Zu Beginn der Sendung "Im Zentrum" am 9.12.2007 wurde der Afrika-Korrespondent des "Spiegel", Thilo Thielke, telefonisch zugeschaltet, der gerne Leni Riefenstahl zitiert. Er sprach von einer angespannten und fragilen Lage, der man nicht besonders vertrauen solle. Unzugänglich und lebensfeindlich sei die Gegend, der Einsatz sei von jenem in Darfur nicht zu trennen. Man werde leicht instrumentalisiert und gerate zwischen die Fronten, auch da es unklar sei, was die Rebellen im Schilde führen (notfalls das "profil" fragen? die scheinen einen guten Draht zu ihnen zu haben :-)
Dies mag anschaulich klingen, ist aber vor allem vage und stimmt atmosphärisch auf die Diskussion ein. Unweigerlich erscheint, wenn man keine kritische Haltung einnimmt, die Mission als unmögliches Unterfangen. Heinz Assmann, der Kommandant der im Tschad eingesetzten ÖsterreicherInnen meint, die Lage werde seit Monaten auch im Austausch mit anderen teilnehmenden Staaten bewertet. Selbstverständlich werden die SoldatInnen geschützt, unter anderem mit kugelsicheren Westen (dass man dies noch erwähnen muss, zeugt vom erzeugten Bild des Einsatzes).
Die EU-Truppe dient nur dem Schutz der Flüchtlinge und der Wirksamkeit der UN-Mission zur Versorgung dieser Menschen. Außerdem werden die Grundlagen für den Aufbau einer Polizeitruppe der UN geschaffen, die dann übernehmen soll. Verteidigungsminister Norbert Darabos nennt die Diskussion in Österreich eigenartig, so als handle es sich beim Einsatz um sein Privatvergnügen (allerdings hat ein Minister sicher noch verschärfte mediale und oppositionelle Bedingungen, der im Sommer ein nationales Sicherheitsinteresse der USA, den geplanten Raketenschild zu kritisieren wagte - was ihn aber in keiner Hinsicht einschränken sollte, denn wo samma denn? das ist unser Land!).
Alle 27 EU-Staaten haben den Einsatz beschlossen, der laut Mandat dem Schutz von Zivilpersonen und Flüchtlingen dient und humanitäre Hilfe erleichtern soll. 20 EU-Staaten beteiligen sich daran, und fehlende Humanität konnte man Österreich noch nie vorwerfen. "Ich habe gesehen, welches Elend dort herrscht", meinte Darabos. "Herr Pilz war in Paris, ich war im Tschad." Peter Pilz von den Grünen, der zumindest an Innenministern schon mal direkt fehlenden Kniefall vor US-BotschafterInnen kritisiert (z.B. in seinem Tagebuch am 15.2.007), sagt nun immerhin, dass man sich in den Grundfragen einig sei und das Flüchtlinge auch militärischen Schutz brauchen können.
Er bezieht sich auf den eingangs zugeschalteten Spiegel-Reporter, der den entscheidenden Grund dagegen anspricht, die politische Situation (womit Pilz vor allem unsere Neutralität meint). Er war in Paris, sagt er mit der typischen schneidende Stimme, wenn er ein potenzielles Opfer ins Visier nimmt, da Darabos und Außenministerin Ursula Plassnik nicht voll über das Risiko informiert sind. Der Tschad sei nämlich in Wahrheit ein Landflugzeugträger der französischen Armee, da Frankreich den Diktatur stütze. Der multinationale Mantel von EUFOR verschleiere eine französische Aktion. Man sei an der Seite Frankreichs im Bürgerkrieg und an der Seite des Diktators.
Minister Darabos, der eindeutig aus einer anderen Welt stammt als Peter Pilz, weist die unwahren Behauptungen zurück und betont nochmals, das EUFOR unabhängig auf der Basis eines UN-Mandats agiert. Er lasse sich bestimmt nicht auf eine Diskussion ein, in der Pilz falsche Behauptungen aufstellt. Was den vermeintlichen Kampf von Peter Pilz um die angeblich ausgerechnet durch Minister Darabos gefährdete Neutralität betrifft, sei nur an eines erinnert:
"Die Forderung nach der ersten amerikanischen Militärintervention in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg wurde in Österreich, dem neutralen Nachbarland Jugoslawiens, über den Grünexponenten Peter Pilz gestellt. Kritik daran war in Medien tabu (wie heute Kommentare pro Neutralität und pro Darabos' Handlungen als souveräner Minister eines souveränen Staates tabu sind), grüninterne KritikerInnen wurden mit wie von unsichtbarer Hand verfassten Beiträgen diskreditiert und manche auch ausgehorcht." (Wie die Grünen wurden wie sie sind, September 2007).
