1. Seit Mittag ist der russische Präsident Putin in Wien - zwar wird auch in der Innenstadt abgesperrt, dennoch merkt man wenig, wenn man nicht gerade über Gegenden stolpert, in denen Polizei ist. Der Bush-Besuch letztes Jahr war präsenter, weil alle was von weiträumigen Abriegelungen mitbekamen. Und es gab Demos und andere Gegenveranstaltungen, während sich der Protest diesmal auf von den Parlamentsgrünen und dann auch von den Wiener Grünen organisierte Aktionen beschränkte. Sie waren sozusagen umgekehrte Jubelperser - aber man kann auch ironisch anmerken, dass sie damit nur zeigten, dass Österreich eine Demokratie ist, wo man so einfach demonstrieren kann (im Gegensatz zur GUS, wie sie meinen).
Manches, was an Drumherum berichtet wird, war bei Bush wohl auch nicht anders: das Hotel eine fürstliche Unterkunft, das Bankett ebenfalls an frühere Zeiten erinnernd, und wie Bush reiste Putin nicht in der Economy Class, sondern mit eigenem Flugzeug an. Von Wien - und davon, dass diese Stadt von Menschen bewohnt wird - dürfte Putin mehr gesehen haben als Bush. Das Besuchsprogramm umfaßte die üblichen geschichtsträchtigen Innenstadtbereiche (derlei wird offenbar nach den Wünschen der Gäste immer wieder leicht modifiziert). Das Fernsehen zeigte mehrmals Putin in der Hofreitschule und erklärte am Abend schließlich, dass die Putins selbst Pferde haben (allerdings Araber aus Russland und aus dem Nahen Osten).
Im Vorfeld wurde kritisiert, dass man Putin nicht einfach so mit nicht zuvor eingereichten Fragen interviewen kann (weil das z.B. bei Bush ohne weiteres möglich ist?!). Dann gab es eine Pressekonferenz (Putin und Bundespräsident Fischer), wo österreichische und russische Medienleute jeweils drei Fragen stellen konnten. Hiesige konzentrierten sich auf Menschenrechte und ernteten den Hinweis, dass auch Österreich vom Gerichtshof für Menschenrechte wegen Polizeimethoden im Umgang mit Asylwerbern kritisiert werde, es daher unfair sei, jede Verfehlung von Beamten einem Land pauschal anzulasten (jetzt mal sinngemäß gesagt). Naja, wie wäre es, wenn Gusenbauer zum "Folterkanzler" würde, weil unter den acht Millionen Einwohnern Polizisten sind, die nichts dabei finden, Asylwerber unabsichtlich zu ersticken oder die sie so sehr prügeln, dass von Folter gesprochen werden kann?
Erst recht kann in einem Land mit mehr als 20 mal so vielen EinwohnerInnen nicht absolut alles dem Oberhaupt persönlich angelastet werden, als ob dieses eine böse Anordnung nach der anderen träfe und dann reihenweise Menschen sterben oder verhaftet würden. Freilich muss kritisiert werden, wenn nach dem Bekanntwerden von Vorfällen nichts unternommen wird - aber Abwiegeln, Wegschauen, Polizei verteidigen ist durchaus auch eine "westliche Tugend". Eine weitere Gemeinsamkeit zeigen Bilder von Verhandlungen zwischen heimischen Wirtschaftsbossen und russischen Oligarchen: die Geschäftswelt ist eine Männerwelt, Frauen fehlen auf dieser Ebene vollkommen....
Somit sind wir bei 2.: Jetzt ist erst Mitte der Woche, und schon wurde ich (gemeinsam mit vielen anderen Frauen) zuerst zur radikalen Kindergegnerin erklärt und dann zur verhärmten, frustrierten Feministin. Das "Profil" (21.5.2007) hat auf dem Titel die "Späten Mütter", prügelt im dazugehörigen Artikel aber immer wieder kinderlose Frauen (die warten ja so lange, dass es zu spät ist für späte Mutterschaft):
Diese werden in drei "Typen" /Schubladen eingeteilt: die radikalen Kindergegnerinnen, die zu lange Zögernden und Frauen, die aufgrund von Lebenskrisen kinderlos bleiben. Schwangerschaft ist also der weibliche Normalfall (auch weil es nicht zur Norm des psychisch gesunden Menschen = Mannes gehört?), und wer diesen nie erreicht hat, der droht, so ein zitierter Experte, eine große Depression zwischen 40 und 50. Ein Stück weit hab' ich nun schon in dieser Altersgruppe zurückgelegt, aber die Depression hat sich noch nicht eingestellt (vielleicht mit der Menopause, wenn ich nicht immer dann die Tage kriege, wenn soooo schönes Badewetter ist? :-)
Weiteres zum Profil-Artikel und die CeiberWeiber-Anmerkungen hier nachzulesen - es sei aber noch darauf verwiesen, dass nur kinderlosen Frauen unterstellt wird, ein Nicht-Sein impliziere radikale Gegnerschaft. Nachdem ich mich weder für das Modell Lebenskrise noch die Strategie Zögern so recht erwärmen kann, bekommt das Nichtbedürfnis nach Nachwuchs also das Label radikale Kindergegnerinnenschaft. Zwar würde ich beispielsweise die Tatsache, keine Kanarienvögel zu haben, nicht als radikale Kanarienvogelgegnerschaft interpretieren (eher als Vogelfreundlichkeit, da sie ein gefundenes Fressen für die Katzen wären) und meinen Wohnsitz Wien nicht als radikale Grazgegnerschaft (ich lebe nicht mehr in der steirischen Hauptstadt), aber bei Kindern und weiblichen Geschlechtsmerkmalen ist alles ganz anders.
