Erstmal ein anderes, aber von wegen Globalisierung und Klimawandel doch irgendwie verwandtes Thema: der Wiener Flughafen freut sich über eine Zunahme der Flüge und will in Zukunft Wachstum zwischen 5 und 10% pro Jahr. Prima, dann haben wir in der Luft das Gleiche wie auf der Straße - und es wird für die AnrainerInnen der Einflugrouten keine ruhige Minute mehr geben. Längst wird die Route über den Westen Wiens, angeblich nur zu 10% genutzt, zu manchen Tageszeiten von einer Maschine nach der anderen geflogen, und dies in niedriger Höhe. Kann man z.B. am Wienerberg Teich beobachten, wo sonst nichts schöne Sommerabende trübt.
Vor dem G8-Gipfel - lauter Männer, hätte Gastgeberland Deutschland keine Bundeskanzlerin - gibt es ein Treffen der Außenministerinnen in Wien. Frau kann die "Women Leaders" in einer Fotogalerie bewundern und lesen, was Gastgeberin Ursula Plassnik so meint. Toll ist auf jeden Fall, dass Frauen im Kontext internationale Politik bei uns nun großes Medieninteresse haben - und dabei betonen, wie wichtig die Zusammenarbeit von Frauen und das Netzwerken ist. In gewissem Sinne ist dies, wenngleich sicher nicht so geplant, auch ein wenig Kontrapunkt zu den G8.
Aber nun in medias res: die ARD zeigte gestern in einer Doku recht gut die Gegensätze: Hier die massiven Sicherheitsvorkehrungen und das auf Hochglanz polierte Nobelhotel in Heiligendamm, dort die AnwohnerInnen, die innerhalb der Sperrzone ihre Häuser haben. Sie wurden vom BKA durchleuchtet, bekamen mehrmals Besuch von Sicherheitskräften und müssen sich Ausweise besorgen, um die Zone verlassen zu können. Dabei werden sie aber jedesmal durchgecheckt einschließlich ihrer Fahrzeuge. Man baut eine Art Flughafen-Sicherheitsschleuse auf.
Verhalten kommt Kritik, mehr fürchtet man noch die G8-GegnerInnen und deren eventuelle Randale. Es gibt aber doch Statements wie: für das haben die Geld, aber nicht für Sozialprojekte, die man in der Region braucht. Einer erinnert sich an DDR-Zeiten, neben dem zweieinhalb Meter hohen, mit NATO-Draht versehenen Zaun interviewt. Vermutlich kann man derlei Abriegelungen und Gängelungen der Bevölkerung aber eher im Osten als im Westen Deutschlands durchziehen, da im Osten viele die Vergleiche mit der DDR scheuen.
Für die illustren Gäste in ihrem goldenen Käfig wird alles bis ins Detail geplant, während außerhalb des Zaunes, bei den Camps der GegnerInnen, Eigenverantwortung und Selbstorganisation angesagt ist. Manche EsoterikerInnen meinen ja, gegen etwas zu demonstrieren verstärke dies nur. Sollte man die G8 also links liegen lassen? Tatsächlich scheinen die Sicherheitsvorkehrungen und der brutale Umgang mit einigen GegnerInnen im Vorfeld mobilisierend zu wirken. Die Bündnisse gegen die G8 werden immer breiter, ebenso den Berichten nach die Teilnahme vor Ort.
Auf der anderen Seite sorgt die Furcht vor Aktionen auch für jedes Mal gesteigerte Sicherheitsmaßnahmen - als ob (im Grunde austauschbare) "Charaktermasken des Kapitals" (find ich etwas drastisch, ist aber manchmal passend) real bedroht wären. Auch bei den Sicherheitsvorkehrungen früherer Jahre hätten nur trainierte Killer aus dem militärisch-geheimdienstlichen Bereich Erfolgschancen gehabt - und diese kommen mit jeden Sicherheitsvorkehrungen zurecht, wenn es denn sein soll (beziehungsweise gibt es immer Momente geringerer Bewachung, muss ja nicht am Gipfel selber sein....). Nach 9/11 neigen aber viele zum Glauben, perfekte Attentate seien das Werk von Amateurterroristen (als ob 9/11 das wäre, als was es dargestellt wird....).
Die G8-GegnerInnen sind im Web ziemlich präsent, hier eine kleine Auswahl:
politblog.net
gipfelsoli.org
gipfelblockade.net
Ausschreitungen bei Demo in Hamburg
attac.at (Speziell zu G8)
attac.de (Speziell zu G8)
heiligendamm2007.de (Großdemos und andere Aktionen)
www.badespasz.tk (Pressespiegel)
http://www.kircheundg8.de (kirchliche Aktivitäten)
www.block-g8.org (Blockaden)
http://www.g8-alternative-summit.org/ (Alternativgipfel)
www.g8andwar.de (Antimilitaristische Aktionen)
http://www.g8-2007.de (Infos)
http://www.g8-germany.info/ (NGO-Plattform)
http://dissentnetzwerk.org/ (International, in Englisch)
Polizeistaatsmethoden (bei steinbergrecherche.com)
Pressekonferenz in der Roten Flora in Hamburg (steinbergrecherche.com)
Neu bei den CeiberWeibern (unter anderem :-):
Peter Michael Lingens meint, Scheidungen produzieren Alkokids - das müssen wir doch kommentieren.
Tchibo versteht verführerische Unterwäsche ganz altbacken unter "Waffen der Frauen".
Manche Autoren legen sich einiges biologistisch zurecht, um Schönheit und Partnerwahl zu koppeln, nach dem Motto: Frauen dürfen keine Falten haben, Männer schon.
Wie Medien mit Frauen umgehen (Ursula Stenzel pfui, Andrea Kdolsky ebenso, Fiona ist hingegen toll, da sie meint, Frauen sollen sich Männern unterordnen) zeigen Beispiele aus "Österreich", "News" und "Heute".
Und was ganz anderes: gestern wurde im Jüdischen Museum ein Buch über den Jüdischen Friedhof Währing vorgestellt.
