Da haben wir mal die herkömmlichen Medien, deren Stilblüten, unfreiwillig komische Schlagzeilen, Fehler und Merkwürdigkeiten durchaus amüsant sind (daneben gibt es natürlich auch immer wieder Gutes und Interessantes - aber bei der Menge an Personal, die derlei Medien haben, sollte nicht allzu viel Falsches in Druck gehen, ohne dass es jemand bemerkt).
"Das ist europäischer Musikrinderwahn" erfuhren beispielsweise die LeserInnen von "Österreich" am Tag des Song Contests, also gestern, in "Österreich". Diese Worte sprach Produzent Markus Spiegel aus, der meint, die Falschen kämen ins Finale. "Westen gegen Ost-Mafia" und "aus für Qualitätsmusik" sind hingegen von der Redaktion gefundene Worte, die verschleiern, dass nun mal die Beiträge "des Ostens" die Originelleren sind.
Ich schwankte dann, nebenbei aufräumend, zwischen Ukraine (Verka als würdige/r VertreterIn von Molwanien und Kasachstan) und Bulgarien (Elitsas Ethno-Lied mit Trommeln, ganz was anderes mal), sandte schließlich eine SMS mit "21" für Bulgarien. In Österreich lag Serbien vorne, vor der Türkei - offenbar stört die Leute also nicht, dass "der Westen" unter die Räder kommt. Oder haben alle MigrantInnen eifrig mitgestimmt?!
"West-Beiträge" waren nun mal mäßig interessant, etwa wenn die Briten die transsexuellen FlugbegleiterInnen imitierten, mit denen Slowenien einst antrat. Erheiternd war die Selbstpräsentation Finnlands samt erstaunter Kommentatoren-Kommentare: da ist ja immer nur Schnee und Eis! Tatsächlich stellte sich Finnland dar als Land, in dem nichts anderes getan wird, als in Schnee und Eis: baden, angeln, mit dem Schiff fahren, Einkaufen gehen, heiraten, Handy verwenden, Tango tanzen (kam das vor? müßte es fast!). Einzige Ausnahme: Weltmeisterschaft im Schlammfußball.
Da wäre dann noch der seltsame Musikgeschmack, zu dem schreiende Männerchöre ebenso gehören wie Apocalyptica und Lordi als Top-Bands. Achja, einst hatte Finnland einen Komponisten, einen gewissen Herrn Sibelius - sein einstiges Zuhause würde natürlich auch in Schnee und Eis besucht. Alles in allem ist es doch fein, dass der Song Contest vom für jüngere Peinlichen zu etwas wurde, das Menschen jeden Alters frank und frei ansehen dürfen, ohne sich dafür genieren zu müssen. Und lustiger ist es auch als einst, wo stundenlang sich kaum bewegende Personen in gerade moderner Kleidung langsame Lieder in unverständlichen Landessprachen von sich gaben....
Bevor "Österreich" zum Altpapier wandert, muss ich noch eine Bildunterschrift zitieren: "Augenschmaus. Wolfgang Fellner mit ÖSTERREICH-Top Model Oana Apetroaie (r.)" Zählt Herausgeber Wolfgang Fellner (m.) auch zum "Augenschmaus"? Ein "Österreich" vom 9.5.2007 (eine der Gratisausgaben natürlich) hab' ich mir aufgehoben, weils Absurdes en masse bringt. Paris Hilton hat "Angst vor Horror-Gefängnis", "Häflinge wollen sie quälen". Wer wird wohl ernsthaft glauben, dass das reiche Töchterchen wegen Verstößen einsetzt, die nur Normalsterbliche nicht anderswie begleichen können?
Ein anderer Häftling steht bei "Österreich" immer im Mittelpunkt des Interesses, auch wenn die Bawag-Affäre nicht nur auf seinem Mist gewachsen ist. Helmut Elsner will wieder ins Spital zurück, erfahren wir, Zellen sind halt nicht so komfortabel (dauernde Untersuchungen sind es vermutlich auch nicht, aber das ist die Frage von Pest und Cholera). Wir erfaren so Spannendes wie dass Elsner bei der Kur unter Bewachung ebenfalls unter Bewachung spazierenging, was freilich seit Wochen in den Zeitungen stand.
Ein Boulevardblatt braucht auch eine "Tiertragödie", bei der es diesmal immerhin nicht um Kuscheltiere, sondern um Haie geht. Genauer gesagt um jene sechs, die die Übersiedelung in ein anderes Becken im Wiener "Haus des Meeres" nicht überlebten. Generell sind in "Österreich" Finanzhaie aber eher angesehen als simple Fische, was wir auch daran merken, dass das Schicksal vieler freilebender Haie schnurz ist. Diesen wird nämlich oft die Rückenflosse abgeschnitten (soll potenzfördernd oder irgendso ein Unsinn sein), worauf sie schrecklich krepieren.