Vermutlich müssen sich die Mütter erwachsener Kinder bald auch als radikale Kindergegnerinnen einstufen lassen, wenn sie nicht bereit sind: a) spät nochmal zu gebären und b) den Nachwuchs ihrer Töchter zu hüten. Von Männern ist in diesem Kontext natürlich nie die Rede - die könnten sogar gut getarnt und dauerhaft unerkannt radikale Kindergegner sein, ohne dass es jemand merkt, reicht doch eine gut platzierte Samenspende und eine Partnerin, die nicht verhütet. Der nächste Hammer ist eine "Falter"-Story über einen angeblich neuen Feminismus (23.5.2007), wo bereits das Titelbild u.a. mit der Zeichnung eines Frauenhinterns mit Strapsen Schlimmes erwarten läßt.
Im Blatt schreibt dann Sybille Hamann, die unverständlicherweise an einem "Buch über die Frauenfrage" arbeitet (für die Lager und Altpapiercontainer oder als Trost für Eva Herman?): Wie eine Feministin ausschaut, weiß jeder. Streichholzfrisur, Henna, Walleröcke aus den Achtzigern, flache Schuhe. Redet zu viel und immer dasselbe. Humorlos, penetrant, mühsam, nervt. Definitiv unsexy. Meistens ein paar Jahre zu alt. Wahrscheinlich neidig, weil alle anderen einen Mann haben, bloß sie hat keinen abgekriegt. Eigentlich seltsam, wie allgegenwärtig das Klischeebild von der verhärmten, frustrierten Feministin seit dreißig Jahren ist – ohne dass man ein Exemplar der Spezies oft zu Gesicht bekäme. Nicht einmal Alice Schwarzer, die Oberhexe, hält, was ihr Ruf verspricht. Kaum erlebt man die aus der Nähe, ist man baff: Da steht eine sprühende, schlagfertige Frau, die schon einiges erlebt hat, sicher viel Spaß hat, schöner ist als die meisten ihrer Alterskohorte und gern auch mal in die Rolle der Ulknudel kippt. Flache Schuhe: Ja. Aber verhärmt? Nicht wirklich."
So in dem Stil gibts dann noch einiges, und Hamann erweist sich als unfähig, jenseits des Aufzählens von Klischees kreativ zu sein. Was irgendwie noch positiv klingt, ist dann eine Zusammenfassung von Alice Schwarzers neuestem Buch (Hamann denkt also nicht selber feministisch, sondern stellt Männersicht an den Anfang, ohne sie je in Frage zu stellen). Mehr dazu in einem Kommentar bei den CeiberWeibern - aber sehen wir uns trotzdem die Klischeeladung auch hier nochmal an: Streichholzfrisur, Henna, Walleröcke aus den Achtzigern, flache Schuhe. Redet zu viel und immer dasselbe. Humorlos, penetrant, mühsam, nervt. Definitiv unsexy. Meistens ein paar Jahre zu alt. Wahrscheinlich neidig, weil alle anderen einen Mann haben, bloß sie hat keinen abgekriegt. Verhärmte, frustrierte Feministin.
Streichholzfrisur? - Lange Haare, rötlichbraun mit blonden Strähnen (von Natur aus so, auch ein paar graue Strähnen sind dabei) Henna? siehe Frisur. Walleröcke? Hosen, manchmal Jeans. Aus den Achtzigern? Vielleicht ein paar Bücher, ja auch feministische. Flache Schuhe? Welcher Mann fährt mit High Heels Rad? Eben. Redet zu viel und immer dasselbe? Redet auf jeden Fall keine Sekunde mehr als nötig mit mühsamen, penetranten, humorlosen, nervenden und daher unsexy Typen, die meistens ein paar Jahre zu alt und wahrscheinlich neidig sind, dass viele Frauen mit ihrer Zeit besseres anzufangen wissen, als sich mit mühsamen, penetranten, humorlosen, nervenden und daher unsexy Typen abzugeben.
Weniger verblümt gesagt: Antifeministen sind langweilige Saftsäcke mit zu wenig Haaren auf dem Kopf und zu viel Ringen um den Bauch, die an Selbstüberschätzung leiden und meinen, sie selbst seinen ein Geschenk Gottes an Frauen Mitte 20 und überhaupt ganz brillant beispielsweise als Journalisten. Ja, eigentlich müßte ein Kommentar zu Sexismus in Medien so beginnen, statt gleich die Unverfrorenheiten zu zitieren, mit denen frau sich auseinandersetzen muss. Damit klargestellt ist, dass vollkommen irrelevant ist, was irgendwelche Saftsäcke in Auftrag geben, die ja doch nur kaschieren wollen, wie verhärmt und frustriert sie sind....
23.05.07
Putin in Wien / Trendstories gegen Frauen
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