Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, pinkelte er sich in die Hose und gab wie ein begossener Pudel auf. Mittlerweile lacht ganz Europa über den Bankräuber, der sich beim Interview mit ei- ner Zeitung in die Hose macht. Wolfgang Fellner in "Österreich", zitiert nach Günter Traxler im "Standard"
So ganz spurlos geht auch an einer eifrig arbeitenden "Einsiedlerin" nicht vorüber, was rundum so alles los ist. Hätte ich nicht die Seitenumstellung (Nr.367 war die zuletzt geprüfte / übernommene / weggeworfene CeiberWeiber-Seite, dh es stehen noch ca. 2000 an), wäre ich vielleicht am Nachmittag des 27. Februar in der Wiener Mariahilferstrasse gewesen. Mithin wäre ich am Szenario vorbeigekommen, das laut "Österreich" tags darauf a) hunderte b) tausende Schaulustige anzog (Wahrscheinlicheres bitte ankreuzen) und dutzende Medienleute ebenso. "Was is da los?" hätte ich sicher gefragt, mein Rad vorbeischiebend, wäre sicher ein bisserl stehengeblieben, aber dann weitergegangen.
Was hätte ich dort auch verloren, soll ich auch "schaulustig" sein? Journalistischen Auftrag hätte ich nicht verspürt, wobei ich es mir ja leichtmachen kann, da ich mit Chronik oder Lokalressort nichts zu tun habe. Fotos zu machen (sofern ich die Kamera mithätte) wäre mir auch irgendwie voyeuristisch vorgekommen, als Teilhabe am Leiden anderer, der Geiseln nämlich. Nunja, die Bilder von den Herumstehenden (hunderten? tausenden?) hätte ich zur moralischen Entrüstung verwenden können und selber gerade nur so lange bleiben, dass mein Verhalten nicht auch als Herumstehen bezeichnet werden kann.
Beim Standard ist im Medien-Teil eine heftige Diskussion entbrannt (besonders unter den UserInnen), was Journalismus darf und ob nicht alle Schuld der Polizei zuzuschieben ist. Das klingt ohne weitere Erklärung merkwürdig, außer man weiss, warum die Wogen so hochgehen: "Österreich" blieb es vorbehalten, längst geächtetes Reporterverhalten zu imitieren, obwohl seit Gladbeck in Deutschland 1988 allgemein bekannt ist, dass Journalisten Geiselnehmer nicht kontaktieren sollen. Damals löste gerade die mediale Einmischung eine Dynamik aus, der eine weibliche Geisel zum Opfer fiel.
"Österreich" rief gezielt in der BAWAG-Filiale in der Mariahilferstrasse an, zu der die Polizei die Telefonverbindungen nicht gekappt hatte, weil dies ja auch die Möglichkeit beinhaltet, mit dem Geiselnehmer zu verhandeln. (Übrigens riefen auch ahnungslose Bankkunden an, die erst aus den Medien erfuhren, was ablief.) Stolz brachte man das Gespräch mit dem Geiselnehmer auf der Webseite, um es wieder zu entfernen, als sich herausstellte, dass der vermeintliche journalistische Triumph Kritik von allen Seiten und eventuell ein Strafverfahren mit sich bringt. Im Blog von Peter Hörmannseder kann man noch nachlesen, wie dieses Telefonat verlief.
Weitere Kritik gibt's im beliebten "Das Österreich-Blog", wo die Fauxpas der besten Zeitung mit den besten RedakteurInnen gesammelt und zerpflückt werden. Irgendwie muss man schon ziemlich gaga sein (oder verzweifelt auf der Suche nach der Sensation, mit der man anderen Medien eine Nasenlänge voraus ist), um einen Geiselnehmer anzurufen. Es sollte Allgemeinwissen sein, dass man Kontakte der Polizei überlässt, die dafür geschult ist und alles vermeidet, was einen Täter provozieren kann, die Gefahrenabschätzung macht. Redakteur Arpad Hagyo hat zwar mal einen Kurs in Konfliktmanagement besucht, damit hat es sich aber auch schon. Er würde es nicht wieder so machen, sagt er u.a. im Interview mit DATUM, aber wegen der Reaktionen darauf.
