts sogar als gewisser Makel betrachtet wurde. Es kommt immer darauf an, was man selbst aus den Umständen und den eigenen Vorbedingungen macht. Die wütenden (männlichen) Arbeitslosen kämpfen oft um längst vergangene Chancen und möchten vielleicht auch gar keinen Neuanfang, da ihnen ja was anderes zusteht.

Jedweder Vorschlag, doch kreativ und selbstbejahend mit der eigenen Lage umzugehen, wird in Bausch und Bogen verdammt. Ich meinte zu diesen Typen einmal, sie sollten doch Medienleute zu einer samstäglichen Flohmarkttour einladen, da es ja sicher "Betroffene" gibt, die nicht nur deswegen Flohmärkte besuchen, weil man dort Originelles erwerben kann. Es könnte zeigen, wie man mit wenig Geld versucht, Bedürfnisse zu decken, und wäre anschaulicher als das Vorzeigen von Arbeitslosenbescheiden. Vorzuschlagen, dass "Betroffene" doch mit ihrer vergleichsweise gut verfügbaren Zeit gesellschaftlich Notwendiges bewusst als Erwerbslose tun, um im Gespräch darüber Zugang zum verdeckten Arbeitsmarkt zu erhalten wagte ich dann schon nicht mehr.

Heute ist Sonntag, also gab es eine "Pressestunde", in der Gerald Groß (ORF) und Martina Salomon (Die Presse) Alexander van der Bellen von den Grünen befragten. Keinerlei Hoffnungen mehr in eine Veränderungen dieser Partei zum Besseren und Authentischen zu setzen erwies sich einmal mehr als richtig. Als Salomon von einer "genialen Inszenierung" Van der Bellens als "Nichtpolitiker" sprach, wollte er "genial" partout als Kompliment verstanden wissen. Salomon musste sich darum bemühen zu erklären, wie es gemeint war. Tatsächlich ist ja auch der Umstand gewöhnungsbedürftig, dass die als Partei relativ jungen Grünen den ältesten Parteichef haben, der dies auch weitere zehn Jahre bleiben will.

Auf einem lauen Bundeskongress fand kürzlich eine maue Diskussion über Unbehagen in den eigenen Reihen statt, das, wenn ich Van der Bellen richtig verstanden habe, nun an "Organisationsentwicklung" delegiert wird, um ein paar "Junge" einzubeziehen. Umso mehr werden natürlich andere kritisiert, etwa die SPÖ, die in der Regierung die Rolle des BZÖ übernommen habe. Also jener Partei, die gerade mit "Graz säubern" einen Gemeinderatswahlkampf führt. Seltsamerweise beobachten nicht nur Meinungsforscher eine Reideologisierung der Politik gerade auch im Verhalten der Koalitionsparteien, was die Innenpolitik insgesamt spannender macht. Van der Bellen ist dies anscheinend entgangen, oder wird er wieder einmal dem Ruf als "Schlaftablette" gerecht.

Bei der Einordnung der Grünen sieht er Linksliberales ebenso wie "konservativ Bewahrendes", wobei er betont, an keine Schöpfung zu glauben, weil er den Glauben im religiösen Sinne verloren hat. So gesehen ist natürlich der technokratische Zugang auch zu ökologischen Fragen erklärbar, da Van der Bellen nicht so wirkt, als täte ihm das drohende Schicksal der Eisbären oder die dramtischen Veränderungen im Leben indigener Menschen am Polarkreis in der Seele weh oder als würde ihm das Herz aufgehen bei herbstlichem Farbenrausch in der Natur.

Van der Bellen wird befragt, kommuniziert aber nicht, lächelt nur über seine eigenen Formulierungen, die ungeheuer geistreich sein müssen. Ich komme nicht ganz dahinter, was an ihnen so besonders sein soll, da er schlicht versucht, Positionen zu erläutern, die ja meist durchaus etwas für sich haben, wären sie denn mit Engagement und Leben erfüllt. Vor allem scheinen sie aber dazu da zu sein, sie den anderen Parteien in moralischer Erhöhung der Grünen um die Ohren zu hauen. Das mag in der Politik ein meist üblicher Stil sein, ist aber meilenweit entfernt von den Visionen Grüner lange bevor Van der Bellen auftauchte.

Einst ging es nämlich auch darum, nicht nur vielfach andere Forderungen aufzustellen und Visionen zu haben, sondern mit politischen Kontrahenten anders umzugehen. Vielfach wirkt Van der Bellen in sich selbst versunken, als ob er dort erst Begründungen für diese oder jene Haltung finden müsste, was sicher nicht immer leicht ist, wenn InterviewerInnen ihm eigentliche Positionen und Überzeugungen seiner Partei entgegenhalten. Bereitschaft, auf sicherlich kritisierbare, aber vorhandene Stimmungen in der Bevölkerung so einzugehen, dass versucht wird, für eine "bessere" Haltung zu werben, ist zumindest in der Integrationsfrage nicht zu bemerken.

Kann es nicht sein, dass ein Teil der Probleme (seitens der "Mehrheitskultur") darin besteht, dass hierzulande das Christentum dominiert und viele ZuwanderInnen sich zum Islam bekennen, fragt Martina Salomon. Van der Bellen will hier niemanden dort abholen, wo er steht und verweist auf den "Integrationshintergrund" der Namen führender roter und schwarzer Politiker und auch darauf, dass er selbst eigentlich einer zweiten Generation angehört, da seine Eltern aus Russland "zugewandert" sind. So wird dann wohl auch das Hick-Hack insbesondere zwischen ÖVP und Grünen rund um die niederösterreichischen Landtagswahlen im März weitergeführt, das aus regelmäßigen gegenseitigen Vorwürfen meist um Asylpolitik besteht.

Übrigens wirkt es manchmal so, als ob die Reaktionen der anderen Parteien auf eine "Pressestunde" oder einen anderen längeren Medienauftritt bereits verfasst würden, ehe das Ganze vorbei ist. Tatsächlich erfordert ist für geübte Personen aber nur wenige Minuten, etwas in Sätze zu fassen, das ohnehin bereits in Stichworten notiert worden ist. Aus diesem Grund können viele Presseaussendungen auch Aktivität vortäuschen, was Oppositionsparteien gerne vorgeworfen wird. Dabei kommt es aber auf die Substanz an, da einer gut und klar formulierten Meldung durchaus Bedeutung zukommen kann.

Als Reaktionen auf Van der Bellen finden wir in der APA:

Josef Cap (Klubobmann der SPÖ)
Herbert Kickl (Generalsekretär der FPÖ)
Gerald Grosz (Generalsekretär des BZÖ)
Hannes Missethon (Generalsekretär der ÖVP)
Andreas Schieder (Außenpolitischer Sprecher der SPÖ)

Die Reihenfolge ist hier übrigens umgekehrt, beginnend mit der letzten Aussendung - als erstes meldete sich Schieder um 12:31, also 31 Minuten nach Ende der Pressestunde :-)

01.09.07

Gusenbauer ganz staatstragend

Bezeichnend war vor allem, was beim Sommergespräch am 31.8.2007 im ORF kein Thema war: das Eintreten von Bundeskanzler Gusenbauer, Minister Darabos und der Bundesregierung für ein souveränes und neutrales Österreich. Souveränität muss auch bei nicht neutralen Staaten gegeben sein, doch bietet gerade die Neutralität ein zusätzliches starkes Argument. Es scheint jedoch, nach einem bewährten Muster, mediale Sprachregelung zu sein, dass niemandem Gelegenheit gegeben werden darf, sich positiv zur Neutralität und zur Souveränität österreichischer Politik gegenüber jedem anderen Staat zu äußern (siehe die Darabos-Fertigmach-Zeit im Bild 2 mit Armin Wolf am 29.8.2007, kommentiert im Blog in "Darabos, Neutralität und die Auftragskritiker").

Sieht man sich an, wie das Verhältnis bei Medienkommentaren ist, muss man sich fragen., woher die VerfasserInnen eingeflogen wurden, spiegeln sie doch keine österreichischen Standpunkte wieder:

Pro Neutralität (= Bundesverfassung des souveränen Österreich) 0%
Pro souveränes, dem Amtseid gemäßes Verhalten der Regierung in Sachen Bewertung des sicherheitspolitischen Umfeldes ("US-Raketenschild"-Pläne) 0%

Contra Neutralität/Souveränität: 100%
Contra Souveränität: 100%

Vermutlich kann man auch einen Gutteil des "Wie privat darf das Privatleben einer Ministerin sein"-Medienhypes unter "contra Souveränität subsumieren, da das Theater den Regierungszusammenhalt und den Koalitionspartner ÖVP schwächt und auch prima von wesentlichen Fragen ablenkt, für die dann weniger oder gar kein Platz vorhanden ist. Im Übrigen gilt auch hier die Bundesverfassung, Art 8 Menschenrechtskonvention, die das Privatleben schützt (auch jenes von Ministerin Kdolsky, die gegenüber anderen Menschen nicht ungleich behandelt werden darf).

Aber nun zu Gusenbauer: Gesamteindruck ist souveränes Agieren, als ob irgendein "staatstragend"-Duft in der Luft im Bundeskanzleramt liegt, die auf alle abfärbt, die sich Kanzler nennen können. Seine Rhetorik erinnerte aber doch vielfach an den Wahlkampf, vor allem, wenn er das "Wort "Fairness" strapazierte. Das Thema Beschäftigung, zu dem er am selben Tag vor dem Interview mit Elmar Oberhauser (ORF) und Christoph Kotanko (Kurier) referierte, schien als erster Teil des Gesprächs wie ein aufgelegter Ball.

Er konnte in der kurzen Zeit durchaus ein wenig in die Tiefe gehen und bot seinen Befragern auch keinerlei Blößen, die ja wohl sicher etwas recherchiert hatten, um kritische Einwürfen anbringen zu können. Vollbeschäftigung ist für ihn ein erreichbares Ziel, wobei man aber wissen muss, dass eine solche vom verwendeten Begriff her durchaus mit einer geringen Arbeitslosenrate vereinbar ist. Qualifikation ist sein Zauberwort, das jedoch vor allem den nachkommenden Generationen von vornherein Verbesserungen bietet.