31.05.07
23.05.07
Putin in Wien / Trendstories gegen Frauen
1. Seit Mittag ist der russische Präsident Putin in Wien - zwar wird auch in der Innenstadt abgesperrt, dennoch merkt man wenig, wenn man nicht gerade über Gegenden stolpert, in denen Polizei ist. Der Bush-Besuch letztes Jahr war präsenter, weil alle was von weiträumigen Abriegelungen mitbekamen. Und es gab Demos und andere Gegenveranstaltungen, während sich der Protest diesmal auf von den Parlamentsgrünen und dann auch von den Wiener Grünen organisierte Aktionen beschränkte. Sie waren sozusagen umgekehrte Jubelperser - aber man kann auch ironisch anmerken, dass sie damit nur zeigten, dass Österreich eine Demokratie ist, wo man so einfach demonstrieren kann (im Gegensatz zur GUS, wie sie meinen).
Manches, was an Drumherum berichtet wird, war bei Bush wohl auch nicht anders: das Hotel eine fürstliche Unterkunft, das Bankett ebenfalls an frühere Zeiten erinnernd, und wie Bush reiste Putin nicht in der Economy Class, sondern mit eigenem Flugzeug an. Von Wien - und davon, dass diese Stadt von Menschen bewohnt wird - dürfte Putin mehr gesehen haben als Bush. Das Besuchsprogramm umfaßte die üblichen geschichtsträchtigen Innenstadtbereiche (derlei wird offenbar nach den Wünschen der Gäste immer wieder leicht modifiziert). Das Fernsehen zeigte mehrmals Putin in der Hofreitschule und erklärte am Abend schließlich, dass die Putins selbst Pferde haben (allerdings Araber aus Russland und aus dem Nahen Osten).
Im Vorfeld wurde kritisiert, dass man Putin nicht einfach so mit nicht zuvor eingereichten Fragen interviewen kann (weil das z.B. bei Bush ohne weiteres möglich ist?!). Dann gab es eine Pressekonferenz (Putin und Bundespräsident Fischer), wo österreichische und russische Medienleute jeweils drei Fragen stellen konnten. Hiesige konzentrierten sich auf Menschenrechte und ernteten den Hinweis, dass auch Österreich vom Gerichtshof für Menschenrechte wegen Polizeimethoden im Umgang mit Asylwerbern kritisiert werde, es daher unfair sei, jede Verfehlung von Beamten einem Land pauschal anzulasten (jetzt mal sinngemäß gesagt). Naja, wie wäre es, wenn Gusenbauer zum "Folterkanzler" würde, weil unter den acht Millionen Einwohnern Polizisten sind, die nichts dabei finden, Asylwerber unabsichtlich zu ersticken oder die sie so sehr prügeln, dass von Folter gesprochen werden kann?
Erst recht kann in einem Land mit mehr als 20 mal so vielen EinwohnerInnen nicht absolut alles dem Oberhaupt persönlich angelastet werden, als ob dieses eine böse Anordnung nach der anderen träfe und dann reihenweise Menschen sterben oder verhaftet würden. Freilich muss kritisiert werden, wenn nach dem Bekanntwerden von Vorfällen nichts unternommen wird - aber Abwiegeln, Wegschauen, Polizei verteidigen ist durchaus auch eine "westliche Tugend". Eine weitere Gemeinsamkeit zeigen Bilder von Verhandlungen zwischen heimischen Wirtschaftsbossen und russischen Oligarchen: die Geschäftswelt ist eine Männerwelt, Frauen fehlen auf dieser Ebene vollkommen....
Somit sind wir bei 2.: Jetzt ist erst Mitte der Woche, und schon wurde ich (gemeinsam mit vielen anderen Frauen) zuerst zur radikalen Kindergegnerin erklärt und dann zur verhärmten, frustrierten Feministin. Das "Profil" (21.5.2007) hat auf dem Titel die "Späten Mütter", prügelt im dazugehörigen Artikel aber immer wieder kinderlose Frauen (die warten ja so lange, dass es zu spät ist für späte Mutterschaft):
Diese werden in drei "Typen" /Schubladen eingeteilt: die radikalen Kindergegnerinnen, die zu lange Zögernden und Frauen, die aufgrund von Lebenskrisen kinderlos bleiben. Schwangerschaft ist also der weibliche Normalfall (auch weil es nicht zur Norm des psychisch gesunden Menschen = Mannes gehört?), und wer diesen nie erreicht hat, der droht, so ein zitierter Experte, eine große Depression zwischen 40 und 50. Ein Stück weit hab' ich nun schon in dieser Altersgruppe zurückgelegt, aber die Depression hat sich noch nicht eingestellt (vielleicht mit der Menopause, wenn ich nicht immer dann die Tage kriege, wenn soooo schönes Badewetter ist? :-)
Weiteres zum Profil-Artikel und die CeiberWeiber-Anmerkungen hier nachzulesen - es sei aber noch darauf verwiesen, dass nur kinderlosen Frauen unterstellt wird, ein Nicht-Sein impliziere radikale Gegnerschaft. Nachdem ich mich weder für das Modell Lebenskrise noch die Strategie Zögern so recht erwärmen kann, bekommt das Nichtbedürfnis nach Nachwuchs also das Label radikale Kindergegnerinnenschaft. Zwar würde ich beispielsweise die Tatsache, keine Kanarienvögel zu haben, nicht als radikale Kanarienvogelgegnerschaft interpretieren (eher als Vogelfreundlichkeit, da sie ein gefundenes Fressen für die Katzen wären) und meinen Wohnsitz Wien nicht als radikale Grazgegnerschaft (ich lebe nicht mehr in der steirischen Hauptstadt), aber bei Kindern und weiblichen Geschlechtsmerkmalen ist alles ganz anders.