Die Journalistin Marie-Roger Biloa ist erstaunt, dass Armeen offenbar nur dort hingehen sollen, wo kein Risiko besteht. Man sagt aber dauernd, man müsse was tun und habe Verantwortung als Mitmensch. Das ist anscheinend im Kosovo kein Problem, da gibt es keine Debatte, was Österreich dort verloren hat. Darabos bekräftigt nochmals, dass es sich um eine humanitäre Mission handelt, was Pilz naturgemäss und seiner Agenda entsprechend kaltlässt. Man dürfe nicht kompensieren, indem man auf das Elend der Menschen verweist. Pilz würde nicht einmal als Kompensation die Not anderer Menschen erwähnen, da können wir uns sicher sein.
Die Frage sei eindeutig mit Ja zu beantworten, dass man in diesen Konflikt auf der Seite Frankreichs steht (tut es ihm leid, dass die USA an keiner Mission im Tschad beteiligt sind? wurde wieder einmal einer Botschafterin oder einem stellvertretenden Botschafter die Huld verweigert?). Er war in Paris, betont Pilz nochmal, der sich anscheinend so viel Mühe gibt wie Medien, die vor Ort im Tschad gegen den Einsatz recherchieren. Pilz in Flüchtlingslager und sichtbar betroffen wäre ja auch eine absurde Vorstellung. Ob sich Darabos über die französische L'Epervier-Operation informiert habe, die die Hauptstadt des Tschad schützt.
Der Minister habe ein politisches Problem, woraus Pilz dann auch macht, dass Darabos selbst ein politisches Problem sei (für wessen Politik? diesseits oder jenseits des Atlantik?). Man habe ihn in gutem Glauben hineingestossen, will Pilz seinem potenziellen Opfer dann auch noch den Hieb verpassen, dass er ja nicht ganz für seine Handlungen Rechenschaft ablegen könne. Darabos fehlen der Zynismus und die Menschenverachtung von Pilz, sodass er relativ verhalten reagiert: "Glauben Sie, ich als Verteidigungsminister weiss das nicht?" Tatsächlich herrscht, was auch durch die seltsame Art der Berichterstattung zustande kommt, vielfach die Ansicht, man betreibe im österreichischen Verteidigungsministerium nicht die in aller Welt übliche gründliche Einsatzvorbereitung.
Ganz so, als sei Darabos angewiesen auf die Zettel, die Pilz immer wieder aus seiner Mappe zieht, und wüßte nicht ein X-faches über den Einsatz und die Kapazitäten des Heeres als Pilz. Darabos verweist nochmals darauf, dass EUFOR Stabilität bieten soll für den Schutz der Flüchtlinge und sonst nichts. Die Grünen hatten komischerweise nichts gegen einen Afghanistan-Einsatz unter NATO-Kommando, sodass Pilz unseriös agiere und die eigene Partei in Geiselhaft nehme. Peter Fichtenbauer von der FPÖ verweist auf die gute Tradition von Einsätzen unter UN-Mandat, durch die Österreich bewiesen habe, dass es sich an humanitären Missionen beteiligt.
Diese müssten aber jedesmal neu bewertet werden, das Humanitäre dürfe nicht alle anderen Punkte überdecken. Üblicherweise gibt es UN-Mandate, wenn kriegerische Auseinandersetzungen bereits mehr oder weniger beendet sind. Hier handelt es sich aber um ein Bürgerkriegsgebiet, für das der Einsatz zu gering dimensioniert sei. Außerdem versteht sich EUFOR zwar als neutral, doch wird dies von anderen Parteien nicht akzeptiert. Fichtenbauer war recht sachlich und brachte nachvollziehbare Kritik - was eigentlich von der angeblichen Menschenrechtspartei Grüne zu erwarten sein müsste.