Atypisch Beschäftigte, vor allem Frauen, und die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern sind für ihn kein Thema. Sympathisch ist die Vision, dass auch jeder Lehrling die Matura machen soll - Bildung ist zentral, was "Bürgerliche" bespötteln mögen, für die der Zugang selbstverständlich ist. Gusenbauer lobt, dass jeder 4. neue Job an ehemals Arbeitslose vergeben wird, will diesen Anteil aber natürlich steigern und kündigt auch längere AMS-Weiterbildungskrise an, da die kürzeren vielfach als "sinnlos" empfunden werden.

In der Hochkonjunktur sollten Pensionisten mehr erhalten; er meint sogar, Mindestpensionen über der Armutsgrenze seien "soziale Fairness" (man kann Begriffe auch überstrapazieren). Gusenbauer möchte, dass ältere ArbeitnehmerInnen mehr Chancen haben, was sie freuen wird, wenn es umsetzbar ist, denn viele leiden unter Absagen am laufenden Band trotz Qualifikation. Einer von Vizekanzler Molterer geforderten Mitarbeiterbeteiligung als Lohnerhöhung kann er wenig abgewinnen, da dies 88% der Menschen nicht erreiche. Lohnverhandlungen sind immer noch die beste Möglichkeit, weil alle etwas davon haben, meint er.

Die Art, wie er in den Medien dargestellt wird, perlt mittlerweile an ihm ab, denn darauf angesprochen, sagt er trocken, er sei in den letzten sieben Jahren schon alles mögliche genannt worden. Natürlich hat sein Image unter den schwierigen Kompromissen bei den Regierungsverhandlungen gelitten. Er sei jedoch nicht als Selbstzweck Kanzler, sondern weil er etwas für ein "leistungsorientieres, faires Österreich" bewegen will. "Abgeräumt wie ein Christbaum", nennt Oberhauser die SPÖ nach den Regierungsverhandlungen "salopp". Gusenbauer weist dies zurück, gesteht aber später ein, dass er sich die Abschaffung der Studiengebühren gewünscht hätte.

Von Strache fordert er eine Distanzierung von seinen "Jugendtorheiten" und eine Aufarbeitung der Vergangenheit, ein reifes Verhältnis zur Zeitgeschichte, wie man es von einem Demokraten erwarten muss. Manche wollten dieses Statement als Entschuldigung für Strache werten, aber die Vorstellung von einem geschichtsbewusst agierenden Strache erscheint ja in Wahrheit als Ding der Unmöglichkeit, und so gesehen verlangt Gusenbauer viel von ihm. Zu Molterer hat er ein "gutes Verhältnis", und er möchte sich zu anderen Parteien und deren Kritik nicht äußern, da es nicht sein Stil sei, sich besser und die anderen schlechter zu machen, während andere auf diese Art Kritik üben.

Die SPÖ hätte nie so einen Eurofighter-Vertrag gemacht, da sie auch andere Prioritäten hat, denn die EF sind Kampfjets und keine Abfangjäger. Gusenbauer ist stolz auf Verteidigungsminister Norbert Darabos, der gestützt durch die Arbeit des U-Ausschusses, der Republik 400 Millionen Euro ersparen konnte. Interessanterweise war seitens der Interviewer die Kür von Andreas Wabl zum Klimabeauftragten kein Thema, obwohl man da doch so nett (und absurd) über "Rot-Grün" spekulieren könnte. Umwelt wurde aber gestreift, sodass Gusenbauer für mehr "Versorgungssicherheit" eintrat und damit den Bau von Wasserkraftwerken unter Einbeziehung von Kritik aus der Bevölkerung meinte.

Der "Standard" bringt einen weiteren Antineutralitäts-Kommentar (Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmidt), lässt Ex-Vizekanzler Erhard Busek behaupten, die Neutralität sei längst abgeschafft (dann hat er das Volk bewusst belogen vorm EU-Beitritt und seinen Amtseid verletzt?!), bringt die "aufmüpfigen" Neutralitätsgegner und NATO-Fans in der ÖVP und einen auch als "Kopf des Tages". Also ist Schlimmes zu befürchten, wenn Föderl-Schmidt live das Sommergespräch kommentiert:

"Warum sich der Bundeskanzler diese alpine Idylle als Setting ausgesucht hat, ist mir schleierhaft. Für das Forum Alpbach und Tirol ist es auf jeden Fall eine gute Werbung."

Vielleicht, weil er kurz davor beim Forum Alpbach referiert hat?

bzw. ein Userposting: "Eigentlich schlichtweg wurscht, die Location. Aber das es mit Anpatzereien von Seiten der neuen Chefredaktion losgehen wird, war vorher klar...."

Föderl-Schmidt: "Gusenbauer hat schon bei der Diskussion beim Forum Alpbach konkrete Vorschläge missen lassen, wie er das postulierte Ziel, Vollbeschäftigung zu erreichen, schaffen will. Er bleibt bei Schlagworten."

Offenbar weiss sie doch, warum er in Alpbach interviewt wurde - oder doch nicht? Dann hat sie auch keine Ahnung, was er beim Forum sagte...

Föderl-Schmidt: "Berufsmatura - Bisher machen erst 5 Prozent der Lehrlinge davon Gebrauch. Wie die Steigerung auf hundert Prozent erreicht werden kann, ist offen - und schlicht unrealistisch."

User: "ich finde die ankündigung, die lehre in zukunft mit einer matura zu verbinden, eigentlich sehr konkret..."

"Kleidungsfrage: Kurz vor der Aufzeichnung hatte er einen Anzug an."

User: "Mantel, Sakko - Probleme haben manchen Leute. Von mir aus kann er auch im T-shirt dasitzen. Viel wichtiger ist es doch, dass da ein Politiker sitzt, der auf konkrete Fragen konkrete Antworten geben kann. Das Phrasendreschen von Molterer letztes Mal war ja unerträglich."

Föderl-Schmidt: "Budgetdefizit: gusenbauer hört sich hier schon fast wie KHG an, fehlt nur noch das Wort "Nulldefizit" "

"Guten Tag" hört sich auch so ähnlich an wie "Gute Nacht" - Gusenbauer sprach vom Budgetdefizit (= weitere Schulden zur Gesamtstaatsschuld=), Grasser verkaufte ein Defizit als Nulldefizit (= keine weitere Schulden zur Gesamtstaatschuld).

User: "Ich bin gespannt ob Frau Föderl-Schmid sich im Laufe der Sendung wenigstens einmal zu einer positiven Äußerung über Gusenbauer hinreißen lassen wird."

"Bundeskanzler als Selbstzweck"schrieb Föderl-Schmidt zuerst um 21.45, daraus wurde dann: "Bundeskanzler zum Selbstzweck will er nicht sein. Wäre auch eine interessante Eigenbeschreibung gewesen."

Ich postete nach der Sendung: "kann das wahr sein? er sagte GENAU DAS GEGENTEIL! "ich bin nicht kanzler als selbstzweck" "

User (nach Föderl-Schmidts Korrektur) am 1.9. morgens: "lesen bildet ...."Bundeskanzler zum Selbstzweck Will er nicht sein. Wäre auch eine interessante Eigenbeschreibung gewesen." War aber auch schierig, da der Satz so kompliziert formuliert war."

Was meint er? Dass Föderl Schmidt Gusenbauer nicht verstanden hat, als sei Frau Chefredakteurin Redaktionsvolontärin bei ihrem ersten Einsatz und weiss nicht, dass sich niemand als Selbstzweckpolitiker beschreiben würde (auch jene tun's nicht, denen man das vorwerfen kann) oder dass ich Föderl-Schmidt nicht verstanden habe?

Userin: "Das war offenbar ein Hörfehler! Gesagt hat er nämlich gerade das Gegenteil - er sieht das Amt des Bundeskanzlers NICHT als Selbstzweck!!! Bitte wenigstens richtig zitieren!"

Föderl-Schmidt, unverdrossen: "Herr Dr. Gusenbauer........diese Titelsucht ist typisch österreichisch"

Hat er die Interviewer mit vorgehaltener Pistole dazu gezwungen, ihn so zu nennen?

Userin: "wird jetzt der angesprochene dafür kritisiert, dass ihn jemand mit seinem korrekten titel anspricht? find titel auch nicht übermäßig wichtig, aber gusi einen strick draus zu drehen, dass er promoviert hat, ist schon eigenartig."

Offenbar war Gusenbauer besser, als es manchen lieb war (egal wie ich selber seinen Auftritt bewerte, bei den mir manche Themen fehlten....)

@ Grüne: Beim zivilgesellschaftlichen Magazin Glocalist findet eine Debatte zur Krise der Grünen statt, bei der laufend neue Beiträge publiziert werden, Auch von mir ist einer dabei, den ich bei den Ceiberweibern spiegle und mit einem kurzen Überblick über die anderen Beiträge versehe.

30.08.07

Darabos, Neutralität und die Auftragskritiker

Am 29.8. konnten die ZuseherInnen einer Propagandasendung des amerikanischen Rundfunks (ORF) beiwohnen, dessen Boss Alexander Wrabetz jetzt zusammen mit seinem Königsmacher Pius Strobl bei einer Sommerakademie der Grünen weilt. In einem Beitrag wurde Minister Norbert Darabos, seit sieben Monaten im Amt, für alles verantwortlich gemacht, was sich in den letzen Jahrzehnten im Heer entwickelte und was er nicht in einem Aufwaschen verändern konnte. Gerade im Heer gibt es starke Beharrungskräfte, die um ihre Gewohnheiten und Privilegien fürchten - und Menschen, die sich leidenschaftlich als Landesverteidiger eines neutralen Staates sehen.