Vermutlich müssen sich die Mütter erwachsener Kinder bald auch als radikale Kindergegnerinnen einstufen lassen, wenn sie nicht bereit sind: a) spät nochmal zu gebären und b) den Nachwuchs ihrer Töchter zu hüten. Von Männern ist in diesem Kontext natürlich nie die Rede - die könnten sogar gut getarnt und dauerhaft unerkannt radikale Kindergegner sein, ohne dass es jemand merkt, reicht doch eine gut platzierte Samenspende und eine Partnerin, die nicht verhütet. Der nächste Hammer ist eine "Falter"-Story über einen angeblich neuen Feminismus (23.5.2007), wo bereits das Titelbild u.a. mit der Zeichnung eines Frauenhinterns mit Strapsen Schlimmes erwarten läßt.
Im Blatt schreibt dann Sybille Hamann, die unverständlicherweise an einem "Buch über die Frauenfrage" arbeitet (für die Lager und Altpapiercontainer oder als Trost für Eva Herman?): Wie eine Feministin ausschaut, weiß jeder. Streichholzfrisur, Henna, Walleröcke aus den Achtzigern, flache Schuhe. Redet zu viel und immer dasselbe. Humorlos, penetrant, mühsam, nervt. Definitiv unsexy. Meistens ein paar Jahre zu alt. Wahrscheinlich neidig, weil alle anderen einen Mann haben, bloß sie hat keinen abgekriegt. Eigentlich seltsam, wie allgegenwärtig das Klischeebild von der verhärmten, frustrierten Feministin seit dreißig Jahren ist – ohne dass man ein Exemplar der Spezies oft zu Gesicht bekäme. Nicht einmal Alice Schwarzer, die Oberhexe, hält, was ihr Ruf verspricht. Kaum erlebt man die aus der Nähe, ist man baff: Da steht eine sprühende, schlagfertige Frau, die schon einiges erlebt hat, sicher viel Spaß hat, schöner ist als die meisten ihrer Alterskohorte und gern auch mal in die Rolle der Ulknudel kippt. Flache Schuhe: Ja. Aber verhärmt? Nicht wirklich."
So in dem Stil gibts dann noch einiges, und Hamann erweist sich als unfähig, jenseits des Aufzählens von Klischees kreativ zu sein. Was irgendwie noch positiv klingt, ist dann eine Zusammenfassung von Alice Schwarzers neuestem Buch (Hamann denkt also nicht selber feministisch, sondern stellt Männersicht an den Anfang, ohne sie je in Frage zu stellen). Mehr dazu in einem Kommentar bei den CeiberWeibern - aber sehen wir uns trotzdem die Klischeeladung auch hier nochmal an: Streichholzfrisur, Henna, Walleröcke aus den Achtzigern, flache Schuhe. Redet zu viel und immer dasselbe. Humorlos, penetrant, mühsam, nervt. Definitiv unsexy. Meistens ein paar Jahre zu alt. Wahrscheinlich neidig, weil alle anderen einen Mann haben, bloß sie hat keinen abgekriegt. Verhärmte, frustrierte Feministin.
Streichholzfrisur? - Lange Haare, rötlichbraun mit blonden Strähnen (von Natur aus so, auch ein paar graue Strähnen sind dabei) Henna? siehe Frisur. Walleröcke? Hosen, manchmal Jeans. Aus den Achtzigern? Vielleicht ein paar Bücher, ja auch feministische. Flache Schuhe? Welcher Mann fährt mit High Heels Rad? Eben. Redet zu viel und immer dasselbe? Redet auf jeden Fall keine Sekunde mehr als nötig mit mühsamen, penetranten, humorlosen, nervenden und daher unsexy Typen, die meistens ein paar Jahre zu alt und wahrscheinlich neidig sind, dass viele Frauen mit ihrer Zeit besseres anzufangen wissen, als sich mit mühsamen, penetranten, humorlosen, nervenden und daher unsexy Typen abzugeben.
Weniger verblümt gesagt: Antifeministen sind langweilige Saftsäcke mit zu wenig Haaren auf dem Kopf und zu viel Ringen um den Bauch, die an Selbstüberschätzung leiden und meinen, sie selbst seinen ein Geschenk Gottes an Frauen Mitte 20 und überhaupt ganz brillant beispielsweise als Journalisten. Ja, eigentlich müßte ein Kommentar zu Sexismus in Medien so beginnen, statt gleich die Unverfrorenheiten zu zitieren, mit denen frau sich auseinandersetzen muss. Damit klargestellt ist, dass vollkommen irrelevant ist, was irgendwelche Saftsäcke in Auftrag geben, die ja doch nur kaschieren wollen, wie verhärmt und frustriert sie sind....
Manches, was an Drumherum berichtet wird, war bei Bush wohl auch nicht anders: das Hotel eine fürstliche Unterkunft, das Bankett ebenfalls an frühere Zeiten erinnernd, und wie Bush reiste Putin nicht in der Economy Class, sondern mit eigenem Flugzeug an. Von Wien - und davon, dass diese Stadt von Menschen bewohnt wird - dürfte Putin mehr gesehen haben als Bush. Das Besuchsprogramm umfaßte die üblichen geschichtsträchtigen Innenstadtbereiche (derlei wird offenbar nach den Wünschen der Gäste immer wieder leicht modifiziert). Das Fernsehen zeigte mehrmals Putin in der Hofreitschule und erklärte am Abend schließlich, dass die Putins selbst Pferde haben (allerdings Araber aus Russland und aus dem Nahen Osten).
Im Vorfeld wurde kritisiert, dass man Putin nicht einfach so mit nicht zuvor eingereichten Fragen interviewen kann (weil das z.B. bei Bush ohne weiteres möglich ist?!). Dann gab es eine Pressekonferenz (Putin und Bundespräsident Fischer), wo österreichische und russische Medienleute jeweils drei Fragen stellen konnten. Hiesige konzentrierten sich auf Menschenrechte und ernteten den Hinweis, dass auch Österreich vom Gerichtshof für Menschenrechte wegen Polizeimethoden im Umgang mit Asylwerbern kritisiert werde, es daher unfair sei, jede Verfehlung von Beamten einem Land pauschal anzulasten (jetzt mal sinngemäß gesagt). Naja, wie wäre es, wenn Gusenbauer zum "Folterkanzler" würde, weil unter den acht Millionen Einwohnern Polizisten sind, die nichts dabei finden, Asylwerber unabsichtlich zu ersticken oder die sie so sehr prügeln, dass von Folter gesprochen werden kann?