Vom UNHCR war Roland Schönbauer eingeladen, der anschaulich das Leben der Menschen in den Lagern schilderte. Die Lage habe sich für sie in den letzten Wochen sehr verschlechtert. Frauen werden vergewaltigt, wen sie außerhalb der Camps Feuerholz suchen, Männern getötet, wenn sie Ziegen auf die Weide treiben. Mit Polizeikräften und durch Selbstorganisation der Flüchtlinge kann man hier keine Sicherheit herstellen. Es braucht das Militär, und sowas sagt gerade das UNHCR nicht leichtfertig. Er fragt die blaugrüne Opposition, wie sie Flüchtlingen helfen wolle, und meint, EUFOR müsse die Neutralität der Mission kommunizieren.
Es gebe marodierende Truppen, die auch über die Grenze in den Sudan nach Darfur wechseln. Wenn nicht bald etwas geschieht, müsse das UNHCR die Hilfe einschränken, und das wird dann auch viele Menschenleben kosten. Assmann spricht ebenfalls von Frauen und Kindern, die vergewaltigt und verschleppt werden, wenn sie die Lager verlassen. Die allerersten SoldatInnen, unter denen sich auch unsere befinden, werden eine Informationskampagne machen, damit alle wissen, dass die Mission nur der Sicherheit der Flüchtlingslager dient. Man verwendet keine Native Speaker, da diese auch eigene Spielchen spielen könnten, sodnern eigene Dolmetscher.
Peter Pilz fängt wieder damit an, dass man in einen bürgerkriegsartigen Konflikt komme und darauf vorbereitet sein müsse, und erklört dem Kommandanten, was Sache ist. Wenn man ihm zuhört, möchte man meinem, er wolle locker nicht nur Minister Darabos, sondern auch den Generalstab, die Einsatzplanung und alle 160 SoldatInnen ersetzen, so gut scheint er sich eigener Einschätzung nach auszukennen und zu wissen, was zu tun ist. Vor allem hat er auch eine Menge an der Ausrüstung des Heeres auszusetzen, gegen die er sich allerdings meist wandte, wenn es um Neuanschaffungen ging. Unsägliche Schlamperei und noch nie eine derartig schlampige Vorbereitung erlebt (hat er denn je eine Vorbereitung direkt erlebt?) und ein angebliches, aber wieder einmal unwahres Angebot nicht wüstentauglicher Hubschrauer durch den Minister gehört zu seiner weiteren Munition.
Darabos verwehrt sich dagegen, dass pausenlos Fakten ignoriert werden und erwähnt nochmals die Ziele der Mission, den Schutz von Zivilpersonen, Flüchtlingen, UN-Personal. Er habe mit vielen MitarbeiterInnen in Lagern geredet, die ihn, was er nicht gerne so deutlich sage, händeringend um Hilfe gebeten hatten. Die zitierte US-Studie (mit zweifelhafter Intention) gehe von der falschen Voraussetzung aus, es gehe um mehr als um Sicherheit zwischen den Lagern. Die Grünen hätten auch dem Afghanistan-Einsatz zugestimmt, der Anfang 2002 nach nur einem Monat Vorbereitung startete, erinnert Darabos.
Das "profil" brachte schon ein Rebelleninterview, das eigenartigerweise neben Frankreich nur Österreich und nicht 18 weiteren EU-Staaten drohte (wobei ich nirgendwo explizite Drohungen gegen diese anderen Ländern fand). Nun machte, sagt Moderatorin Ingrid Thurnher, diese Rebellen wiederum im "profil" Darabos ein Angebot, er solle doch für Friedensverhandlungen sorgen. Der Minister meint, genau in diese Falle einer Parteilichkeit werde er nicht gehen, sodass er das Schrieben an die EU weitergeleitet haben. Wenn er sich da einmische, sei dies genau das falsche Signal.
Man versucht also mit allen (auch leicht durchschaubaren) Mitteln, ihn zu desavouieren, sodass er für sich eigentlich nur die Entscheidung treffen kann, sich in keinster Weise einschüchtern und beirren zu lassen oder gar seine Integrität einzubüssen. Es gibt für alles eine Gegenstrategie, sodass Querschüsse nach hinten losgehen - oder auch mal überraschenderweise darauf verzichtet wird, weil man sich schon denken kann, dass etwas so schwer nach hinten losgeht, dass man es gar nicht erst versucht. Immerhin ist die Republik Österreich souverän und neutral, es gilt die Bundesverfassung einschliesslich der Europäischen Menschenrechtskonvention auch für Bundesminister...