Zu Wort kam Ex-General Schätz, einst Leiter des Heeresnachrichtenamtes, der in der Bundesheerreformkommission sitzt, und dessen Auftritt von der Beitrags-Moderation so abgeschlossen wurde: "Er ist für ein Ende - der Reform, nicht des Ministers". Wo sind wir denn? Achso, im ARF. Und da befragte dann Moderator Armin Wolf, dessen angeblich Zivilcourage bereits mit dem Hochner-Preis ausgezeichnet wurde, Darabos in abfälliger, respektloser Weise. Er wollte Darabos offenbar dazu bewegen, seine Aussagen über den US-"Raketenschild" zu widerrufen und meinte scheinheilig, als Darabos standhaft blieb und sich in dieser Frage als Vertreter österreichischer und europäischer Interessen sah, ob er denn der richtige Mann für den Posten des Verteidigungsministers sei. Zuvor wurde auch noch so getan, als habe die SPÖ gegenüber der "NATO-freundlicheren" ÖVP klein beigegeben.

Der amerikanische Rundfunk hat nun also auch zugeschlagen und dreht die Selbstbehauptung der SPÖ als Vertreter eines souveränen Österreich zu einem Nachgeben gegenüber dem Koalitionspartner um. Da ich annehme, das auch die ÖVP sich als Österreichpartei versteht, finde ich solche Begriffe absurd, doch wenn, dann änderte die ÖVP ihre Haltung, da sie ansonsten eher US-Nähe als Äquidistanz zwischen USA und Russland betont. Herr Schätz ist natürlich kein neutrales und unvoreingenommenes Geschütz gegen den Minister, gilt das HNA doch als sehr CIA-nahe. Der ARF hätte doch aufgreifen können, was Hans Wolker für sein Buch "Schatten über Österreich - das Bundesheer und seine geheimen Dienste" vergeblich versuchte: ihn zu einer Stellungnahme zu den kolportierten Verbindungen seiner Vorgänger zur Gladio zu bewegen, bei dessen organisatorischer Gründung des HNA, damals anders genannt dabei war (das ist nicht nur Neutralitätsverletzung, Gladio ist mit seinen Stay Behind-Organisationen auch für false flag-Terror in Europa verantwortlich).

Wir dürfen gespannt sein, was als Nächstes kommt: man wird Darabos wohl Unfähigkeit bei ganz anderen Anlässen unterstellen (es nur ja nicht so aussehen lassen, als hätte es etwas mit seiner aufrichtigen Haltung zu tun), man ihn mehr oder minder subtil mit Beiworten und Karikaturen als lächerlich darstellen und dann eine Intrige lancieren, über die er stolpert. Woher ich das weiss? weil ich jahrelange Erfahrung darin habe, wie man sowas abwehren kann, woran man erkennt, was in etwa geplant ist, wie man "sie" ein bremsen kann - denn ich versuchte dies jahrelang bei den Grünen, als kritische Menschen und besonders der Abgeordnete Voggenhuber "fällig" waren. Immerhin - wenn sogar ein Ex-HNA-Chef aufgeboten wird, haben Darabos und Gusenbauer schon viel bewirkt - venceremos!

Wolfgang Jung, FPÖ-Mandatar, vom HNA kommend, meint in einer Aussendung: "Mein Mitleid mit Darabos hält sich zwar in Grenzen, aber wenn jetzt ein pensionierter Spitzenmandatar des ÖAAB mit besten Kontakten in die USA und selbst Drahtzieher der missglückten Reform nach vierjährigem Schweigen auf einmal besorgt ist, dann hinterlässt das bei ehrlichen Freunden des Bundesheeres einen bitteren Nachgeschmack. Intern wird vermutet, dass Darabos dessen lukrativen Beratervertrag nicht verlängert und sich so seinen Unmut zugezogen hat." Was der ARF natürlich unterschlägt.

Aussendung der ÖVP:

"Bundeskanzler Gusenbauer ist aufgefordert, klar zu stellen, ob die SPÖ zur Verteidigungsdoktrin steht oder nicht”, fordert ÖVP-Wehrsprecher Walter Murauer nach den gestrigen Aussagen von Verteidigungsminister Darabos in der “ZIB 2”. Dort hatte Darabos gemeint, dass er eine neue Doktrin schaffen wolle. „Die Verteidigungsdoktrin hält alle wichtigen Eckpunkte der österreichischen Verteidigungspolitik fest und sollte nicht leichtfertig in Frage gestellt werden – schon gar nicht vom Verteidigungsminister“, so Murauer. „Deshalb sind jetzt klare und eindeutige Worte des Bundeskanzlers nötig“, so der ÖVP-Wehrsprecher weiter. „Die ÖVP steht für die Neutralität, an der wir weiter festhalten werden.

Nach der gestrigen Kritik des Heeresreformkommissionsmitglieds General i.R., Alfred Schätz, an der Fortführung der Bundesheer-Reform durch Darabos fordert Murauer den Minister auf „dieVerunsicherung in der Bundesheer-Truppe zu beenden. Ich stimme Schätz voll zu: Es ist wirklich an der Zeit, Gas zu geben“. Kritik kommt von Murauer auch an den Aussagen von Darabos zu den USA und Russland: „Wir sind zwar nicht der 51. Bundesstaat der USA, aber wir sind auch keine Filiale von Moskau.“ Es ist zu befürchten, dass wir „als neutrales Land in diese Legislaturperiode gegangen sind und als Moskau-treu wieder herauskommen“."

Derlei wird genüßlich in den Medien zitiert und jene steirischen Schwarzen, die eine "Neutralitätsdebatte" wollen, gegen Vizekanzler Molterer ausgespielt (Kampfposter sind teils so übel drauf, dass sie Molterers Physiognomie angreifen). Herr Murauer und seine Loden-Konsorten sollten einmal einen Blick in die Verfassung werfen, auf die sie vereidigt sind, denn sie untergraben die Souveränität der Republik Österreich. Sie greifen das souveräne, dem Amtseid entsprechende Verhalten von Regierungsmitgliedern, die ihr Land verraten würden, ließen sie sich von einem anderen Staat einschüchtern, mit billigen Unterstellungen an.

Dabei ist es ganz einfach, wenn jemand, der österreichisch agiert und es wagt, ein in ganz Europa umstrittenes und abgelehntes Projekt der USA zu kritisieren, für sie ein Knecht Moskaus ist, sind sie selber Diener Washingtons und sollten ihr Mandat zurücklegen, um die Souveränität Österreichs nicht noch weiter zu untergraben. Als bekannt wurde, dass zwei in Österreich lebende Muslime von der CIA entführt wurden und die Frage aufkam, wie weit die Mithilfe des HNA dabei ging, wurde ein U-Ausschuss gefordert, den Murauer nicht für notwendig hielt, ebenso wenig eine stärkere Kontrolle unserer Dienste (HNA, Heeresabwehramt, Stapo).

Die Auftragskritiker sind wieder munter am Werken, etwa Andreas Unterberger (Wiener Zeitung), Michael Völker (Standard) und andere laut den Vorabmeldungen für morgen in der APA. Nun wirft man Molterer und der VP Chaos vor und Maulkorberlässe (weil die Perspektivengruppe nicht weiter an der Abschaffung der Neutralität basteln soll) oder greift die Regierung generell als schwach an, eben wegen der fehlenden Neutralitätsdebatte. Langsam fällt den Leuten ja auf, dass es ausnahmslos negative Kommentare zu Darabos und auch zur Neutralität gab, was die Verhältnisse in der Bevölkerung nicht wiedergibt. Fast, als würden die Journalisten von einem fernen Planeten eingeflogen und zu 100% identisch geklont....

Siee auch @ Ceiberweiber: In der 'Neutralitätsdebatte' geht es um ein freies Österreich.

Und so wird in der ÖVP-Perspektivengruppe online diskutiert.

29.08.07

Vizekanzler ohne "Glamourfaktor"

@ Sommergespräche 28.8.2007 mit Wilhelm Molterer

Erste Feststellung: schöne Umgebung, auch wieder ein bißchen Wasser, diesmal kein Biotop oder See, sondern ein Fluß, das Ganze spielt in Steyr, Heimatstadt Molterers. Hinter dem Vizekanzler Kirchturmspitzen, die das "Gesamtbild" in Österreich nicht stören, da sie keine Minarette sind.

Molterer, der von Florian Scheuba in der "Die 4 da"-Folge "Beim Schwarzbauern" überzeugend als so trocken, dass man das nicht spielen kann dargestellt wurde, wirkte relativ lebhaft. Zumindest im Vergleich zu Van der Bellen, der auch viel undeutlicher sprach, war er ein Ausbund an Lebensfreude. Für NormalbürgerInnen aber gerade mal so weit, dass man so 10, 15 Minuten gut zuhören kann. (Und den Rest der Zeit mit laut aufgedrehtem Fernseher bloggenderweise verbringt :-)

"Hervorragende Regierungspolitik" und "die Handschrift der ÖVP" stehen auf meinem Zettel, von mir dazwischen gekritzelt aber: "und die APA-Aussendungen?", mit denen einander die regierenden Parteien, jedoch auch diese intern kritisieren. So macht große Koalition Spaß! Molterer will die "Voraussetzungen für Erfolg schaffen", was angesichts mehrerer verlorener Wahlen kühn erscheinen mag. 2002 war aber eine Ausnahme, wer gewinnt schon sonst als Regierungspartei so viele Stimmen hinzu?

Selbstkritisch meint er, dies werde in der Geschichte einmalig sein, ist aber sicher, dass die ÖVP Landtagswahlen in Tirol und Oberösterreich gewinnt. Welche Rolle Ex-Kanzler Schüssel spielt, wollen Elmar Oberhauser (ORF) und Herbert Lackner (profil) klarerweise wissen. Molterer selbst habe ihn gebeten, Klubobmann zu sein, aber er sei Parteiobmann, mit einer "ganz massiven" Verantwortung. Mit dieser habe er erst umgehen lernen müssen, meint er selbstkritisch und läßt offen, wer bei der Wahl 2010 Spitzenkandidat wird.