Erst recht kann in einem Land mit mehr als 20 mal so vielen EinwohnerInnen nicht absolut alles dem Oberhaupt persönlich angelastet werden, als ob dieses eine böse Anordnung nach der anderen träfe und dann reihenweise Menschen sterben oder verhaftet würden. Freilich muss kritisiert werden, wenn nach dem Bekanntwerden von Vorfällen nichts unternommen wird - aber Abwiegeln, Wegschauen, Polizei verteidigen ist durchaus auch eine "westliche Tugend". Eine weitere Gemeinsamkeit zeigen Bilder von Verhandlungen zwischen heimischen Wirtschaftsbossen und russischen Oligarchen: die Geschäftswelt ist eine Männerwelt, Frauen fehlen auf dieser Ebene vollkommen....
Somit sind wir bei 2.: Jetzt ist erst Mitte der Woche, und schon wurde ich (gemeinsam mit vielen anderen Frauen) zuerst zur radikalen Kindergegnerin erklärt und dann zur verhärmten, frustrierten Feministin. Das "Profil" (21.5.2007) hat auf dem Titel die "Späten Mütter", prügelt im dazugehörigen Artikel aber immer wieder kinderlose Frauen (die warten ja so lange, dass es zu spät ist für späte Mutterschaft):
Diese werden in drei "Typen" /Schubladen eingeteilt: die radikalen Kindergegnerinnen, die zu lange Zögernden und Frauen, die aufgrund von Lebenskrisen kinderlos bleiben. Schwangerschaft ist also der weibliche Normalfall (auch weil es nicht zur Norm des psychisch gesunden Menschen = Mannes gehört?), und wer diesen nie erreicht hat, der droht, so ein zitierter Experte, eine große Depression zwischen 40 und 50. Ein Stück weit hab' ich nun schon in dieser Altersgruppe zurückgelegt, aber die Depression hat sich noch nicht eingestellt (vielleicht mit der Menopause, wenn ich nicht immer dann die Tage kriege, wenn soooo schönes Badewetter ist? :-)
Weiteres zum Profil-Artikel und die CeiberWeiber-Anmerkungen hier nachzulesen - es sei aber noch darauf verwiesen, dass nur kinderlosen Frauen unterstellt wird, ein Nicht-Sein impliziere radikale Gegnerschaft. Nachdem ich mich weder für das Modell Lebenskrise noch die Strategie Zögern so recht erwärmen kann, bekommt das Nichtbedürfnis nach Nachwuchs also das Label radikale Kindergegnerinnenschaft. Zwar würde ich beispielsweise die Tatsache, keine Kanarienvögel zu haben, nicht als radikale Kanarienvogelgegnerschaft interpretieren (eher als Vogelfreundlichkeit, da sie ein gefundenes Fressen für die Katzen wären) und meinen Wohnsitz Wien nicht als radikale Grazgegnerschaft (ich lebe nicht mehr in der steirischen Hauptstadt), aber bei Kindern und weiblichen Geschlechtsmerkmalen ist alles ganz anders.
Vermutlich müssen sich die Mütter erwachsener Kinder bald auch als radikale Kindergegnerinnen einstufen lassen, wenn sie nicht bereit sind: a) spät nochmal zu gebären und b) den Nachwuchs ihrer Töchter zu hüten. Von Männern ist in diesem Kontext natürlich nie die Rede - die könnten sogar gut getarnt und dauerhaft unerkannt radikale Kindergegner sein, ohne dass es jemand merkt, reicht doch eine gut platzierte Samenspende und eine Partnerin, die nicht verhütet. Der nächste Hammer ist eine "Falter"-Story über einen angeblich neuen Feminismus (23.5.2007), wo bereits das Titelbild u.a. mit der Zeichnung eines Frauenhinterns mit Strapsen Schlimmes erwarten läßt.
Im Blatt schreibt dann Sybille Hamann, die unverständlicherweise an einem "Buch über die Frauenfrage" arbeitet (für die Lager und Altpapiercontainer oder als Trost für Eva Herman?): Wie eine Feministin ausschaut, weiß jeder. Streichholzfrisur, Henna, Walleröcke aus den Achtzigern, flache Schuhe. Redet zu viel und immer dasselbe. Humorlos, penetrant, mühsam, nervt. Definitiv unsexy. Meistens ein paar Jahre zu alt. Wahrscheinlich neidig, weil alle anderen einen Mann haben, bloß sie hat keinen abgekriegt. Eigentlich seltsam, wie allgegenwärtig das Klischeebild von der verhärmten, frustrierten Feministin seit dreißig Jahren ist – ohne dass man ein Exemplar der Spezies oft zu Gesicht bekäme. Nicht einmal Alice Schwarzer, die Oberhexe, hält, was ihr Ruf verspricht. Kaum erlebt man die aus der Nähe, ist man baff: Da steht eine sprühende, schlagfertige Frau, die schon einiges erlebt hat, sicher viel Spaß hat, schöner ist als die meisten ihrer Alterskohorte und gern auch mal in die Rolle der Ulknudel kippt. Flache Schuhe: Ja. Aber verhärmt? Nicht wirklich."
