John Pilger "The War on Democracy" zeigt lateinamerikanische Länder, in denen die USA mehr oder weniger erfolgreich Demokratie bekämpfen, wo von ihnen unterstützte Putschisten die Reichtümer von Konzernen schützen und den Menschen Armut, Terror und Folter bringen. Pilger beginnt in Venezuela, wo er auch Hugo Chavez interviewt, der erzählt, dass seine Eltern beide Lehrer waren, die Familie aber sehr arm, sodass er barfuss zur Schule ging. Er lernte viel von seiner indianischen Großmutter, auch über die Bedeutung von Solidarität. Studieren konnte Chavez nur, weil er zur Armee ging.
Die Menschen in Venezuela sagen, sofern sie nicht zur nach unseren Begriffen reichen weißen Mittelklasse gehören, dass sie vor Chavez kein Teil der Gesellschaft waren. In "Misions" wird Demokratie auf Basisebene geübt, diskutieren die Menschen beispielsweise, was es bedeutet, zum ersten Mal selbst ein Heim zu besitzen. Es gibt Supermärkte mit billigen Nahrungsmitteln, wo auf die Verpackung Artikel der Verfassung aufgedruckt sind. Chavez möchte eine Regierung aus dem Volk und für das Volk, das dem nordamerikanischen Modell der Kontrolle anderer Ländern und der reichen regierenden Eliten entgegengesetzt ist.
Die Armut der Menschen in Venezuela hat sich bereits drastisch verringert, dennoch gibt es sie. Chavez will auch diese Armut abschaffen, betont aber, dass es ihm nicht um eine Kopie Amerikas geht mit möglichst viel materiellem Wohlstand, sondern um ein Leben in Würde für alle. Neue Millionäre zu schaffen ist nicht sein Ziel. Mittlerweile ist die Gesundheitsversorgung gratis, die Kinder der ärmsten Familien genießen zum ersten Mal freien Schulzugang mit Verpflegung. Die ärmsten alleinstehenden Frauen mit Kindern erhalten einen Lohn, der dem eines Arbeiters entspricht. Man ist bestrebt, die Analphabetenrate drastisch zu reduzieren, und findet überall Kurse mit begeisterten TeilnehmerInnen, die nur bedauern, es so spät schreiben und lesen zu lernen.
Pilger besuchte auch die sogenannte Mittelklasse in ihren Riesenvillen, die sich in privaten Medien über Chavez austobt, ihn etwa gerne mit Hitler vergleicht. Diese Menschen orientieren sich sehr an den USA, viele verbringen Wochenenden in Miami oder haben auch dort Häuser. Im April 2002 gab es zwei Demonstrationen, eine der Opposition und eine von Chavez-Anhängern. Jene der Gegner wurde plötzlich so dirigiert, dass sie auf die andere und auf den Regierungssitz zusteuerte. Dann fielen Schüsse, die Bilder gingen um die Welt zusammen mit der Behauptung, Chavez-Anhänger haben auf die Oppositionsdemo geschossen.
Chavez wurde von Militärs ergriffen und trat angeblich zurück, tatsächlich wurde er einfach gekidnappt. Militärs verlasen ein längst vorher aufgenommenes Statement im Fernsehen, in dem sie Chavez beschuldigten. Ein Geschäftsmann wurde eingeflogen, der den Diktator spielen sollte. Die Menschen im Land waren geschockt, besonders die Armen hatten das Gefühl, dass sie jede Hoffnung verloren haben und ihr Leben wieder ein täglicher Kampf wird, dass ihr Kinder keine Perspektive mehr haben. Sie begannen, bei einem unabhängigen Radiosender anzurufen, wo auch Chavez' Ehefrau Maria betonte, dass ihr Mann nicht abgedankt habe, sondern entführt worden sei.
Inzwischen zeigte sich das Weiße Haus zufrieden mit der Entwicklung und meinte, Chavez habe auf friedliche Demonstranten schießen lassen. 16% der US-Erdölimporte kommen aus Venezuela, sodass die Menschen logischerweise an eine Unterstützung der Putschisten aus Washington dachten, und dies nicht zu Unrecht. Doch sie gaben nicht auf, sondern Hunderttausende strömten auf den Straßen von Caracas zum Präsidentenpalast und forderten die Rückkehr von Chavez. Da wandte sich nun auch das Militär gegen die Putschisten und stellte sich auf die Seite des Volkes.