Ein Bild wollte er sich machen, wie es da drinnen wohl zugeht, was das Österreich-Blog zur Frage veranlaßt, ob Journalisten in Zukunft in Abu Ghraib anrufen, um sich schlau zu machen. "Exklusiv: Täter am Telefon" titelte "Österreich" am 28.2. und zeigt den Mann im vollen DIN A-4 Format. "Er gab auf, weil er nicht aufs Klo durfte" ist eine weitere Titelschlagzeile mit Pfeil auf die nasse Stelle an der Hose. Vielleicht ist ihm ja einer abgegangen? "Täter im Interview" ist der zweite Hinweis darauf, dass (nur) Österreich mit ihm sprach. Auch die Geiseln kommen zu Wort, nach deren Einschätzung (in anderen Medien erwähnt) gerade der Anruf von Österreich ein besonders kritischer Moment war.
Gestern (als ich noch Küchenrolle, Milch, Salat etc. vorrätig hatte :-) war mein nur Computer-Tag, von wegen emsig an den Seiten arbeiten. So entging mir, was dankenswerterweise Leserin Judith mailte: "Österreich" schrieb nämlich am 1.3., dass die Freundin des Täters schuld trage, sie war "sein Untergang": Ich wurde heute von anderen Frauen in der Arbeit auf den in der Tageszeitung Österreich verfassten Artikel Geisel-Drama "Freundin war sein Untergang", der sich mit dem kürzlich verübten Banküberfall mit Geiselnahme befasst, hingewiesen. Diese Artikel ist zutiefst FRAUENFEINDLICH, und ist auch mit viel Toleranz betrachtet, in keinster Weise zu akzeptieren.
Der Frau wird nicht nur vorgeworfen, am Abrutsch ihres Ex-Freundes schuldig zu sein, es wird sich zusätzlich noch über ihren Beruf, und ihre optische Erscheinung in impertinenter Weise geäußert. Der Täter, der ja ohnedies bereits lange zuvor mehrmalig straffällig geworden ist, wird hauptsächlich als Opfer dargestellt, das ja „ gar keine andere Chance hatte, bei dieser Frau.“ Der Artikel implementiert, dass Kriminalität, Spiel- und Alkoholsucht, die Schuld der Frau sind.
Täglich werden Frauen von ihren Freunden mit Kind und Kegel sitzen gelassen, belogen, betrogen und misshandelt, ohne in der Folge einen Banküberfall zu begehen. Man fragt sich vor allem, weswegen die Tageszeitung die Frau anprangert. Wegen ihres Übergewichts, oder wegen ihres Berufes, oder weil sie sich erlaubt fortzugehen, anstatt hinter dem Herd zu stehen ??
Ich weiß nicht wo man anfangen soll, diesen Artikel zu kritisieren. Ich bitte Sie höflichst, selbst nachzulesen, und sollten sie meine Meinung teilen, soweit es ihnen möglich ist, Schritte einzuleiten. Ich finde ein derartig frauenfeindlicher Artikel hat in einer Tageszeitung nichts verloren. Schlimm genug, das einige Personen dies gut heißen, da er sonst nie gedruckt worden wäre.
Liebe Judith, nochmals vielen Dank - ein eingeleiteter Schritt ist, das Ganze zu kritisieren und diese nette Zuschrift zu veröffentlichen, der ich voll zustimme. Judith war auch so lieb, den "Österreich"-Text anzuhängen, den ich hier reinstelle (es gibt zwar einen Link dazu, aber "Österreich" tendiert gerade in der Geiselnehmer-Sache dazu, Texte schnell wieder zu entfernen): Nach wie vor ist das Geiseldrama Tagesgespräch. Jetzt wird das Motiv von Günther B. immer klarer. Familie und Bekannte äußern sich. Er wollte Aufmerksamkeit und Hilfe, der gelernte Maler war depressiv und hatte nicht geschlafen. In der Nacht davor war der 39-Jährige, dem auch die Ermittler eine schwere Lebenskrise attestieren, mit seinem jüngeren Bruder Robert unterwegs gewesen.
In einem Bordell zechten sie bis in die Morgenstunden, dann verließ er ihn, kaufte sich in einem Laden eine Spielzeugpistole, die täuschend echt aussah. Es folgte der ultimative Showdown. "Heute könnt’ Ihr was erleben", herrschte Günther B. die Bawag-Angstellten an. Der Rest ist bekannt. Auch, dass die Tat mit seiner Ex-Freundin zu tun haben muss. Nicht bekannt ist, wie sehr ihn der Bruch mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Michaela aus der Bahn geworfen hat – und welchen negativen Einfluss sie auf ihn ausgeübt haben soll. "Die ganze Familie war gegen die Michi. Sie war sein Untergang", ist sein zweiter Bruder Andreas B. überzeugt. Die Floridsdorferin hatte 130 Kilo – Günther B. hat eine Affinität für Übergewichtige – und arbeitete für eineHandy-Service-Hotline.