So in dem Stil gibts dann noch einiges, und Hamann erweist sich als unfähig, jenseits des Aufzählens von Klischees kreativ zu sein. Was irgendwie noch positiv klingt, ist dann eine Zusammenfassung von Alice Schwarzers neuestem Buch (Hamann denkt also nicht selber feministisch, sondern stellt Männersicht an den Anfang, ohne sie je in Frage zu stellen). Mehr dazu in einem Kommentar bei den CeiberWeibern - aber sehen wir uns trotzdem die Klischeeladung auch hier nochmal an: Streichholzfrisur, Henna, Walleröcke aus den Achtzigern, flache Schuhe. Redet zu viel und immer dasselbe. Humorlos, penetrant, mühsam, nervt. Definitiv unsexy. Meistens ein paar Jahre zu alt. Wahrscheinlich neidig, weil alle anderen einen Mann haben, bloß sie hat keinen abgekriegt. Verhärmte, frustrierte Feministin.
Streichholzfrisur? - Lange Haare, rötlichbraun mit blonden Strähnen (von Natur aus so, auch ein paar graue Strähnen sind dabei) Henna? siehe Frisur. Walleröcke? Hosen, manchmal Jeans. Aus den Achtzigern? Vielleicht ein paar Bücher, ja auch feministische. Flache Schuhe? Welcher Mann fährt mit High Heels Rad? Eben. Redet zu viel und immer dasselbe? Redet auf jeden Fall keine Sekunde mehr als nötig mit mühsamen, penetranten, humorlosen, nervenden und daher unsexy Typen, die meistens ein paar Jahre zu alt und wahrscheinlich neidig sind, dass viele Frauen mit ihrer Zeit besseres anzufangen wissen, als sich mit mühsamen, penetranten, humorlosen, nervenden und daher unsexy Typen abzugeben.
Weniger verblümt gesagt: Antifeministen sind langweilige Saftsäcke mit zu wenig Haaren auf dem Kopf und zu viel Ringen um den Bauch, die an Selbstüberschätzung leiden und meinen, sie selbst seinen ein Geschenk Gottes an Frauen Mitte 20 und überhaupt ganz brillant beispielsweise als Journalisten. Ja, eigentlich müßte ein Kommentar zu Sexismus in Medien so beginnen, statt gleich die Unverfrorenheiten zu zitieren, mit denen frau sich auseinandersetzen muss. Damit klargestellt ist, dass vollkommen irrelevant ist, was irgendwelche Saftsäcke in Auftrag geben, die ja doch nur kaschieren wollen, wie verhärmt und frustriert sie sind....
Labels:
Alice Schwarzer,
Bush,
Falter,
Feminismus,
Heinz Fischer,
Putin,
späte Mütter,
Sybille Hamann
13.05.07
Zweierlei Arten von Medien
Da haben wir mal die herkömmlichen Medien, deren Stilblüten, unfreiwillig komische Schlagzeilen, Fehler und Merkwürdigkeiten durchaus amüsant sind (daneben gibt es natürlich auch immer wieder Gutes und Interessantes - aber bei der Menge an Personal, die derlei Medien haben, sollte nicht allzu viel Falsches in Druck gehen, ohne dass es jemand bemerkt).
"Das ist europäischer Musikrinderwahn" erfuhren beispielsweise die LeserInnen von "Österreich" am Tag des Song Contests, also gestern, in "Österreich". Diese Worte sprach Produzent Markus Spiegel aus, der meint, die Falschen kämen ins Finale. "Westen gegen Ost-Mafia" und "aus für Qualitätsmusik" sind hingegen von der Redaktion gefundene Worte, die verschleiern, dass nun mal die Beiträge "des Ostens" die Originelleren sind.
Ich schwankte dann, nebenbei aufräumend, zwischen Ukraine (Verka als würdige/r VertreterIn von Molwanien und Kasachstan) und Bulgarien (Elitsas Ethno-Lied mit Trommeln, ganz was anderes mal), sandte schließlich eine SMS mit "21" für Bulgarien. In Österreich lag Serbien vorne, vor der Türkei - offenbar stört die Leute also nicht, dass "der Westen" unter die Räder kommt. Oder haben alle MigrantInnen eifrig mitgestimmt?!
"West-Beiträge" waren nun mal mäßig interessant, etwa wenn die Briten die transsexuellen FlugbegleiterInnen imitierten, mit denen Slowenien einst antrat. Erheiternd war die Selbstpräsentation Finnlands samt erstaunter Kommentatoren-Kommentare: da ist ja immer nur Schnee und Eis! Tatsächlich stellte sich Finnland dar als Land, in dem nichts anderes getan wird, als in Schnee und Eis: baden, angeln, mit dem Schiff fahren, Einkaufen gehen, heiraten, Handy verwenden, Tango tanzen (kam das vor? müßte es fast!). Einzige Ausnahme: Weltmeisterschaft im Schlammfußball.
Da wäre dann noch der seltsame Musikgeschmack, zu dem schreiende Männerchöre ebenso gehören wie Apocalyptica und Lordi als Top-Bands. Achja, einst hatte Finnland einen Komponisten, einen gewissen Herrn Sibelius - sein einstiges Zuhause würde natürlich auch in Schnee und Eis besucht. Alles in allem ist es doch fein, dass der Song Contest vom für jüngere Peinlichen zu etwas wurde, das Menschen jeden Alters frank und frei ansehen dürfen, ohne sich dafür genieren zu müssen. Und lustiger ist es auch als einst, wo stundenlang sich kaum bewegende Personen in gerade moderner Kleidung langsame Lieder in unverständlichen Landessprachen von sich gaben....
Bevor "Österreich" zum Altpapier wandert, muss ich noch eine Bildunterschrift zitieren: "Augenschmaus. Wolfgang Fellner mit ÖSTERREICH-Top Model Oana Apetroaie (r.)" Zählt Herausgeber Wolfgang Fellner (m.) auch zum "Augenschmaus"? Ein "Österreich" vom 9.5.2007 (eine der Gratisausgaben natürlich) hab' ich mir aufgehoben, weils Absurdes en masse bringt. Paris Hilton hat "Angst vor Horror-Gefängnis", "Häflinge wollen sie quälen". Wer wird wohl ernsthaft glauben, dass das reiche Töchterchen wegen Verstößen einsetzt, die nur Normalsterbliche nicht anderswie begleichen können?