Es sei eine massive Belastung, zugleich Vizekanzler, Finanzminister und Parteiobmann zu sein. Molterer wolle sich in diesen Rolle nicht verändern, denn es bestehe immer das Risiko, dass das Amt einen verändere, er habe schon "viele Kunstprodukte" in der Politik gesehen, Menschen, die Sklaven ihres geänderten Images wurden. Man kann hier hineininterpretieren, dass sich Molterer als Übergangslösung betrachtet oder aber, dass er seine Rolle reflektieren und abstrahieren kann. Dies verbindet ihm durchaus mit Kanzler Alfred Gusenbauer, im Gegensatz zu vielen inhaltlichen Positionen.

"Machtworte" will er in Sachen Perspektivengruppe erst dann sprechen, wenn am 1.10.2007 die Ergebnisse vorliegen und bewertet werden sollen. Eine Abschaffung der Neutralität, so ein exotischer Vorschlag aus der Gruppe, kommt für ihn dezidiert nicht in Frage (es wollen dies immer noch jene Medien herbeischrei(b)en, die sofort bereit waren, Minister Darabos im Einklang mit "Rügen" aus den USA zu schelten). Immerhin stammt die Idee einer Senkung des Wahlalters auf 16, die bereits umgesetzt wird, auch aus der Gruppe.

Ein wenig wurde die SPÖ ideologisch gescholten, von wegen "keine linken Träumereien" oder dass manche das Regierungsprogramm aushebeln wollten (klar, es trägt ja angeblich die "Handschrift der ÖVP"!). Bei solchen Themen senkte Molterer schon mal den Blick, konnte uns nicht in die Augen sehen. Er werde die schwierigeren Bereiche im Herbst mit Gusenbauer besprechen, sagte er. Oberhauser zitierte dauernd Landeshauptmann Pröll, der gegenseitige Presseaussendungen der Regierungsparteien und die vielen öffentlichen Stimmen der Perspektivengruppe (die sein Neffe Josef leitet, der Umweltminister) gar nicht goutiert.

Er gibt Pröll teilweise Recht, denn in der Außenwirkung sieht es nach Profilierung Einzelner in der Regierung aus. Die "Zwangsgesamtschule" wird der SPÖ um die Ohren geworfen, den Frauen (warum immer uns? sind wir sooo klein? :-) der Kndergarten für unter 3jahrige, "keine Selbstverständlichkeit" in seiner Partei. Ich denke auch, dass in der ÖVP mehr 60jährige als 3jährige im Kindergarten sind.... Führungsschwäche will er nicht beim Koalitionspartner sehen, er nennt es "Koordinationsnotwendigkeit".

Man kann Regierungstätigkeiten nicht outsourcen, ist sein Statement zu Gusenbauers Klimabeauftragtem Andreas Wabl, sonst hätten wir "Regierungsbeauftragte für Regierungstätigkeit". Gusenbauer habe sich mit Wabl selbst ein Ei gelegt, das werde er noch merken. Von Strache distanziert sich Molterer, da dieser keine Distanz zu seiner Vergangenheit in Neonazi-Kreisen gefunden habe und daher nicht regierungsfähig sei (Molterer redet mit gesenktem Blick, nennt Straches Vergehen nicht beim Namen). Den guten Eindruck den man da von ihm gewinnt, macht er jedoch sofort zunichte, da Strache schon auch mal "richtige Fragen" stelle.

Somit landet die Diskussion beim geplanten Moscheeverbot von Straches einstigem Vorbild Haider, nur dass Molterer auf die Religionsfreiheit und den staatlich anerkannten Islam verweist, Österreich war aber nie ein islamisches Land und wird auch nie eines sein. Molterer betont Werte wie Gleichberechtigung und die Ablehnung von Zwangsheirat und ist somit auch einer, der vor allem im Konnex islamischer Länder an Frauenrechte denkt, Man müsse auch achtgeben, was in islamischen Gotteshäusern gepredigt wird, warnt "Pater Willi", wie ihn manche im Web nennen.

Man muss auch achtgeben, was Fundichristen etwa um Bischof Laun so alles ungeachtet der in Östereich geltenden Verfassung und der Gesetze von sich geben, notiere ich dazu. Wirtschaftspolitisch kann sich Molterer keine Steuerentlastung vorstellen, da derlei in der Hochkonjunktur unvernünftig sei, und er warnt davor, die Finanzmarktkrise zu unterschätzen, sie sei noch nicht ausgestanden (womit er Recht hat). Molterer setzt sich, auch im EU-Rat, aber immerhin für Mitarbeiterbeteiligung ein...

Siehe auch sommergespraeche.blogspot.com

und neu bei der CeiberWeibern: Sozialminister Erwin Buchinger hat einen Kommentar zu seinem Männerbild geschrieben. Mag jemand bei der ÖVP-Perspektivengruppe vielleicht sein Männerbild schildern? :-)

Und zu Angela Merkels Chinabesuch, wo sie klar Menschenrechtsfragen anspricht, bei denen manch andere Delegationen vage blieben: Kämpft sie wirklich für unteilbare Menschenrechte?

24.08.07

Das waren die Grünen

ÖVP-Generalsekretär Missethon war der Schnellste: um 22.27, kurz nach dem Ende des ORF-Sommgesprächs mit Alexander Van der Bellen stellte er eine Meldung in die APA, die mit diesen Worten endet: "Nicht nur inhaltlich geht so gut wie nichts weiter, auch personell stecken die Grünen in der Sackgasse. Die absolute Hörigkeit gegenüber Van der Bellen zeigt auch, wie dünn es um den politischen Nachwuchs der Grünen bestellt ist“. Beim "Standard" kommentiert eine Mitarbeiterin, diesmal Manuela Honsig-Erlenburg, die Sommergespräche gemeinsam mit UserInnen-Postings, und schrieb: "Ich würde mal sagen, dieses Sommergespräch hatte kaum Tiefen, aber auch keine Höhen. Van der Bellen hat sich zwar aus dem Urlaub zurückgemeldet, ein wirkliches Lebenszeichen war das aber trotzdem nicht. Ein oppositioneller Aufschrei war das nicht."

"Faaaad... Van der Bellen ist eine wandelnde Schlaftablette", so ein User. In den Standard-Foren wird er manchmal auch "Prinz Valium" genannt... Nunja, ich wollte brav viele Stichworte mitschreiben, um doch so einigermaßen wiederzugeben, was sich abspielte, aber irgendwann döste ich mit dem Block in der Hand. Das Piepsen des Handys verhinderte, dass ich einige Minuten später wie bei einem nächtlichen Krimi hochschrecke, wenn alles schon vorbei ist (wobei mir in so einem Fall was Spannendes entgangen wäre). SMS von einem Kollegen van der Bellens, der eine Stunde grüne Präsentationsmöglichkeit im Fernsehen sicher anders gestaltet hätte und sich über die Reduktion auf eine "Körndlfresserpartei" und die technokratischen Ausführungen seines Parteichefs ärgerte.

"Manches ist auch sachlich nicht richtig", antwortete ich (und dass ich mich langweile), da ich zu Beginn noch wach gewesen war und hörte, wie Van der Bellen die Begriffe Passivhaus und Niedrigenergiehaus durcheinanderbrachte (was er später wiederholte). Außerdem setzte er sich für eine Art Ökokapitalismus ein, der meint, durch den guten Konsum verträglicher Produkte könne man etwas gegen den Klimawandel tun. Tatsächlich verbrauchen Menschen umso mehr Ressourcen, je mehr Geld sie haben, wie etwa George Monbiot schreibt (über Eco-Junk, all die Green Lifestyle-Bücher, und über "guten Konsum" und was wir wirklich tun müssten). Eigentlich etwas, das Grüne aufzeigen sollten, wenn man von ihnen schon Ökologisches hören will.

Im Standard meint ein Wirtschaftsforscher mit Sinn für Ökologie, dass das hochselbstgelobte Klimaprogramm der Grünen ebenso wenig konkrete Massnamen vorsieht wie Produkte der Bundesregierung - also das vermieden wird, womit man etwas bewirken kann. Andreas Wabl, Gusenbauers Klimabeauftragter, ist wohl nicht zufällig immer wilkommen bei der Grünen, so Van der Bellen im Sommergespräch. Van der Bellen ist offenbar egal, zu wem jemand loyal sein muss - hält er die Grünen als eigenständige Partei für so unbedeutend, wie immer mehr Menschen sie sehen?

Oberhauser
..... will trotzdem weiter über den Zustand der Partei reden. "Die Fragen liegen am Tisch", so Oberhauser. VdB: "Grüne sind eine Projektionsfläche für Hoffnung, und es ist nicht immer leicht, dieser Erwartungshaltung gerecht zu werden. (meint die Standard- Moderatorin) Er meint sich nicht, wenn er (VdB) ...... "Spitze der Partei" sagt. Wen meint er denn?

Ich lese die Postings, denn es kann ja sein, dass ich einfach nur müde war (vor 22 Uhr? besser vor Mitternacht?) und es anderen ganz anders erging. Beim Standard ist jedoch dauernd von einschläfernd und enttäuschend die Rede, und bei http://sommergespraeche.blogspot.com/ heisst es z.B. Der x-te Seufzer von VdB er wird heute von fadisierten "Gegnern" platt gemacht. Unglaublich eigentlich.

das beispiel der firma die sonnenkollektoren oder sowas in der art herstellt hat vdb letztes jahr auch schon gebracht. also bis jetzt wirklich nix neues. der schmetterling dürfte tatsächlich der bisherige höhepunkt sein.

Anmerkung: es wurden immer wieder Blumen und Schmetterlinge gezeigt, etwa ein Monarch.

worüber regt ihr euch eigentlich auf. geht früher schlafen, wenn ihr abends bei sachdiskussionen leicht müde werdet. ich mag seinen stil noch immer, und wenn ich am ende alleine aufbleibe und alleine poste, zähl ich das als sieg ;-)

Ein seltener (weiblicher) Fan, der es anscheinend normal findet, dass politisch interessierte Menschen vor halb zehn abends wegbrechen...

Herr VdB hat kein Gespür für die Ärmeren. Unglaubliche Aussagen zur Verteuerung der Lebensmittel!

Auch der Transport von Erdbeeren aus dem Burgenland soll mehr kosten, nicht nur aus Spanien.

