06.12.07

Nachts im Parlament

Am 5.12.2007 bzw. eigentlich schon am 6. Dezember konnte man via Web mitverfolgen, wie über den EUFOR-Einsatz des Bundesheeres im Tschad diskutiert wurde. Die FPÖ stellte einen Misstrauensantrag gegen Verteidigungsminister Norbert Darabos, weil dieser angeblich damit die Neutralität verletze. Ausgerechnet die "NATO-Partei" unterstellt so ziemlich der letzten Person, der man dies zu Recht nachsagen könnte, eine Affinität zur NATO.

Das Plenum begann viele Stunden zuvor mit einer Fragestunde mit Frauen- und Medienministerin Doris Bures, bei der sie sich zur Unabhängigkeit des ORF und zu Qualitätsansprüchen bekannte. Wie der ORF selbst seine Unabhängigkeit sieht, zeigt die Art und Weise, wie auf orf.at über den Misstrauensantrag berichtet wird: "Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) darf weitermachen. Der Nationalrat lehnte kurz nach 1.00 Uhr Nacht einen von der FPÖ eingebrachten Misstrauensantrag gegen den Ressortchef ab."

Darf weitermachen? Seit wann ist dafür maßgebend, was die FPÖ fordert? Über Misstrauensanträge gegen andere MinisterInnen wird nicht in diesem beinah enttäuschten Tonfall berichtet. Es geht aber in dem Stil weiter: "FPÖ-Wehrsprecher Peter Fichtenbauer begründete sein Begehr damit, dass mit dem Einsatz im Tschad die österreichischen Soldaten fahrlässig gefährdet würden. Darabos selbst verteidigte einmal mehr die geplante Mission." Immerhin wird dann erwähnt, dass der Minister humanitär argumentiert und meint, es wäre "ein Verbrechen an der Menschlichkeit" wegzusehen.

"Unterstützt wurde er auf der Regierungsbank auch zu nächtlicher Stunde - neben dem Verteidigungsminister saßen Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), Infrastrukturminister Werner Faymann (SPÖ) sowie Frauenministerin Doris Bures (SPÖ)." Vermutlich ist das symbolisch notwendig, wenn der Widerstand gegen den Einsatz auf einer unehrlichen Ebene läuft, was der Minister auch mehrmals ansprach - und wir können annehmen, dass auch die abwesenden MinisterInnen Schmied, Berger und Buchinger ihren Regierungs- und Parteikollegen nicht im Stich lassen.

"Das BZÖ fand jede Menge Punkte, warum Misstrauen gegen Darabos angebracht sei und schloss sich der FPÖ an. Vor allem kritisiert wurde, dass die Kosten für den Tschad-Einsatz nicht absehbar seien und diese auch noch dem Bundesheer mit seinem ohnehin kargen Budget umgehängt würden." So endet die Nachricht des ORF, die doch deutlich mit der Kritik am Minister und seiner Politik sympathisiert. Wir dürfen gespannt sein, wie über die Fragestunde am 6.12. mit Außenministerin Ursula Plassnik berichtet werden wird, bei der es auch stark um den Tschad-Einsatz ging. Die Ministerin verteidigt die Mission ebenso und war auch an ihrem Zustandekommen beteiligt - allerdings bislang ohne Misstrauensantrag.

Aber der 6.12. bedeutet ja einen weiteren langen Plenartag, an dem der FPÖ noch etwas einfallen könnte (oder auch eingeflüstert wird). In der nächtlichen Debatte argumentierte Minister Darabos mehrfach mit dem humanitären Aspekt (u.a. damit, das Frauen vergewaltigt werden) und wunderte sich einmal mehr über die ganz andere Haltung von Medien und Opposition, die in keinem der anderen teilnehmenden Ländern ähnlich ist. Er verwies auf die Einstimmigkeit in der EU, die ja von der UNO ersucht wurde, Hilfsmaßnahmen im Tschad durch Peaecekeeper abzusichern. Die Grüne wandten dazu ein, dass dass EU-Parlament aber nicht so einmütig abstimmte, da die Grünen dagegen waren.