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10.12.07
06.12.07
Nachts im Parlament
Am 5.12.2007 bzw. eigentlich schon am 6. Dezember konnte man via Web mitverfolgen, wie über den EUFOR-Einsatz des Bundesheeres im Tschad diskutiert wurde. Die FPÖ stellte einen Misstrauensantrag gegen Verteidigungsminister Norbert Darabos, weil dieser angeblich damit die Neutralität verletze. Ausgerechnet die "NATO-Partei" unterstellt so ziemlich der letzten Person, der man dies zu Recht nachsagen könnte, eine Affinität zur NATO.
Das Plenum begann viele Stunden zuvor mit einer Fragestunde mit Frauen- und Medienministerin Doris Bures, bei der sie sich zur Unabhängigkeit des ORF und zu Qualitätsansprüchen bekannte. Wie der ORF selbst seine Unabhängigkeit sieht, zeigt die Art und Weise, wie auf orf.at über den Misstrauensantrag berichtet wird: "Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) darf weitermachen. Der Nationalrat lehnte kurz nach 1.00 Uhr Nacht einen von der FPÖ eingebrachten Misstrauensantrag gegen den Ressortchef ab."
Darf weitermachen? Seit wann ist dafür maßgebend, was die FPÖ fordert? Über Misstrauensanträge gegen andere MinisterInnen wird nicht in diesem beinah enttäuschten Tonfall berichtet. Es geht aber in dem Stil weiter: "FPÖ-Wehrsprecher Peter Fichtenbauer begründete sein Begehr damit, dass mit dem Einsatz im Tschad die österreichischen Soldaten fahrlässig gefährdet würden. Darabos selbst verteidigte einmal mehr die geplante Mission." Immerhin wird dann erwähnt, dass der Minister humanitär argumentiert und meint, es wäre "ein Verbrechen an der Menschlichkeit" wegzusehen.
"Unterstützt wurde er auf der Regierungsbank auch zu nächtlicher Stunde - neben dem Verteidigungsminister saßen Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), Infrastrukturminister Werner Faymann (SPÖ) sowie Frauenministerin Doris Bures (SPÖ)." Vermutlich ist das symbolisch notwendig, wenn der Widerstand gegen den Einsatz auf einer unehrlichen Ebene läuft, was der Minister auch mehrmals ansprach - und wir können annehmen, dass auch die abwesenden MinisterInnen Schmied, Berger und Buchinger ihren Regierungs- und Parteikollegen nicht im Stich lassen.
"Das BZÖ fand jede Menge Punkte, warum Misstrauen gegen Darabos angebracht sei und schloss sich der FPÖ an. Vor allem kritisiert wurde, dass die Kosten für den Tschad-Einsatz nicht absehbar seien und diese auch noch dem Bundesheer mit seinem ohnehin kargen Budget umgehängt würden." So endet die Nachricht des ORF, die doch deutlich mit der Kritik am Minister und seiner Politik sympathisiert. Wir dürfen gespannt sein, wie über die Fragestunde am 6.12. mit Außenministerin Ursula Plassnik berichtet werden wird, bei der es auch stark um den Tschad-Einsatz ging. Die Ministerin verteidigt die Mission ebenso und war auch an ihrem Zustandekommen beteiligt - allerdings bislang ohne Misstrauensantrag.
Aber der 6.12. bedeutet ja einen weiteren langen Plenartag, an dem der FPÖ noch etwas einfallen könnte (oder auch eingeflüstert wird). In der nächtlichen Debatte argumentierte Minister Darabos mehrfach mit dem humanitären Aspekt (u.a. damit, das Frauen vergewaltigt werden) und wunderte sich einmal mehr über die ganz andere Haltung von Medien und Opposition, die in keinem der anderen teilnehmenden Ländern ähnlich ist. Er verwies auf die Einstimmigkeit in der EU, die ja von der UNO ersucht wurde, Hilfsmaßnahmen im Tschad durch Peaecekeeper abzusichern. Die Grüne wandten dazu ein, dass dass EU-Parlament aber nicht so einmütig abstimmte, da die Grünen dagegen waren.