VdB: "Wir wollen den CO2 Ausstoß senken."
Wailand (Kronen Zeitung): Wie?
VdB: "Weiß ich nicht."
Bitte?? Hab ich mich verhört??

"Lau in der Au" nennt Staatssekretär Reinhold Lopatka seinen Blog-Kommentar: "Die Wahl des Orts für das Gespräch mit Oberhauser und Wailand vor dem Ökohaus in unmittelbarer Nähe zu den Donauauen und damit zur Geschichte der Grünen war symbolhaft, hat aber auch auf die Inhalte abgefärbt: Die politischen Schwerpunkte Frauen, Bildung und Energiewende waren schon die Themen des Nationalratswahlkampfs, ebenso durfte das Beispiel des Photovoltaikbetriebs schon öfters herhalten. Die Grüne am Weg – vorwärts zurück in die Vergangenheit?

Inhaltlich hat mich vor allem überrascht, dass Van der Bellen bei jedem der großen Themen den wirtschaftlichen Effekt betonte: Klimaschutz, weil es ökonomisch sinnvoll ist, Bildungspolitik als wirtschaftspolitisches Thema, der freie Hochschulzugang primär als volkswirtschaftliche Frage. Kündigen sich hier neue Akzentsetzungen in der grünen Programmatik an oder ist das die neue Radikalität von der Van der Bellen sprach?

Van der Bellen ist ein kultivierter Gesprächspartner (so habe ich ihn auch im Parlament zumeist kennen gelernt), der durchaus selbstironisches Potential hat, wie der auf sein Alter bezogene Vergleich mit dem Papst zeigte. Dennoch blieben die von ihm als radikal bezeichneten grünen Inhalte wieder einmal seltsam vage. Ich stimme mit ihm in einigen Punkten überein – etwa dass nicht die Industrie sonder der Individualverkehr und private Haushalte das Hauptproblem des Klimaschutzes sind – und habe natürlich Punkte, wo wir wenig gemeinsam haben...."

Ich frage mich schon, ob der ORF bei der Reichweite auch jene mitzählen muss, die selig vorm Fernseher eingebüselt sind....

Gähn! Wo ist denn nun mein Block für den Blog?

Ahja, da steht: Erinnerung an Hainburg - Petronell (Van der Bellen erinnert an jene, die 1984 in der Au waren, lang vor seiner Zeit) - Verwechslung Niedrigenergie / Passivhaus - massive Mithilfe der Krone in Hainburg (sprach Oberhauser an, deswegen Georg Wailand dabei), Urgh, wenn ich an damals denke, das war uns gar nicht recht - keine öffentlichen Debatten mehr (tastet sich Oberhauser ran) - Zitate "Diskussionsverweigerung - Kadermethoden - Verschwinden der Grünen, Grüne am Ende", bezogen auf den "Falter" vom 22.8.2007 - Van der Bellen ist BEGEISTERT und empfiehlt allen, den "Falter" zu lesen -

einander heftig kritisierende Regierungsparteien, notiere ich als Kontrast, den ich ansprechen will, da ich das natürlich als politische Journalistin verfolge (und sicherheitshalber immer wieder nachsehe, ob jene, die sich da befetzen, auch noch in Koalition sind :-) - nunja, Allerweltspartei? verneint van der Bellen, und zwar so "Ich finde nicht....ich finde nicht". Seltsames Dementi, dachte vielleicht auch Oberhauser, und meint, Van der Bellen wirke müde, hat er sich schon von der Politik verabschiedet?

Aber nein, es sei nur Ruhe im Sommer, wie jeden Sommer, das werde nicht akzeptiert. Radikal müde hab ich noch was hingekritzelt, das ich nicht mehr lesen kann. Dann werden Themen angesprochen wie Bildung, Frauen, Kindergarten, als "Herausforderung". Unmittelbar danach ist Van der Bellen "grantig", wenn er auf sein Alter angesprochen wird, schliesslich ist er noch nicht im Pensionsalter. "Meinetwegen" sei er in den Grünen "der Alte", aber in keiner anderen Partei haben so viele Ex-Parteichefs noch Funktionen (er meint seine Vorgänger, nicht sich selbst :-).

Oberhauser wirft "Midlife Crisis" und "Funktionärspartei" über den Tisch. Al Gore und Angela Merkel besetzen das Thema Klima, dadurch hätten die Grünen einen aufgelegten Ball vor den Füssen, aber sie machen nichts daraus. Van der Bellen meint, er habe nicht die Möglichkeiten von Gore und Merkel und dass er Merkels Klimapolitik als EU-Ratspräsidentin sehr geschätzt habe. Ähem - und was hat das mit seinen Möglichkeiten als Van der Bellen zu tun? Ist es meine Müdigkeit oder sagte Van der Bellen "Wohnbauförderung in den neuen Bundesländern" (nur mehr für Passivhäuser, meinte er, es handelt sich um Niedrigenergiehäuser, die in manchen österreichischen Bundesländern zu den Kritieren gehören)?

Ökologische Produktion sieht Van der Bellen als Lösung (ich verweise auf die Links zu Monbiot weiter oben) und lobt, dass bei der Industrie schon einen Mechanismus gäbe mit dem Handel mit Emissionszertifikaten. Er schwärmt von der Architektur in Vorarlberg, die auch auf Energiesparen ausgerichtet ist und rät, bei der Bildung bereits im Kindergarten anzusetzen, per Gratisjahr. Kostenloses Hörgeräte-Probehören bei Hartlauer - was soll das? Achso, das war die erste Werbung nach dem Sommergespräch, die ich notierte, weil das die Lösung für die Langeweile so vieler SeherInnen sein könnte: vielleicht brauchen sie einfach schon ein Hörgerät?

Nein, das wars auch schon (bzw. was ich mitkriegte), und in der Mitternachts-ZiB fiel mir dann auf, dass in den Kurzbericht immer wieder die Schildkröte im Biotop dazwischen schnitten und Van der Bellen einmal sagte, er sei nicht wegen dem Klima für Klimaschutz, sondern wegen dem Schutz der Menschen. "Schutz" versteht er, wie seine Äußerungen nahelegen, recht technokratisch, während Tiere und Pflanzen offenbar nicht unter "Klimaschutz" fallen, sondern sehen können, wo sie bleiben. Gerade die Natur war aber bei den Grünen, bevor sie sich so sehr veränderten, für viele eine wichtige Motivation.

Natürlich kamen andere Themenbereiche hinzu, weil ja alles vernetzt ist und weil Fragen von sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten, Gleichbehandlung, Antirassismus und Friedenspolitik immer auch bedeutsam waren. Mag sein - aber wo sind sie heute für die Grünen? Alles den NGOs überlassen bzw. der Regierung, die man ja kritisieren kann, wenn sie das "Falsche" tut? Es gibt die anderen, früheren Grünen noch, manche sogar in Funktion für die Van der Bellen-Kaderpartei-Grünen, aber wenn, dann nur ganz an der Basis, so ein bisschen vor Ort Politik machen.

Ansonsten haben sie sich anderen Bereichen zugewandt, zuwenden müssen, die bei manchen immer noch Berührungspunkte bieten. Auf dem Weg zur Kaderpartei war man nicht zimperlich, sodass einige schwere Blessuren abbekamen, die keine offenen Wunden mehr sind, aber sichtbare Narben. Überall sind diese Grünen, manche ins Ausland gegangen, die nie aufgehört haben, grün zu sein im Sinne der ursprünglichen Ziele

ökologisch * solidarisch * basisdemokratisch * gewaltfrei

Was hat nun der "Falter" geschrieben? Armin Thurnher verlegt den Rücktritt von Freda Meissner Blau auf ein Jahr später nach November 1989, nach dem Lucona- Untersuchungsausschuss, und behauptet, ihr Schritt sei "überraschend". Was er sicher ist, wenn man ausblendet, dass sie ging, weil sie vor dem Ausschuss die Seriosität von Hans Pretterebner bezweifelte, den Peter Pilz unbedingt als "Experten" beiziehen wollte. Die "Altersfrage" existiere im Fall Van der Bellens nicht, schliesslich ist der "Krone"-Dichand auch schon Mitte 80.

Barbara Toth beschreibt die Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung der Grünen, wo man sich selbst genügt, und dem Image in der Öffentlichkeit, wo die Grünen in der derzeitigen personellen Besetzung "abgeschliffen, kraftlos und gelähmt" wirken. Van der Bellen verschwand im Sommerloch und tauchte nur auf, um zu verkünden, dass er auch 2010 Spitzenkandidat sein möchte. Was in anderen Parteien, die einst aus Sicht Grüner erstarrt und ohne Diskussionsprozesse waren, massive Kritik provoziert hätte, wird bei den Grünen hingenommen: "Wie gleichgeschaltet nicken sie das Ansinnen des Bundessprechers ab."

Die Story endet mit einer Person, die das Dilemma der Grünen hinsichtlich nötiger "Frischzellenkur" verkörpert, aber Quereinsteigertum vage ablehnt, da die Erfolgsrate bei anderen Parteien "enden wollend" sei: "Was Van der Bellen nicht erwähnt: Als er vor 13 Jahren zu den Grünen kam, war er selber Quereinsteiger". Illustriert werden die Abgesänge auf die Grünen übrigens mit Karikaturen von Van der Bellen-Köpfen als russische Puppe, in der natürlich nur immer kleinere Van der Bellen-Köpfe Platz haben...

Der Blogtitel stammt von einem Buchtitel von Jutta Ditfurth, einst Sprecherin der Deutschen Grünen und per Kampagne entfernt, nachdem sie sich nicht von der CIA anwerben liess, wie sie beschreibt. Derlei Ansinnen nicht nachzugeben, ist für sie "eine Sache der linken Überzeugung und persönlichen Würde", wobei sie auch andeutet, wer diese Skrupel nicht kannte (und massig Karriere machte). Ich sehe das mit der persönlichen Würde genauso, wenngleich ich nie so dezidiert "links" war wie Ditfurth....