Die Frau dürfte eine ausgeprägten Neigung zum Fortgehen, zu Discos und zum Geldausgeben haben. Günther B. zerrann das Bare zwischen den Fingern, obwohl er sogar dreimal einen Toto-Zwölfer hatte. Er begann zu Spielen, hörte auf zu Sporteln, fing zu trinken und zu rauchen an. Dann nahm Michaela in kürzester Zeit 30 Kilo ab, ließ sich sogar den Magen abbinden, sie entfernte sich immer mehr und verließ ihn für einen anderen. Jetzt wurde der von Bekannten als zuvorkommend und hilfsbereit beschriebene Mensch zusehends introvertierter.
Und als Michaela ihm kürzlich ihre neuen Freund vorstellte, explodierte die in ihm tickende Zeitbombe. Die in Günther B. schlummernde Gewaltbereitschaft kam wieder zum Vorschein: Wie bekannt wurde, hatte er als 19-Jähriger in Meidling ein Pelzgeschäft überfallen (42 Monate Haft), in den 90er-Jahren schoss er in der Nordrand-Siedlung zwei Tage vor dem Jahreswechsel mit Silvesterknallern – die Polizei kam, Günther B. ließ sich nicht verhaften und leistete handfesten Widerstand: 10 Monate Haft. Wie viel wird er für den Geisel-Coup ausfassen?
Bleibt anzumerken: wenn ER sein Leben nicht auf die Reihe kriegt, SIE aber schon, ist SIE daran schuld. SIE schafft offenbar sogar, das einzige "Laster" Essen zu reduzieren, um abzunehmen, während ER sich "Laster" zulegt, raucht, spielt und trinkt. SIE hat einen Job trotz Fortgehen als Hobby, ER geht aus und hat keinen Job. Trotz der in ihm schlummernden Gewaltbereitschaft ist SIE schuld, dass die in ihm tickende Zeitbombe explodierte. Das Zauberwort ist IN IHM, nicht IN IHR.
Aber das passt zum passiven, entschuldigenden Stil, den auch Medien mit höheren journalistischen Ansprüchen oft an den Tag legen. Ich erinnere mich z.B. daran, dass ein Mann, der beinahe zum zweiten Mal eine Frau ermordet hätte, nicht nur von Österreich damit entschuldigt wurde, dass bei ihm halt Zeltfeste und Alkohol eine fatale Kombination darstellten. Jede passive Formulierung spricht aber Gewalttäter von der Verantwortung für ihr eigenes Handeln frei und delegiert die Entscheidung auf Umstände außerhalb der Person, die als Einzige entscheiden kann, was sie tut....
PS zu "Österreich": die sind schon unter Druck, einen Coup zu landen, lagen sie doch so oft falsch. Wenn's nach dem Fellner-Blatt geht, ist Karl Heinz Grasser Vizekanzler (dh eigentlich Kanzler, denn der Wahlsieg der ÖVP wurde als sicher vorhergesagt) und Alexander Van der Bellen Mitte Oktober zurückgetreten. Und Eva Herman, die Heimchen-am-Herd-Predigerin, hätte längst einen Trend gesetzt (sie selber hält sich am allerwenigsten an das, wonach sich andere Frauen richten sollen und hat kürzlich zwei Bücher veröffentlicht). Vielleicht sollten wir "Österreich" aber in Sachen "Geiseldrama" wirklich dankbar sein. Nicht, weil so die Welt erfahren hatte, dass der Geiselnehmer Pipi musste, die Klos in der Bank aber (Cerberus-Sparmaßnahmen?) versperrt waren. Sondern, weil er sich vor einem unfreiwilligen "Österreich"-Abo auf Lebenszeit nur in den Häfen zu retten wusste. Was sollte ein Arbeitsloser mit tausenden aufgedrängten iPods und Vignetten anfangen? Bei Ebay versteigern fiel "dem Depressiven" nicht ein, nur, dass er dann eine grössere Wohnung braucht, die er sich nicht leisten kann. Dass man unfreiwillige Abos nicht bezahlen muss und der Konsumentenschutz des öfteren wegen derlei "Österreich"-Abos kontaktiert wird, konnte er nicht ahnen...
Das Telefonat bei Youtube.com zum Nachhören :-)
02.03.07
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1 Kommentar:
Hallo.
Ich mochte mit Ihrer Website alexdailynotes.blogspot.com Links tauschen
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