Ein anderer Häftling steht bei "Österreich" immer im Mittelpunkt des Interesses, auch wenn die Bawag-Affäre nicht nur auf seinem Mist gewachsen ist. Helmut Elsner will wieder ins Spital zurück, erfahren wir, Zellen sind halt nicht so komfortabel (dauernde Untersuchungen sind es vermutlich auch nicht, aber das ist die Frage von Pest und Cholera). Wir erfaren so Spannendes wie dass Elsner bei der Kur unter Bewachung ebenfalls unter Bewachung spazierenging, was freilich seit Wochen in den Zeitungen stand.
Ein Boulevardblatt braucht auch eine "Tiertragödie", bei der es diesmal immerhin nicht um Kuscheltiere, sondern um Haie geht. Genauer gesagt um jene sechs, die die Übersiedelung in ein anderes Becken im Wiener "Haus des Meeres" nicht überlebten. Generell sind in "Österreich" Finanzhaie aber eher angesehen als simple Fische, was wir auch daran merken, dass das Schicksal vieler freilebender Haie schnurz ist. Diesen wird nämlich oft die Rückenflosse abgeschnitten (soll potenzfördernd oder irgendso ein Unsinn sein), worauf sie schrecklich krepieren.
"Mit dem gestrigen Auftritt waren auch die letzten Zweifel beseitigt. Bereits mehrten sich Gerüchte, der erfolgreichen Mode-Designerin und ihrem heranwachsenden Kind gehe es nicht gut." Gemeint ist Fiona Swarovski, die sich "auch in ihrer Wahlheimat Kitzbühel nicht mehr blicken liess". Wenn sich jemand "Österreich" nicht aufdrängt und man doch soooo gerne die Seiten füllen würde, dann wird "Österreich" ja geradezu dazu gedrängt, sich Sorgen zu machen und zu vermuten, es gehe jemandem nicht gut. Weil "Österreich" aber so hartnäckig ist, erfährt es, dass Frau Swarovski und Herr Grasser ein Mädchen erwarten.
"Heute", ebenfalls gratis erhältlich (allerdings gibt es hier keine umfangreichere 50 Cent-Version), wetteifert gerne mit "Österreich" um Banalität. "Nach Fußball-WM: Weniger Geburten!" stand am 11. Mai auf der Titelseite. Es gab neun Monate danach um 6,1 % weniger Babies. "Österreich" berichtet auch, relativiert aber etwas: die 6,1% waren ein Spitzentiefstwert im März 2007. Naja, zum Kindermachen gehören halt immer noch zwei, und wenn einer dauerhaft ausfällt.... Schlimmes wird auch bezogen auf die Fußball-EM nächstes Jahr in Wien befürchtet, wie der "Kurier" am selben Tag meldet: "Fußballfest mit Toilette-Fehlern". In Berlin wurden bei der WM pro Tag 400.000 Liter Bier getrunken, und davon die Hälfte abseits der Toiletten irgendwo hingepinkelt.
Vermutlich vor allem von Männern, die ohnehin, Hunden nicht unähnlich, den öffentlichen Raum auch abseits von Veranstaltungen oft als riesiges Klo betrachten. In Wien soll es eine Fanmeile geben, bei der sich tausende mobile Klos aneinander reihen. Parks in der Nähe möchte man sperren, was auch nichtpinkelnde nichttrinkende ganz normale StadtbewohnerInnen trifft. Mann stellt sich also darauf ein, dass sich Rudel von Männern wie wilde Horden aufführen, saufen bis zum Umfallen, überall hinpissen und dann womöglich auch noch die Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Sind die Herren Journalisten und Politiker denn wirklich so begeistert von diesem Bild, das zwangsläufig von Männern gezeichnet wird, oder wollen sie mal etwas dagegen unternehmen?
Nun zu den alternativen Medien: am 11. Mai wurde in Nürnberg der diesjährige Alternative Medienpreis verliehen, bei dem beispielsweise die umfangreiche Chronologie des Holocaust ausgezeichnet wurde oder der seit 37 Jahren in Nordrhein-Westfalen tätige Rote Reporter. Alles ist im Detail bei den Ceiberweibern nachzulesen (schließlich wurden wir "lobend erwähnt"), doch nun noch ein paar Worte zum Roten Reporter. In der Webausgabe gibt es auch ein Rätsel (Che-Feuerzeuge zu gewinnen), das Rätsel am Freitag, kurz RAF. Dies erinnert mich an eine andere RAF, nämlich Radfahren am Freitag, eine Initiative, die über einige Monate jeden Freitag nachmittag mit dem Rad durch Wien fuhr. Dabei gab es immer wieder Strafmandate der (genervten) Polizei, die auch bei völlig korrektem Verhalten erteilt wurden.
In langen Gasthaus-Sitzungen, bei denen Tränen gelacht wurden, formulierte man gemeinsam gefinkelte Einwendungen und erklärte sich bereit, Strafen sozusagen im Sonderangebot oder
im Dutzend billiger zu bezahlen (schließlich waren die Strafbescheide unfreiwilliges Kabarett). Eine Sternstunde von "RAF" kam, als viele linke Organisationen lieber auf Tauchstation gingen: 1995 wurden zwei "Linksradikale" tot neben einem Hochspannungsmasten gefunden, den sie angeblich sprengen wollten (mit einem Sprengsatz zu wenig für die Füße des Masten). Daraufhin wurde die linke Szene kriminalisiert, damit versucht, einen SPÖ-Innenminister und auch gleich die SPÖ-geführte Regierung loszuwerden. Der Minister hatte einst der Zeitschrift "TATblatt" gespendet - in der wiederum auch "RAF" gelegentlich vorkam. "RAF" wandte sich nun selbst an die Öffentlichkeit und erklärte pointiert die eigenen Aktivitäten, für welche die "Royal Air Force" Vorbild war....