21.08.07

Medien-Dinosaurier gegen Wackeldackel

Grmpf! Habe mir doch das "Sommergespräch" zwischen Elmar Oberhauser (ORF), Wolfgang Fellner ("Österreich") und Heinz Christian Strache (FPÖ) angesehen. Ich meine, bei solchen Gelegenheiten haben JournalistInnen nun mal nicht die gleiche freie Wahl wie nichtschreibende NormalbürgerInnen, also nix mit fernsehfreier Abend, Spaziergang oder anderer Sender.

Charakteristisch war für die Sendung, zu der ich mir ein paar Stichworte auf Kartonverpackungen notierte (Schlimmes ahnend, wollte ich nicht auf einem Block mitschreiben wie bei einer Pressekonferenz, denn dann wird das alles noch länger und aufwändiger :-), dieser "Dialog":

Oberhauser: Was hat Hans Christian Strache, was Jörg Haider nicht hat?
Strache: Heinz Christian Strache hat Steherqualitäten.

Gehts euch noch gut? Er redet in der dritten Person von sich selbst, wäre ohne Haider ebenso wenig erwähnenswert wie Westenthaler (und ob die beiden es bei einer Existenz Haiders sind, sei dahingestellt), und ihr lasst es ihm durchgehen?

Einschub: Stellt euch mal vor, Oberhauser fragt: Was hat Alexandra Bader, die mit diesen bissigen Kommentaren zu Medien und Politik, was sagen wir, Alexander Van der Bellen nicht hat? Da Eigenlob sowohl in der ersten als auch in der dritten Person peinlich ist, würde ich da wohl erwidern: keinen Pimmel oder keine Packung Zigaretten :-)

Hier also die Mediendinosaurier, dort der Wackeldackel (sorry, aber seine Körpersprache, mit der er das pausenlose Hervorbringen von Sätzen untermalt, erinnert nun mal daran), und das soll ein kritisches Interview sein?! Strache will wahlkämpfen und sein "starkes Team" namentlich nennen, das ausserhalb der engeren Kärntner Umgebung niemand kennt, und rechnet auch bei jeder Gelegenheit mit "den Medien" ab, die ihn "totschweigen oder diffamieren". Die Dinos reagieren anfangs besonders schwerfällig, fangen sich dann aber, kommen jedoch nicht wirklich zu Wort, weil mindestens zwei, oft auch drei von drei anwesenden Herren durcheinanderreden.

Medien sind also Mist (über tatsächliche Tabus sollte man mal reden, aber dann wären diese Themen, über die sich auch der Mann mit den "Steherqualitäten" nicht drübertraut, ja die längste Zeit Tabu gewesen), mann kämpft auch in Graz Wahl, wo Wahlwerbung einer Kommission vorgelegt werden müsse, welch ein demokratiepolitischer Skandal. Das mag er ja sein, aber wo sind andere Inhalte als FPÖ ist weder Westenthaler noch Haider?! Dino Fellner versucht zynisch zu sein und spricht von APA-Aussendungen der beiden Kaninchenzüchtervereine, die überwiegend "Schneetreiben" versus "warme Buben" seien.

Endlich naht etwas, das entfernt wie ein politischer Inhalt aussieht - aber nein, es ist der Kampf gegen die EU-Verfassung, da soll es eine Petition geben, und generell ist mann für mehr direkte Demokratie, beispielsweise Volksabstimmungen, wenn etwas 150.000 Unterschriften erreicht. Weder neu noch originell (noch abzulehnen), doch wirkt die Sache mit der EU-Verfassung ("Kritik wird totgeschwiegen") ziemlich absurd.

Die Dinos haben sich anscheinend darauf vorbereitet, dem Wackeldackel markige Sprüche vorzuhalten, nicht aber auf Inhalte, die eventuell angesprochen werden. Sonst hätte einer von ihnen eingewandt, dass die Forderung nach einer Volksabstimmung über "die EU-Verfassung" Etikettenschwindel ist, da Österreich diese Verfassung bereits angenommen hat. Da ihre Ratifizierung aber an Abstimmungen in anderen Ländern gescheitert ist, soll es nun einen neuerlichen Reformprozess geben, der Teile der Verfassung und die Grundidee retten soll. Das Ergebnis wird aber nicht "Verfassung" heissen, wie Herr Oberdino Oberhauser auch der ORF-Webseite hätte entnehmen können oder aber gleich der Webseite der EU zum Tema.

Mann liess Herrn Strache also plaudern und polemisieren und ich notierte: "EU Schwäche = Stärkung der USA", was in diese Runde anscheinend niemand bedacht hat oder niemand falsch findet. Nach eigenen Worten drückt sich Strache, der nun doch einmal mit sich selbst konfrontiert werden soll, gewählter aus als Westenthaler, was uns anhand von "Daham statt Islam" und einer Pauschalverbindung Muslime - militanter Islam - Terrorismus ja im Wahlkampf 2006 deutlich vor Augen geführt wurde. Ich wollte damals von Strache wissen, wieso er das macht und erhielt keine Antwort. Damit stand Strache nicht allein, da alle zu diesem Thema schwiegen, auch wenn sie sich über Ausländerfeindlichkeit empörten.

Strache sei für "Kostenwahrheit im Sozialversicherungssystem", ein wirklich toller Gedanke, den man mal dort anwenden sollte, wo PolitikerInnen ohne Leistungsnachweis bezahlt werden (also ihr Hinterbänklerdasein fristen oder sehr aktiv sein können, mit oder ohne bezahltem anderem Job). Generell habe ich immer mehr den Eindruck, dass die einen nicht bekommen, was sie verdienen, die anderen aber bekommen, was sie nicht verdienen.

Der Wackeldackel (mutig und nicht käuflich) will aber nicht den Neoliberalismus kritisieren, sondern ZuwanderInnen an den Pranger stellen. Die Regierungen hätten "in Massenzuwanderung statt in Geburten investiert", sagt er ungehindert, obwohl einer Interviewerin sofort eingefallen wäre, dass Frauen offenbar Gebärmaschinen sein sollen zur Erfüllung staatlicher Plansolls an Nachwuchs. Wir müssten "unsere Familien stärken", meint er, als ob dies derzeitigem Bedarf an Arbeitskräften entgegenwirken kann, der sich nicht unbedingt mit den Qualifikationen von Erwerbslosen deckt.

Natürlich kommt niemand auf die Idee, doch mal in Frage zu stellen, dass bei steigenden Unternehmensgewinnen und zunehmendem Kapital in den Händen Weniger die ArbeitnehmerInnen das Pensionssystem zu finanzieren haben. Aber nein, man nimmt auch hin, dass Strache seine Angriffe auf MigrantInnen angeblich auch im Sinne von MigrantInnen, nämlich der "gut Integrierten", die die FPÖ wählen sollen, unternimmt. Am Ende versucht Fellner noch etwas Pepp in die Sache zu bringen, indem er die Wehrsportbilder anspricht, bei denen Strache jedoch abwehrt, dass man sich eh vor Gericht sehe und dass es sich um harmloses nettes kleines Paintball-Spiel handelte.

Oberhauser versuchte, Strache mit der Frage nach Menschlichkeit zu outen, doch die Kopie der Kopie von Haider wand sich bewährt heraus. Festnageln wollte ihn niemand, eher schon, ihn inhaltlich in manchem anagitieren, wo man ja nicht ernsthaft so denken kann, wie er offenbar "denkt". Fazit: fragt sich nur, wer Oberhauser und Co. noch stärker übern Tisch ziehen wird. Gusenbauer, Molterer und Van der Bellen stehen noch zur Auswahl...

Spätere Anmerkung: nach der Lektüre von Postings bei derstandard.at, wo sich UserInnen Unmut über das "grottenschlechte" Sommergespräch machen, noch ein paar Ergänzungen: nicht notiert hatte ich, dass Strache auch ein Erich Fried-Zitat vorbereitet hatte sowie ein medienkritisches aus dem "Falter" und dass er ein Foto von sich beim Indianerspielen als Kind zeigte als Reaktion auf den Wehrsportübungs-Vorwurf. Irgendwann fuhr im Hintergrund, den der Weißensee bildete, ein Boot vorbei, das ich nur flüchtig wahrnahm.

UserInnen sahen aber, dass dort jemand die "fünf Bier"-Geste mit drei Fingern machte (Strache sagte in Sachen Wehrsportübungen und Co. letztes Jahr, er habe nicht Hitler gegrüsst, sondern Bier bestellt - daraus wurde der Witz von den "fünf Bier fürs Sägewerk"). Viele störte auch, dass Fellner jede journalistische Distanz fallen liess und persönlich wurde (etwa indem er Strache als "Sie mit Ihrer Paranoia" anredete - statt Fakt für Fakt zu zeigen, wo Fakten gegen Straches Realitätswahrnehmung sprechen). Tatsächlich sind Fellner und Strache in eine persönliche, auch vor Gericht ausgetragene Auseinandersetzung wegen der Wehrsportfotos verstrickt.

Fragt sich, warum der ORF Strache die Bühne dafür bietet, sich von Medien ausgegrenzt und verfolgt zu fühlen, sich daran zum Helden zu stilisieren, statt eine/n objektivere/n JournalistIn einzuladen. Von meiner Interviewerfahrung und vom Beobachten guter KollegInnen her weiss ich auch, dass man versuchen soll, eine persönliche Basis in der Interviewsituation herzustellen. Nur so kommt das Gespräch weg von dem, was beide Seiten vorbereitet haben, und es ist auch möglich, Überraschendes zutage zu fördern oder sich in Sachfragen anzunähern. Ansonsten wird runtergebetet, was InterviewerIn und Interviewte/r in ihren Mappen parat haben, von Presseaussendungen über Berichte und Buchzitate, also eine öde Angelegenheit für LeserInnen oder SeherInnen.

Wenn jemand sprechpuppenartig und stereotyp Vorbereitetes runterbricht, also nicht auf die persönliche Interviewweise eingeht, entlarvt er/sie sich selbst hinsichtlich der eigenen Substanz und Persönlichkeit. Hier sassen einander zwei Medienmänner, Fellner und Oberhauser, und ein medienabhängiger Strache gegenüber. Jede Seite betete runter, was sie vorbereitet hatte, was auch daraus deutlich wurde, dass meist zwei oder gar drei Personen zugleich redeten. Klar, in dicken Ordnern, die nur als Stütze und Unterlage dienen sollten, ist natürlich viel zu viel Material für eine Sendung enthalten...