Die Grünen hätten ihren Anspruch auf moralische Autorität und Humanität verspielt, meinte Darabos zur fortwährenden Kritik. Seitens der SPÖ legte Klubobmann Josef Cap noch nach, indem er auf den Zusammenhang zwischen Asylgerichtshof-Debatte, die am Vormittag geführt wurde, und Flüchtlingen in Afrika hinwies. Einerseits soll als die Politik der Regierung menschenverachtend sein, andererseits aber ist man so menschenverachtend, Flüchtlinge im Stich zu lassen. Da distanzierte sich Peter Pilz dann doch recht deutlich vom xenophob motivierten Misstrauensantrag der FPÖ...
Ergänzung: Strache sieht das Ganze ganz anders als ich (gewissermaßen diametral entgegengegesetzt), wie eine Presseaussendung verrät:
Im "Falter" gibt es am 5.12. einen Kommentar von Minister Darabos zum Tschad-Einsatz
Ceiberweiber zu dieser Thematik u.a.:
Warum werden Österreichs Truppen von Rebellen bedroht? (explizit als Einzige neben den Franzosen)
Welchen Zweck hat die US-Studie zum Tschad-Einsatz? (Der Background des Autors offenbart keineswegs uneigennützige Interessen)
Anneliese Rohrer im "Kurier" gegen Minister Darabos (Beispiel für platte Medien-Argumentation)
Dazu passend: Gender und Peacekeeping und auch Asylpolitik, Sicherheit und Klimawandel
Im Web kann man Parlamentssitzungen übrigens hier verfolgen:
www.parlament.gv.at
www.ots.at
Das Plenum begann viele Stunden zuvor mit einer Fragestunde mit Frauen- und Medienministerin Doris Bures, bei der sie sich zur Unabhängigkeit des ORF und zu Qualitätsansprüchen bekannte. Wie der ORF selbst seine Unabhängigkeit sieht, zeigt die Art und Weise, wie auf orf.at über den Misstrauensantrag berichtet wird: "Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) darf weitermachen. Der Nationalrat lehnte kurz nach 1.00 Uhr Nacht einen von der FPÖ eingebrachten Misstrauensantrag gegen den Ressortchef ab."
Darf weitermachen? Seit wann ist dafür maßgebend, was die FPÖ fordert? Über Misstrauensanträge gegen andere MinisterInnen wird nicht in diesem beinah enttäuschten Tonfall berichtet. Es geht aber in dem Stil weiter: "FPÖ-Wehrsprecher Peter Fichtenbauer begründete sein Begehr damit, dass mit dem Einsatz im Tschad die österreichischen Soldaten fahrlässig gefährdet würden. Darabos selbst verteidigte einmal mehr die geplante Mission." Immerhin wird dann erwähnt, dass der Minister humanitär argumentiert und meint, es wäre "ein Verbrechen an der Menschlichkeit" wegzusehen.
"Unterstützt wurde er auf der Regierungsbank auch zu nächtlicher Stunde - neben dem Verteidigungsminister saßen Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), Infrastrukturminister Werner Faymann (SPÖ) sowie Frauenministerin Doris Bures (SPÖ)." Vermutlich ist das symbolisch notwendig, wenn der Widerstand gegen den Einsatz auf einer unehrlichen Ebene läuft, was der Minister auch mehrmals ansprach - und wir können annehmen, dass auch die abwesenden MinisterInnen Schmied, Berger und Buchinger ihren Regierungs- und Parteikollegen nicht im Stich lassen.
"Das BZÖ fand jede Menge Punkte, warum Misstrauen gegen Darabos angebracht sei und schloss sich der FPÖ an. Vor allem kritisiert wurde, dass die Kosten für den Tschad-Einsatz nicht absehbar seien und diese auch noch dem Bundesheer mit seinem ohnehin kargen Budget umgehängt würden." So endet die Nachricht des ORF, die doch deutlich mit der Kritik am Minister und seiner Politik sympathisiert. Wir dürfen gespannt sein, wie über die Fragestunde am 6.12. mit Außenministerin Ursula Plassnik berichtet werden wird, bei der es auch stark um den Tschad-Einsatz ging. Die Ministerin verteidigt die Mission ebenso und war auch an ihrem Zustandekommen beteiligt - allerdings bislang ohne Misstrauensantrag.