"Das ist europäischer Musikrinderwahn" erfuhren beispielsweise die LeserInnen von "Österreich" am Tag des Song Contests, also gestern, in "Österreich". Diese Worte sprach Produzent Markus Spiegel aus, der meint, die Falschen kämen ins Finale. "Westen gegen Ost-Mafia" und "aus für Qualitätsmusik" sind hingegen von der Redaktion gefundene Worte, die verschleiern, dass nun mal die Beiträge "des Ostens" die Originelleren sind.
Ich schwankte dann, nebenbei aufräumend, zwischen Ukraine (Verka als würdige/r VertreterIn von Molwanien und Kasachstan) und Bulgarien (Elitsas Ethno-Lied mit Trommeln, ganz was anderes mal), sandte schließlich eine SMS mit "21" für Bulgarien. In Österreich lag Serbien vorne, vor der Türkei - offenbar stört die Leute also nicht, dass "der Westen" unter die Räder kommt. Oder haben alle MigrantInnen eifrig mitgestimmt?!
"West-Beiträge" waren nun mal mäßig interessant, etwa wenn die Briten die transsexuellen FlugbegleiterInnen imitierten, mit denen Slowenien einst antrat. Erheiternd war die Selbstpräsentation Finnlands samt erstaunter Kommentatoren-Kommentare: da ist ja immer nur Schnee und Eis! Tatsächlich stellte sich Finnland dar als Land, in dem nichts anderes getan wird, als in Schnee und Eis: baden, angeln, mit dem Schiff fahren, Einkaufen gehen, heiraten, Handy verwenden, Tango tanzen (kam das vor? müßte es fast!). Einzige Ausnahme: Weltmeisterschaft im Schlammfußball.
Da wäre dann noch der seltsame Musikgeschmack, zu dem schreiende Männerchöre ebenso gehören wie Apocalyptica und Lordi als Top-Bands. Achja, einst hatte Finnland einen Komponisten, einen gewissen Herrn Sibelius - sein einstiges Zuhause würde natürlich auch in Schnee und Eis besucht. Alles in allem ist es doch fein, dass der Song Contest vom für jüngere Peinlichen zu etwas wurde, das Menschen jeden Alters frank und frei ansehen dürfen, ohne sich dafür genieren zu müssen. Und lustiger ist es auch als einst, wo stundenlang sich kaum bewegende Personen in gerade moderner Kleidung langsame Lieder in unverständlichen Landessprachen von sich gaben....
Bevor "Österreich" zum Altpapier wandert, muss ich noch eine Bildunterschrift zitieren: "Augenschmaus. Wolfgang Fellner mit ÖSTERREICH-Top Model Oana Apetroaie (r.)" Zählt Herausgeber Wolfgang Fellner (m.) auch zum "Augenschmaus"? Ein "Österreich" vom 9.5.2007 (eine der Gratisausgaben natürlich) hab' ich mir aufgehoben, weils Absurdes en masse bringt. Paris Hilton hat "Angst vor Horror-Gefängnis", "Häflinge wollen sie quälen". Wer wird wohl ernsthaft glauben, dass das reiche Töchterchen wegen Verstößen einsetzt, die nur Normalsterbliche nicht anderswie begleichen können?
Ein anderer Häftling steht bei "Österreich" immer im Mittelpunkt des Interesses, auch wenn die Bawag-Affäre nicht nur auf seinem Mist gewachsen ist. Helmut Elsner will wieder ins Spital zurück, erfahren wir, Zellen sind halt nicht so komfortabel (dauernde Untersuchungen sind es vermutlich auch nicht, aber das ist die Frage von Pest und Cholera). Wir erfaren so Spannendes wie dass Elsner bei der Kur unter Bewachung ebenfalls unter Bewachung spazierenging, was freilich seit Wochen in den Zeitungen stand.
Ein Boulevardblatt braucht auch eine "Tiertragödie", bei der es diesmal immerhin nicht um Kuscheltiere, sondern um Haie geht. Genauer gesagt um jene sechs, die die Übersiedelung in ein anderes Becken im Wiener "Haus des Meeres" nicht überlebten. Generell sind in "Österreich" Finanzhaie aber eher angesehen als simple Fische, was wir auch daran merken, dass das Schicksal vieler freilebender Haie schnurz ist. Diesen wird nämlich oft die Rückenflosse abgeschnitten (soll potenzfördernd oder irgendso ein Unsinn sein), worauf sie schrecklich krepieren.
"Mit dem gestrigen Auftritt waren auch die letzten Zweifel beseitigt. Bereits mehrten sich Gerüchte, der erfolgreichen Mode-Designerin und ihrem heranwachsenden Kind gehe es nicht gut." Gemeint ist Fiona Swarovski, die sich "auch in ihrer Wahlheimat Kitzbühel nicht mehr blicken liess". Wenn sich jemand "Österreich" nicht aufdrängt und man doch soooo gerne die Seiten füllen würde, dann wird "Österreich" ja geradezu dazu gedrängt, sich Sorgen zu machen und zu vermuten, es gehe jemandem nicht gut. Weil "Österreich" aber so hartnäckig ist, erfährt es, dass Frau Swarovski und Herr Grasser ein Mädchen erwarten.
"Heute", ebenfalls gratis erhältlich (allerdings gibt es hier keine umfangreichere 50 Cent-Version), wetteifert gerne mit "Österreich" um Banalität. "Nach Fußball-WM: Weniger Geburten!" stand am 11. Mai auf der Titelseite. Es gab neun Monate danach um 6,1 % weniger Babies. "Österreich" berichtet auch, relativiert aber etwas: die 6,1% waren ein Spitzentiefstwert im März 2007. Naja, zum Kindermachen gehören halt immer noch zwei, und wenn einer dauerhaft ausfällt.... Schlimmes wird auch bezogen auf die Fußball-EM nächstes Jahr in Wien befürchtet, wie der "Kurier" am selben Tag meldet: "Fußballfest mit Toilette-Fehlern". In Berlin wurden bei der WM pro Tag 400.000 Liter Bier getrunken, und davon die Hälfte abseits der Toiletten irgendwo hingepinkelt.