Neu @ Ceiberweiber: "Streit Radfahrer gegen Fußgänger eskaliert" behauptet "Österreich" am 21.8.2007 - in Wahrheit wären Konflikte kein Wunder, wenn Radwegeplanung vielfach das Zusammenpferchen von RadlerInnen und GeherInnen auf einer vorher für FußgängerInnen allein gedachten Gehsteigbreite bedeutet. Tatsächlich führen manche Medien (auch der "Kurier") schon seit einigen Artikeln eine Kampagne gegen RadlerInnen, die endlich endlich auch in Wien zahlreicher werden. Höhepunkt sind Angriffe der Wiener ÖVP auf klimafreundliche Fortbewegung...

Zu Radfahren in Österreich und Raddemos siehe Critical Mass...

Natascha Kampusch, unser liebstes Opfer
: "Heute" führt eine Art Kampagne gegen Natascha Kampusch, die vor einem Jahr vor ihrem Entführer nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft flüchten konnte. Jede angebliche Enthüllung (am 21.8. beispielsweise, dass das "Verliess" im Keller nicht schon bei Nataschas Entführung eingerichtet war, oder dass sie mit dem Entführer Schifahren war) wird mit Fragen an die LeserInnen beendet, die bei so einer Aufforderung natürlich teils Mitgefühl haben, teils meinen, mit Kampusch stimme etwas nicht. "Was Kampusch NICHT sagte!" ist heute offenbar die Reaktion auf die ORF-Sendung am 20.8., in der Kampusch nach Barcelona begleitet wurde und wo sie interviewt wurde.

Anscheinend glauben manche, mit ruhigen, beherrschten Überlebenden von Gewaltsituationen sie irgendwas nicht in Ordnung und erwarten verzweifelte, gebrochene, stockend sprechende Menschen. Dass Traumata in gewisser Weise ewig wirken, auch wenn man lernen kann, halbwegs "normal" zu leben, weil das Erfahrene für immer von der Erlebniswelt anderer Menschen trennt, begreifen viele nicht. So meinen sie, dass man (gerade wenn jemand äußerlich kühl und reflektiert wirkt) schnell zum Alltag zurückkehren kann. Dies findet sich in Kommentaren zu Kampusch ebenso wie wenn es um Menschen geht, die von der CIA entführt und gefoltert wurden. Offenbar waren auch diese Opfer nur auf einem etwas verunglückten Urlaub und jetzt ist aber wirklich mal Alltag angesagt, unauffällig unter jenen, die nicht traumatisiert sind.

Wie üblich werden Gewalttaten gegen Frauen von Medien verharmlost: aus einem Mord, nach dem der aus der Wohnung weggewiesene und gewaltsam in diese eingedrungene Täter Selbstmord begeht, wird "zwei Menschenleben forderte ein Streit in Meidling". Können Journalisten einmal nachDENKEN, bevor sie sowas schreiben, fragen wir....

23.04.07

ÖVP: Altes in neuem Gewand?

Blogpause, aber bei den CeiberWeibern wurde natürlich laufend Neues reingestellt (ein paar Tipps am Ende dieses Beitrages). Nun aber in medias res: die ÖVP versendet stolz Mailnewsletter, dass sie als erste Partei von einem Parteitag per Blog berichten liess, von diesen fünf extra eingeladenen Bloggern:
http://www.helge.at/ (natürlich Helge :-)
http://www.sierralog.com/ (Dieter)
http://heinz.typepad.com/lostandfound/ (Heinz)
http://www.zurpolitik.com/ (Tom)
http://dibo.awardspace.com/mygfx.at/index.php?s=b_Blog /(Georg)

Es gibt sogar, vermelden die Schwarzen, Videos bei Youtube (wenn auch nur zwei und in der Qualität, die eine nicht für Videos geeignete Digitalkamera aufzeichnet).

Alles ganz neu und modern also? Finden wir nicht unbedingt, da wir an Zitate aus den Blogs Aussagen von Andrea Kdolsky anschliessen, die frischer Wind unter den StellvertreterInnen Molterers als Parteichef sein soll.

Im Übrigen haben die Blogger alles sehr scharf beobachtet - auch ihren eigenen Zwiespalt: mit Lobhudelei (die von ihnen ohnehin nicht zu erwarten gewesen wäre) hätten sie die ÖVP als reine Machtpartei dargestellt. Mit Kritik (die ehrlich gemeint ist) verhelfen sie ihr aber zu einem Feigenblatt.

Zur "Erneuerung" durch Personen in Funktionen, die sie bisher nicht hatten (wirklich "neu" erscheint ja nur Kdolsky, die eben erst Ministerin wurde), kann ich auch noch einige persönliche Beobachtungen beitragen: Mit einigem Amüsement nahm ich zur Kenntnis, dass Christian Buchmann, Landesrat in der Steiermark, nun offenbar einen weiteren Karrierehüpfer gemacht hat, gilt er doch in der grünen Mark als Zukunftshoffnung. Irgendwie ausgleichende Gerechtigkeit, dass Kdolsky als Frau das in wenigen Monaten erreicht, wofür ein Mann mehr als sein halbes Leben brauchte.

Christian Buchmann war nämlich mein Mitschüler am Gymnasium in Graz und ist mir als einer jener Menschen in Erinnerung, die eigentlich nie "jung" waren. Dies ist freilich nicht parteigebunden, da etwa die Schriftstellerin Erica Fischer nach ihrem kurzen Zwischenspiel bei den Grünen vor mehr als 20 Jahren im Buch "Männer" einen jungen Grünen als "wie ein 60jähriger agierend" (sinngemäss zitiert) beschrieb. (Nebenbei bemerkt lasen einige Frauen bei den Grazer Grünen, darunter auch ich, diese Passage mehrmals unter schallendem Gelächter, wussten wir doch, wer darin beschrieben wurde - er sitzt heute im Parlament und sieht noch genau so aus wie damals und ist auch noch genau so :-)

Auch Buchmann sieht so aus wie einst in der Schule, nur die Brille hat sich geändert, mehr im Darabos-Stil und damit zeitgemäss. Im Wordrap auf der ÖVP-Seite wird gegen die "Roten" gestichelt, aber auch betont, dass der Landesrat einen roten Kater hat (und ich einen schwarzen, siehe Blogwappentier :-). Ich erinnere mich, dass er zwar Klassensprecher war, sich jedoch schon in einer ÖVP-Organisation betätigte, vermutlich Mittelschülerkartellverband. "Betätigen" in Bezug auf ungerechte Lehrer war nicht gerade angesagt, das überliess er lieber anderen. Es gab bspw. einen (einzigen!) Chemielehrer, der immer entweder die ersten oder die letzten im Alphabet dranzunehmen pflegte, die gerade atemlos um acht Uhr im Chemiesaal oben unter dem Dach ankamen. Dadurch hatten jene Schülerinnen dann immer eine Vier in diesem Fach, was ich mir nicht gefallen lassen wollte (als eine der Betroffenen), sodass ich zum Klassenvorstand ging, der Deutsch und Geschichte unterrichtete.

Dieser Lehrer war nicht so ganz der Fall Buchmanns, da er auf Verstehen setzte und nicht auf reines Auswendiglernen. Buchmann und andere "Konformisten" fanden nicht gut, dass es dem Lehrer beispielsweise nicht auf das sture Herunterrattern von Jahreszahlen ankam, sondern auf den Kontext. Jahreszahlen konnten solche Schüler liefern (oft mit Einsagen), aber nicht den Zusammenhang und das Drumherum. Ob die Buchmann-Mutter auch zu den "Notenbettlerinnen" gehörte, weiss ich nicht mehr, war dies doch weit verbreitet und betraf die Mehrheit der Mütter. Meine hatte, leicht zu erraten, Besseres zu tun, da die Schule ganz allein meine Sache war.

Das hatte natürlich den Vorteil, dass ich nie wegen Noten lügen musste (und auch selten Grund gehabt hätte), zugleich waren aber weder bestandenes Schuljahr noch Matura etwas Besonderes und schon gar nicht Anlass für teure Geschenke (die sich meine Eltern auch gar nicht hätten leisten können). Nach der Schule war zu hören, dass Buchmann zielstrebig an einer Parteikarriere arbeitete, sich dabei auch mal gesundheitlich übernahm (anstrengende Selbstverleugnung, meinte ich damals etwas zynisch - aber wahrscheinlich war er immer so, wie es eine Partei braucht, formbares Material).

Zu den Lehrern, die er ablehnte, gehörte auch unser Englischprofessor, der offenbar ein Linker war, was an einer konservativen Schule eine Seltenheit darstellte (immerhin hatte ein Lehrer, wie sich später herausstellte, Hitlerbilder zuhause an der Wand hängen). Ich weiss noch, wie Buchmann und andere "litten", als wir uns ein Spottlied auf Ronald Reagan anhören und es analysieren mussten. Ich und ein paar andere hatten da endlich mal Oberwasser, da ein Lehrer auf unserer Seite stand. Interessanterweise waren aber manche LehrerInnen viel toleranter als konservative Schüler, etwa als ein Mitschüler sich die Haare lang wachsen liess oder als ich weisse Hemden meines Grossvaters mit Textilstiften verzierte oder mit einem Tuch ankam, das mein bergsteigender norwegischer Onkel aus Afghanistan mitbrachte und das als "PLO-Tuch" galt.