Die Grünen hätten ihren Anspruch auf moralische Autorität und Humanität verspielt, meinte Darabos zur fortwährenden Kritik. Seitens der SPÖ legte Klubobmann Josef Cap noch nach, indem er auf den Zusammenhang zwischen Asylgerichtshof-Debatte, die am Vormittag geführt wurde, und Flüchtlingen in Afrika hinwies. Einerseits soll als die Politik der Regierung menschenverachtend sein, andererseits aber ist man so menschenverachtend, Flüchtlinge im Stich zu lassen. Da distanzierte sich Peter Pilz dann doch recht deutlich vom xenophob motivierten Misstrauensantrag der FPÖ...

Ergänzung: Strache sieht das Ganze ganz anders als ich (gewissermaßen diametral entgegengegesetzt), wie eine Presseaussendung verrät:
"Offenbar drückt etliche Abgeordnete in SPÖ und ÖVP das schlechte Gewissen wegen des unverantwortlichen Tschad-Einsatzes", meinte heute FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache. Anders sei es nämlich nicht zu erklären, dass gestern nur 115 Abgeordnete der Regierungsparteien für diesen Kriegs- und Kampfeinsatz gestimmt hätten. Insgesamt hätten 34 Abgeordnete für den FPÖ-Antrag gegen die Entsendung unserer Soldaten nach Afrika gestimmt. (Anmerkung: Strache meint den Misstrauensantrag spät nachts)

Strache bezeichnete die mitternächtliche Debatte als hochinteressant. Hier seien die Emotionen zwischen Rot und Schwarz hochgegangen. Massenweise hätten sich SPÖ-, ÖVP- und Grün-Abgeordnete vor der Abstimmung über den Tschad-Einsatz und über den Misstrauensantrag gegen den Verteidigungsminister gedrückt, um sich bloß nicht deklarieren zu müssen. Peter Pilz wiederum habe sich dezidiert gegen den freiheitlichen Misstrauensantrag ausgesprochen und habe somit offenbar nichts gegen einen parteiischen Kampfeinsatz an der Seite der Franzosen. Pilzens Neutralitäts- und Glaubwürdigkeitslack sei damit endgültig abgeblättert.

Beim Misstrauensantrag habe zudem kein einziger ÖVP-Minister Verteidigungsminister Darabos auf der Regierungsbank gestützt. Obwohl Außenministerin Plassnik für den Kriegseinsatz federführend mitverantwortlich sei, habe sie sich in dieser Phase gedrückt und durch Abwesenheit geglänzt. Dies lasse einige Schlüsse über das Koalitionsklima zu, meinte Strache.
Wie sehr Strache am Boden der Realität ist oder doch nicht, zeigte ja auch eine Auseinandersetzung mit der SPÖ-Abgeordneten Bettina Stadlbauer, die sich darüber empörte, dass er Müttern die Schuld an Misshandlungen und Missbrauch von Kindern durch Männer gibt. Eben nach dem Motto, es sind immer die Frauen schuld am Verhalten von Männern - und getreu den Aktivitäten der FPÖ für "mehr Männerrechte".

Im "Falter" gibt es am 5.12. einen Kommentar von Minister Darabos zum Tschad-Einsatz

Ceiberweiber zu dieser Thematik u.a.:

Warum werden Österreichs Truppen von Rebellen bedroht? (explizit als Einzige neben den Franzosen)
Welchen Zweck hat die US-Studie zum Tschad-Einsatz? (Der Background des Autors offenbart keineswegs uneigennützige Interessen)
Anneliese Rohrer im "Kurier" gegen Minister Darabos (Beispiel für platte Medien-Argumentation)

Dazu passend: Gender und Peacekeeping und auch Asylpolitik, Sicherheit und Klimawandel

Im Web kann man Parlamentssitzungen übrigens hier verfolgen:
www.parlament.gv.at
www.ots.at

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