"Mit dem gestrigen Auftritt waren auch die letzten Zweifel beseitigt. Bereits mehrten sich Gerüchte, der erfolgreichen Mode-Designerin und ihrem heranwachsenden Kind gehe es nicht gut." Gemeint ist Fiona Swarovski, die sich "auch in ihrer Wahlheimat Kitzbühel nicht mehr blicken liess". Wenn sich jemand "Österreich" nicht aufdrängt und man doch soooo gerne die Seiten füllen würde, dann wird "Österreich" ja geradezu dazu gedrängt, sich Sorgen zu machen und zu vermuten, es gehe jemandem nicht gut. Weil "Österreich" aber so hartnäckig ist, erfährt es, dass Frau Swarovski und Herr Grasser ein Mädchen erwarten.
"Heute", ebenfalls gratis erhältlich (allerdings gibt es hier keine umfangreichere 50 Cent-Version), wetteifert gerne mit "Österreich" um Banalität. "Nach Fußball-WM: Weniger Geburten!" stand am 11. Mai auf der Titelseite. Es gab neun Monate danach um 6,1 % weniger Babies. "Österreich" berichtet auch, relativiert aber etwas: die 6,1% waren ein Spitzentiefstwert im März 2007. Naja, zum Kindermachen gehören halt immer noch zwei, und wenn einer dauerhaft ausfällt.... Schlimmes wird auch bezogen auf die Fußball-EM nächstes Jahr in Wien befürchtet, wie der "Kurier" am selben Tag meldet: "Fußballfest mit Toilette-Fehlern". In Berlin wurden bei der WM pro Tag 400.000 Liter Bier getrunken, und davon die Hälfte abseits der Toiletten irgendwo hingepinkelt.
Vermutlich vor allem von Männern, die ohnehin, Hunden nicht unähnlich, den öffentlichen Raum auch abseits von Veranstaltungen oft als riesiges Klo betrachten. In Wien soll es eine Fanmeile geben, bei der sich tausende mobile Klos aneinander reihen. Parks in der Nähe möchte man sperren, was auch nichtpinkelnde nichttrinkende ganz normale StadtbewohnerInnen trifft. Mann stellt sich also darauf ein, dass sich Rudel von Männern wie wilde Horden aufführen, saufen bis zum Umfallen, überall hinpissen und dann womöglich auch noch die Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Sind die Herren Journalisten und Politiker denn wirklich so begeistert von diesem Bild, das zwangsläufig von Männern gezeichnet wird, oder wollen sie mal etwas dagegen unternehmen?
Nun zu den alternativen Medien: am 11. Mai wurde in Nürnberg der diesjährige Alternative Medienpreis verliehen, bei dem beispielsweise die umfangreiche Chronologie des Holocaust ausgezeichnet wurde oder der seit 37 Jahren in Nordrhein-Westfalen tätige Rote Reporter. Alles ist im Detail bei den Ceiberweibern nachzulesen (schließlich wurden wir "lobend erwähnt"), doch nun noch ein paar Worte zum Roten Reporter. In der Webausgabe gibt es auch ein Rätsel (Che-Feuerzeuge zu gewinnen), das Rätsel am Freitag, kurz RAF. Dies erinnert mich an eine andere RAF, nämlich Radfahren am Freitag, eine Initiative, die über einige Monate jeden Freitag nachmittag mit dem Rad durch Wien fuhr. Dabei gab es immer wieder Strafmandate der (genervten) Polizei, die auch bei völlig korrektem Verhalten erteilt wurden.
In langen Gasthaus-Sitzungen, bei denen Tränen gelacht wurden, formulierte man gemeinsam gefinkelte Einwendungen und erklärte sich bereit, Strafen sozusagen im Sonderangebot oder
im Dutzend billiger zu bezahlen (schließlich waren die Strafbescheide unfreiwilliges Kabarett). Eine Sternstunde von "RAF" kam, als viele linke Organisationen lieber auf Tauchstation gingen: 1995 wurden zwei "Linksradikale" tot neben einem Hochspannungsmasten gefunden, den sie angeblich sprengen wollten (mit einem Sprengsatz zu wenig für die Füße des Masten). Daraufhin wurde die linke Szene kriminalisiert, damit versucht, einen SPÖ-Innenminister und auch gleich die SPÖ-geführte Regierung loszuwerden. Der Minister hatte einst der Zeitschrift "TATblatt" gespendet - in der wiederum auch "RAF" gelegentlich vorkam. "RAF" wandte sich nun selbst an die Öffentlichkeit und erklärte pointiert die eigenen Aktivitäten, für welche die "Royal Air Force" Vorbild war....
13.05.07
Zweierlei Arten von Medien
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