Natürlich war ich eine "Emanze", das musste frau ja sein, wenn sie nicht mit Augenaufschlag um gute Noten betteln, sondern für Verstehen bewertet werden wollte. Vor der Matura las ich die erste "Emma", die den Schwerpunkt Koedukation hatte, wozu ich einiges zu sagen hatte (und es auch in einem Referat tat). Es mag bisher so geklungen haben, als hätte ich mich damals noch nicht für Politik interessiert, doch dies war keineswegs der Fall. Meine Eltern hatten das "Extrablatt" abonniert, bei dem ich mich natürlich zuerst auf die Deix-Karikaturen stürzte, dann aber alle Artikel las. Ich argumentierte gegen Zwentendorf und war sauer, dass ich nicht abstimmen durfte, ich war bei meiner ersten Demo dabei, als es um mehr Radwege in Graz ging. Ich bedauerte, dass es die Partei, die ich wählen wollte, in Österreich noch nicht gab - die Grünen....

Vermutlich würde mich Molterers Stellvertreter Christian Buchmann gar nicht erkennen, etwa bei einer Pressekonferenz in Wien. So ist es aber oft - Frauen, deren Weg nicht so vorgegeben ist, die keine Karriere nach Schema F machen können, verändern sich immer wieder, innerlich wie äusserlich. Solange dies nicht auch Männer viel mehr tun, ändert sich gesellschaftlich recht wenig. Der Weg meines Ex-Mitschülers entspricht dem, was ich zuvor mitbekam bei einer Familie, die in der gleichen Neubausiedlung in Graz wohnte wie wir. Da war eine nette Frau, die von den Kindern wissen wollte, wie sie zu verschiedenen Dingen stehen, etwa, ob sie aufgeklärt wurden. Von meinen Eltern erfuhr ich, dass dieses Interesse reines Kalkül war - dies gehörte offenbar zu den Pflichten der Ehefrau eines Mannes, der politische Karriere machen wollte. Später, lange nach meiner Teenager-Zeit, wurde er auch Landesrat in der Steiermark, fiel dann allerdings in Ungnade....

Der immer noch übliche Karriere-Weg stellt eben nicht Überzeugungen in den Mittelpunkt, sondern alles, was der Karriere dient. Dazu gehört irgendwann vielleicht auch, die Augen vor Dingen zu verschliessen, die in die Katastrophe führen - so kommen Skandale zustande, wo "die Öffentlichkeit" dann fassungslos scheint: Wie konnte DAS denn passieren? Wie konnten die alle wegschauen und zustimmen? Sie konnten, weil sie sich als Person von der Funktion trennen, weil sie sich nicht als Verantwortliche und GestalterInnen erleben, weil es nicht ihr Ding ist, für das sie sich ungeachtet dessen einsetzen, ob es ihnen materielle Vorteile bringt oder an das sie glauben.

Und jetzt das Neue bei den Ceiberweibern:

Das Kindergeld ist in Diskussion - letzte Woche wurden Studien präsentiert und u.a. mit Frauenministerin Bures debattiert.
Ehe ohne Grenzen demonstriert seit einem Jahr immer wieder gegen das unfaire Fremdenrecht.
Aus der Zeit ist ein toller, nachdenklich machender Film über aussterbende Geschäfte.
Ver-rückte Frauen befasst sich mit Normen, die nach wie vor zum Schaden von Frauen ausgelegt werden.
Die letzte öffentliche Hinrichtung in Deutschland betraf eine Frau - Grete Beier, die zwischen zwei Männern stand und zu Gift griff.
Zum Lesen: Ursula K. Le Guins Romane und speziell die "Geschichten aus Orsinien".
Wie Medien Gewalt verharmlosen am Beispiel von "Heute", "Österreich" und ORF
Toll oder flau? - "Mitten im 8ten"

und vieles mehr :-)

01.04.07

Verrückte Welt

Ich wollte nicht wieder Meldungen zu einem möglicherweise unmittelbar bevorstehenden Krieg sammeln - da hängt man nämlich erst recht lange im Web, weil ja Infos abseits des Medien-Mainstreams erst gefunden und dann auf deutsch zusammengefasst werden wollen. Aber angesichts dessen, was uns so etwa vom ORF vorgesetzt wird, bleibt mir wohl nix anderes übrig :-).

Da war (ich glaube am Freitag abend, 30.3.) zu hören, dass das Zeigen der gefangenen BritInnen "psychologische Kriegführung" sei und dass die maritimen Grenzen zwischen Iran und Irak "eindeutig" seien. Was von Letzterem zu halten ist, weiss Craig Murray, ehemals britischer Botschafter in Usbekistan und früher im Aussenministerium zuständig für Marineangelegenheiten, mithin also ein Experte.

Zur "psychologischen Kriegführung" muss auch ich an die Bilder von Abu Ghraib und Guantanamo denken und übergebe an Terry Jones von den Monty Pythons. Besser, als er im Guardian kommentierte, was demütigend ist und Menschenrechte verletzt, könnte ich es auch nicht ("Call That Humiliation?"). Jones schreibt nämlich derart (über die Gefangene Faye Turney): What is so appalling is the underhand way in which the Iranians have got her "unhappy and stressed". She shows no signs of electrocution or burn marks and there are no signs of beating on her face. This is unacceptable. If captives are to be put under duress, such as by forcing them into compromising sexual positions, or having electric shocks to their genitals, they should be photographed, as they were in Abu Ghraib. The photographs should then be circulated around the civilised world so that everyone can see exactly what has been going on.

Man zog den Gefangenen keine Plastiktüten über den Kopf, man liess auch ihre Angehörigen nicht fünf Jahre im Ungewissen, ob sie noch leben - kurzum, man behandelt sie nicht nach den in Abu Ghraib und Guantanamo verwirklichten westlichen Standards. Nunja, lässt sich ergänzen, und WENN sie sich auf iranischer Seite befanden (bei nicht ganz klaren Grenzverläufen ist, das hab' ich aus Murrays Texten, nach internationalen Konventionen die Mitte zwischen dem Festland als Grenze zu betrachten), dann ist es zwar nicht sehr nett, aber durchaus legal, SoldatInnen festzunehmen.

Zuerst war ja davon die Rede, dass sie ein IRANISCHES Schiff untersuchten, ehe sie aufgegriffen wurden, dann verschwand der Zusatz IRANISCH aus den Berichten. Der Guardian zeigt übrigens (davon können sich österreichische Medien was abschauen), was Meinungsvielfalt ist, siehe das Iran-Dossier mit ganz unterschiedlichen Kommentaren. Als Alternative bieten sich auch englischsprachige russische Portale an, die neben russischen Nachrichten Kommentare aus aller Welt spiegeln. Bei einem dieser Portale erfährt man gerade, dass der Iran ankündigte, demnächst "Fortschritte" im Bereich des Atomprogrammes bekanntzugeben.

Das nennt man wohl Öl ins Feuer giessen (wenngleich jeder Staat das Recht hat, Atomkraftwerke zu bauen, da sie sich bislang leider nicht weltweit ächten liessen). Mittlerweile schreibt auch die Jerusalem Post, dass Karfreitag (6. April) der Tag des ersten Angriffes der USA auf den Iran sein kann. Zwar beruft man sich auch hier auf russische Aussagen, doch kann dieses Zitieren bedeuten, dass genau darauf vorbereitet werden soll. Bisher war ja in den USA, in Kanada und in Israel in Medien offen zu lesen, dass der Iran attackiert werden soll.

Am Wochenende haben amerikanische Flugzeuge angeblich (und wieder einmal) iranischen Luftraum verletzt. Tony Blair könnte demnächst im Gefängnis sein, ist ein iranischer Kommentar zum Konflikt mit den Briten. Im Text wird auf den bekannten Journalisten und Dokumentarfilmer John Pilger verwiesen, der am 1.2.2007 den Artikel "Iran: A war is coming" veröffentlichte. "The war on Iran" nennt Michel Chossudovsky seinen neuesten Text vom 1.4.2007, in dem er die amerikanischen "war games" im Persischen Golf beschreibt: The maneuvers coupled with the unfolding "Iran Hostage Crisis" constitute an act of provocation on the part of the Anglo-American military alliance.

Chossudovsky erwähnt auch die russischen Vermutungen und meint dazu: While the Russian report must be taken seriously, there is, however, no corroborating evidence, which would enable us to pinpoint the exact timeline of a military attack on Iran. Moreover, there are several important factors which suggest, from a military organizational standpoint, that unless we are dealing with a case of sheer political madness, the Pentagon is not ready to launch an attack on Iran. Also kein Grund zur Panik? Nun, ebenso wie die Jerusalem Post und andere darauf einstimmen, dass es bald losgehen könnte, gibt es Aufforderungen, der Iran möge als erster gegen amerikanische Schiffe losschlagen (in der Annahme, Russland würde abgefangene US-Kommunikation an den Iran weiterleiten).

Zu den Stimmen der Vernunft gehören die Veteran Intelligence Professionals for Sanity. Sie meinen u.a.: The British are refusing to concede the possibility that its Marines may have crossed into ill-charted, Iranian-claimed waters and are ratcheting up the confrontation. At this point, the relative merits of the British and Iranian versions of what actually happened are greatly less important than how hotheads on each side-and particularly the British-decide to exploit the event in the coming days.

There is real danger that this incident, and the way it plays out, may turn out to be outgoing British Prime Minister Tony Blair's last gesture of fealty to President George W. Bush, Vice President Dick Cheney, and "neo-conservative" advisers who, this time, are looking for a casus belli to "justify" air strikes on Iran. Bush and Cheney no doubt find encouragement in the fact that the Democrats last week refused to include in the current House bill on Iraq war funding proposed language forbidding the White House from launching war on Iran without explicit congressional approval.

Der Iran hat der Atomenergiebehörde in Wien bekanntgegeben, dass er nun Informationen über Anlagen zurückhalten wird, weil Angriffe der USA und Israels befüchtet werden. Nicht zu Unrecht, sprechen doch Szenarien davon, dass unterirdisch liegende Anlagen mit "Mini-Nukes" bombardiert werden sollen. Nun wollen wir den Reigen der Links beenden mit einem Hinweis auf einen Kommentar von Justin Raimondo von Antiwar.com (einer Webseite, die ich bereits während des Kosovokrieges 1999 entdeckte, wie manch andere Seiten auch...).

Zum Weiterlesen auch: Wird der Iran am Karfreitag angegriffen? auf der Ceiberweiber-Seite....