Chavez wurde mit dem Hubschrauber zurückgebracht und unter Jubel von den Menschen empfangen. Die Verschwörer flohen zum Teil nach Miami, und später stellte sich heraus, dass die CIA sehr wohl bestens Bescheid wusste, was vor sich ging. Der Coup wurde über das in den 80er Jahren geschaffene National Endowment for Democracy mit Millionen von Dollar unterstützt, also durch "privatisierte" CIA. Das NED-Geld ging an wichtige Putschisten, wie auch die von Pilger interviewte Autorin Eva Gollinger aufzeigt ("The Chavez Code").
Wenn Bush behauptet, die USA wollte auf allen Kontinenten "freie Gesellschaften" aufbauen, so ist das nichts weiteres als eine Lüge, da Freiheit Selbstbestimmung bedeutet. In Wahrheit hat kein Land das Recht, seinen eigenen Weg zu gehen, es sei denn, er stimmt mit den Zielen der USA überein. Besonders krass sieht man dies in Lateinamerika, wo die Liste der Putsche und "regime changes" ellenlang ist, aber es gilt genauso etwa in Europa. Hugo Chavez hatte in den 50er Jahren eine Art Vorläufer in Staatschef Arbenz in Guatemala. 2% der Bevölkerung verfügte gemeinsam mit amerikanischen Gesellschaften über den Wohlstand des Landes.
Die indigene Bevölkerung war überwiegend sehr arm, sodass Arbenz Landreformen durchführte. Man kann seine Maßnahmen beim besten Willen nicht als radikal oder kommunistisch bezeichnen, doch wurde in den USA alles verteufelt, das sich gegen die Ausbeutung indigener Menschen richtete. Eine der einflussreichen Firmen war United Fruit, in deren Vorstand US.Außenminister John Foster Dulles sass, der Bruder des CIA-Chefs Allen Dulles. Über mehrere Jahre wurde nun eine Krise provoziert, auch durch aus Sicht der CIA "harmlose" Bombardierungen, denen tausende Menschen zum Opfer vielen. Man warf aber auch Flugblätter ab, um die Menschen zusätzlich psychologisch zu beeinflussen.
1954 war es dann soweit, Arbenz wurde gefangengenommen, nackt ausgezogen und fotografiert und dann ins Exil abgeschoben. Für das Volk begannen Jahrzehnte des Schreckens, denn Todesschwadrone wüteten vor allem gegen die indigene Bevölkerung. Philip Agee, der aus Gewissensgründen Ende der 70er Jahre aus der CIA ausschied, meinte zu Pilger, dass sich die CIA nichts aus Demokratie macht, es sei denn, eine Regierung kooperiert mit den USA. Kuba war zu den Zeiten von Arbenz ein Paradies für Drogenbarone und Mafia, doch dann siegte Fidel Castro, was ihm die USA niemals vergeben werden, sind doch die Attentatsversuche auf ihn Legion.
Man war zu allem bereit, um das freie Kuba zu bekämpfen, auch direkt die Versorgung der Bevölkerung und das Exportgut Zucker zu treffen. Kuba hat alles in allem einen hohen Preis dafür bezahlt, sich nicht den USA zu unterwerfen. "Wisst ihr denn nicht, wer wir sind?" beschreibt ein Kubaner diese Haltung der USA. Agee sagt, das wahre Ziel amerikanischer Regierungen sei es, andere Regierungen zu kontrollieren. Eine Regierung des Volkes für das Volk werde nie geduldet. Auch in Chile war die Zeit der Demokratie vorbei, als die USA beschlossen, dass Salvator Allende von der Staatsspitze entfernt werden muss. Am 11.9.1973 begann der Horror für die Menschen, von denen viele etwa im großen Stadion von Santiago festgehalten, gefoltert und getötet wurden.
Ein Mann, der damals ein junger Student war, erinnert sich mit Pilger an Folter, die zumindest als Schlägen auf die Genitalen, die Fusssohlen und andere sehr empfindliche Körperteile bestand. Ein populärer Liedermacher wollte die anderen aufrichten und sang, bis sie ihm die Hände zerschlugen; er konnte noch ein letztes Gedicht verfassen, ehe sie ihn töteten. Geheime CIA-Dokumente legten schon 1970 fest, dass gegen Allende geputscht werden soll. Das Regime des Faschisten Pinochet, das der Regierung Allende folgte, zeichnete sich durch die Missachtung jedweder Form menschlicher Würde aus, meinen Opfer. So werden Menschen zu "Dingen" gemacht, mit denen man verfahren kann, wie man will, ohne noch ihre Menschlichkeit wahrzunehmen.