Aber der 6.12. bedeutet ja einen weiteren langen Plenartag, an dem der FPÖ noch etwas einfallen könnte (oder auch eingeflüstert wird). In der nächtlichen Debatte argumentierte Minister Darabos mehrfach mit dem humanitären Aspekt (u.a. damit, das Frauen vergewaltigt werden) und wunderte sich einmal mehr über die ganz andere Haltung von Medien und Opposition, die in keinem der anderen teilnehmenden Ländern ähnlich ist. Er verwies auf die Einstimmigkeit in der EU, die ja von der UNO ersucht wurde, Hilfsmaßnahmen im Tschad durch Peaecekeeper abzusichern. Die Grüne wandten dazu ein, dass dass EU-Parlament aber nicht so einmütig abstimmte, da die Grünen dagegen waren.
Die Grünen hätten ihren Anspruch auf moralische Autorität und Humanität verspielt, meinte Darabos zur fortwährenden Kritik. Seitens der SPÖ legte Klubobmann Josef Cap noch nach, indem er auf den Zusammenhang zwischen Asylgerichtshof-Debatte, die am Vormittag geführt wurde, und Flüchtlingen in Afrika hinwies. Einerseits soll als die Politik der Regierung menschenverachtend sein, andererseits aber ist man so menschenverachtend, Flüchtlinge im Stich zu lassen. Da distanzierte sich Peter Pilz dann doch recht deutlich vom xenophob motivierten Misstrauensantrag der FPÖ...
Ergänzung: Strache sieht das Ganze ganz anders als ich (gewissermaßen diametral entgegengegesetzt), wie eine Presseaussendung verrät:
"Offenbar drückt etliche Abgeordnete in SPÖ und ÖVP das schlechte Gewissen wegen des unverantwortlichen Tschad-Einsatzes", meinte heute FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache. Anders sei es nämlich nicht zu erklären, dass gestern nur 115 Abgeordnete der Regierungsparteien für diesen Kriegs- und Kampfeinsatz gestimmt hätten. Insgesamt hätten 34 Abgeordnete für den FPÖ-Antrag gegen die Entsendung unserer Soldaten nach Afrika gestimmt. (Anmerkung: Strache meint den Misstrauensantrag spät nachts)Wie sehr Strache am Boden der Realität ist oder doch nicht, zeigte ja auch eine Auseinandersetzung mit der SPÖ-Abgeordneten Bettina Stadlbauer, die sich darüber empörte, dass er Müttern die Schuld an Misshandlungen und Missbrauch von Kindern durch Männer gibt. Eben nach dem Motto, es sind immer die Frauen schuld am Verhalten von Männern - und getreu den Aktivitäten der FPÖ für "mehr Männerrechte".
Strache bezeichnete die mitternächtliche Debatte als hochinteressant. Hier seien die Emotionen zwischen Rot und Schwarz hochgegangen. Massenweise hätten sich SPÖ-, ÖVP- und Grün-Abgeordnete vor der Abstimmung über den Tschad-Einsatz und über den Misstrauensantrag gegen den Verteidigungsminister gedrückt, um sich bloß nicht deklarieren zu müssen. Peter Pilz wiederum habe sich dezidiert gegen den freiheitlichen Misstrauensantrag ausgesprochen und habe somit offenbar nichts gegen einen parteiischen Kampfeinsatz an der Seite der Franzosen. Pilzens Neutralitäts- und Glaubwürdigkeitslack sei damit endgültig abgeblättert.
Beim Misstrauensantrag habe zudem kein einziger ÖVP-Minister Verteidigungsminister Darabos auf der Regierungsbank gestützt. Obwohl Außenministerin Plassnik für den Kriegseinsatz federführend mitverantwortlich sei, habe sie sich in dieser Phase gedrückt und durch Abwesenheit geglänzt. Dies lasse einige Schlüsse über das Koalitionsklima zu, meinte Strache.
Im "Falter" gibt es am 5.12. einen Kommentar von Minister Darabos zum Tschad-Einsatz
Ceiberweiber zu dieser Thematik u.a.:
Warum werden Österreichs Truppen von Rebellen bedroht? (explizit als Einzige neben den Franzosen)
Welchen Zweck hat die US-Studie zum Tschad-Einsatz? (Der Background des Autors offenbart keineswegs uneigennützige Interessen)
Anneliese Rohrer im "Kurier" gegen Minister Darabos (Beispiel für platte Medien-Argumentation)
Dazu passend: Gender und Peacekeeping und auch Asylpolitik, Sicherheit und Klimawandel
Im Web kann man Parlamentssitzungen übrigens hier verfolgen:
www.parlament.gv.at
www.ots.at
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