Sara de Witt war Studentin, als sie 1975 an einem Morgen abgeholt und in einen der berüchtigten hölzernen Türme gebracht wurde, in denen Menschen in Verschläge so gross wie Hundeboxen gefoltert und oft getötet wurden. Sie wurde mit Elektroschocks an Vagina und Brüsten gequält und erinnert sich an Freundinnen, auch hochschwangere Frauen, die derlei Torturen nicht überlebten. Ein CIA-Agent meint zu Pilger, es habe doch nicht "tausende" Opfer gegeben, sowas sei Propaganda, obwohl natürlich alles genau dokumentiert ist. "What's his name?", fragt der alte Agent, als Pilger wissen will, welche Rolle die CIA beim Coup gegen Allende hatte.
Es hänge von nationalen Sicherheitsinteressen ab, meint er, und deswegen müssten die Dinge eben manchmal auf unschöne Weise verändert werden. Alle Diktatoren, die von den USA unterstützt werden, lassen ihre Henkersknechte in der School of the Americas in Georgia ausbilden, wo auch Foltertechniken unterrichtet werden. Man bedroht dann auch Familienmitglieder, was ebenso wie bei den eigentlichen Opfern auch bis zu Foltern und Töten gehen kann. Pilger zeigt einen Ausschnitt aus einem Video, wo Todesschwadronen in El Salvador Menschen auf einer Kirchenstiege niedermähen, die dem ermordeten Erzbischof Romero die letzte Ehre erweisen wollten.
Nur 200 Menschen seien in El Salvador von Todesschwadronen getötet worden, sagt der alte Agent, alles andere sei Propaganda, auch Amnesty International lüge doch. Allein in einem Dorf sind aber in einer Nacht 200 Menschen ermordet worden, erzählt Pilger und interviewt eine Überlebende, Man hat ihre Kinder getötet, sie wollte mit ihnen sterben, man hat sie ihr aber entrissen und ermordet. Der Widerstand kleiner Länder kann andere umso mehr inspirieren, erklärt Pilger das fanatische Interesse der USA für jeden noch so kleinen Flecken Erde. Selbstschutz, sagt der alte Agent, wir enden dabei, dass wir das sind, wofür wir uns entschieden haben (und er meint damit nicht ein vielgehasstes Imperium).
Schwester Dianna Ortitz sprach den Genozid an den Maya in Guatemala öffentlich an und wurde verschleppt und gefoltert. Sie kann kaum über das sprechen, was ihr 1989 widerfuhr, sie wurde erstmal 24 Stunden lang gefoltert und von mehreren Männern immer wieder vergewaltigt, deren Anführer Amerikaner war. Sie ärgert sich, wenn Abu Ghraib als isolierter Einzelfall betrachtet wird, denn das ist es wahrlich nicht, sondern auch das, was sie und andere in Lateinamerika erlebten. Die Rolle der US-Regierung bei Menschenrechtsverletzungen wird aber gerne verschwiegen, sagt sie.
Pilger reist weiter nach Bolivien, wo die Amyara und Quechua einst wohlhabend waren und über Gold und Silber verfügten. Bis vor zwei Jahren gehörten dem Kongress fast nur Weisse an, doch dann zeigte die Rebellion von unten Wirkung, und mit Evo Morales Ayma gab es den ersten indigenen Staatschef in Lateinamerika. El Alto ist die höchste und eine der ärmsten Städte der Welt, und dort begann der Widerstand gegen die ungerechte Verteilung der Ressourcen zwischen Weißen und Indigenen. Man blockierte die Straße nach La Paz mit Steinen, der "El Gringo" genannte, in Washington aufgewachsene Präsident schickt Truppen, die ein Blutbad anrichteten. In Cochabamba wiederum forderten die Menschen ihr Wasser erfolgreich von der US-Gesellschaft Bechtel zurück.
Nun marschierten aber Hunderttausende nach La Paz und verlangten ihr Land von "El Gringo".
2004 wurde ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wegen der Massaker, doch er floh in die USA, wo er seitdem lebt, obwohl man ja gegen jeden vorgehen wollte, der Terroristen eine Heimat gibt. Kritisch sieht Pilger Länder wie das moderne Chile, die nach amerikanischen Wirtschaftsvorstellungen nach dem Ende der Diktaturen umgestaltet wurden. In Chile gibt es boomende Wirtschaft und Reichtum für die eine, aber bittere und steigende Armut für die anderen, Junge Familien, die bei niedrigen Temperaturen im Freien schlafen müssen sind keine Seltenheit.
Und was den angeblich in letzter Sekunde in Deutschland verhinderten Terroranschlag betrifft, macht einiges skeptisch....
@ Venezuela siehe auch: The Revolution will not be Televised
@ Hugo Chavez 2006 in Österreich: In der Arena & in der Wiener Stadthalle
05.09.07
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