Vermutlich vor allem von Männern, die ohnehin, Hunden nicht unähnlich, den öffentlichen Raum auch abseits von Veranstaltungen oft als riesiges Klo betrachten. In Wien soll es eine Fanmeile geben, bei der sich tausende mobile Klos aneinander reihen. Parks in der Nähe möchte man sperren, was auch nichtpinkelnde nichttrinkende ganz normale StadtbewohnerInnen trifft. Mann stellt sich also darauf ein, dass sich Rudel von Männern wie wilde Horden aufführen, saufen bis zum Umfallen, überall hinpissen und dann womöglich auch noch die Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Sind die Herren Journalisten und Politiker denn wirklich so begeistert von diesem Bild, das zwangsläufig von Männern gezeichnet wird, oder wollen sie mal etwas dagegen unternehmen?
Nun zu den alternativen Medien: am 11. Mai wurde in Nürnberg der diesjährige Alternative Medienpreis verliehen, bei dem beispielsweise die umfangreiche Chronologie des Holocaust ausgezeichnet wurde oder der seit 37 Jahren in Nordrhein-Westfalen tätige Rote Reporter. Alles ist im Detail bei den Ceiberweibern nachzulesen (schließlich wurden wir "lobend erwähnt"), doch nun noch ein paar Worte zum Roten Reporter. In der Webausgabe gibt es auch ein Rätsel (Che-Feuerzeuge zu gewinnen), das Rätsel am Freitag, kurz RAF. Dies erinnert mich an eine andere RAF, nämlich Radfahren am Freitag, eine Initiative, die über einige Monate jeden Freitag nachmittag mit dem Rad durch Wien fuhr. Dabei gab es immer wieder Strafmandate der (genervten) Polizei, die auch bei völlig korrektem Verhalten erteilt wurden.
In langen Gasthaus-Sitzungen, bei denen Tränen gelacht wurden, formulierte man gemeinsam gefinkelte Einwendungen und erklärte sich bereit, Strafen sozusagen im Sonderangebot oder
im Dutzend billiger zu bezahlen (schließlich waren die Strafbescheide unfreiwilliges Kabarett). Eine Sternstunde von "RAF" kam, als viele linke Organisationen lieber auf Tauchstation gingen: 1995 wurden zwei "Linksradikale" tot neben einem Hochspannungsmasten gefunden, den sie angeblich sprengen wollten (mit einem Sprengsatz zu wenig für die Füße des Masten). Daraufhin wurde die linke Szene kriminalisiert, damit versucht, einen SPÖ-Innenminister und auch gleich die SPÖ-geführte Regierung loszuwerden. Der Minister hatte einst der Zeitschrift "TATblatt" gespendet - in der wiederum auch "RAF" gelegentlich vorkam. "RAF" wandte sich nun selbst an die Öffentlichkeit und erklärte pointiert die eigenen Aktivitäten, für welche die "Royal Air Force" Vorbild war....
Labels:
Elsner,
Fellner,
Fiona,
Fußball-EM,
Medienpreis,
Radfahren,
Roter Reporter,
Songcontest
10.05.07
Kalte Tage im Mai
Angeblich soll's heute wieder richtig schön werden, zumindest laut Wetterbericht von gestern. Derzeit, vormittags, ist davon allerdings noch nichts zu bemerken. Der Wind pfeift nur so zwischen den Häusern hindurch, was bei uns immer besonders stark zu spüren ist. Die Bäume wiegen sich im Wind, und mein Blick fällt auf den Eimer, der das Regenwasser der letzten Tage aufgefangen hat. Er ist schon wieder fast voll geworden. Es hat in Wien bis 9. Mai bereits das geregnet, was "normalerweise" im Mai so runterkommt.
Was ist schon "normal" nach dem dürren April? Dennoch sollten wir bei der Medienberichterstattung vorsichtig sein, da diese Extreme sehr liebt, Konsequenzen aber weit weniger. "Keine Zeitung - keine Ahnung" wirbt derzeit der Verband der Zeitungsherausgeber für das Lesen (und besonders wohl: Kaufen) heimischer Printmedien. "Eine Zeitung und trotzdem keine Ahnung" kann man aber vieles übertiteln, was nicht nur in Sachen Klima in letzter Zeit gedruckt wird, wie die Ceiberweiber hier ausführen.
Da wird ein Nestle-Sprecher gelobt, weil er vor Wassermangel warnt, obwohl der Konzern eine grosse Rolle auf dem Weltwassermarkt spielt und versucht, Brunnenwasser zugunsten von Flaschenwasser zu diskreditieren. Profit auf dem Rücken der Armen, wie einst in Sachen Babynahrung statt Muttermilch. Derlei geht an diversen Printmedien aber ebenso spurlos vorbei wie die Tatsache, dass die Mittelmeerregionen nicht wegen trockener Perioden unter Wassermangel leiden, sondern weil dort beispielsweise Erdbeeren für unsere winterlichen Supermarktregale angebaut werden.
Apropos Discounter: gestern sah ich die Wiederholung einer Sendung auf Arte, wo deren Methoden veranschaulicht wurden. Es ging nicht um haarsträubende Bedingungen, die Lieferanten aufgezwungen werden (die bekanntlich selbst für Geschäftseinrichtungen Beiträge bezahlen müssen), sondern um Arbeitsbedingungen. Die Art und Weise, wie (im Film namentlich genannt, aber sicher nicht die Einzigen) Schlecker, Aldi und besonders Lidl mit allermeist weiblichen Angestellten umgehen, erinnert an Berichte über Bordelle, Zuhälterei und Zwangsprostitution.
Damit meine ich nicht alle Details des findigen Umgangs mit Frauen, die selbst nicht sonderlich toll bezahlte Jobs brauchen (wo die Alternativen, wenn vorhanden, ebenfalls nicht viel einbrächten), sondern die verbreitete Atmosphäre. Da wird einer Angestellten bei Lidl, die dafür sorgt, dass Frauen, die 12 Stunden im Geschäft sind, wenigstens kurze Pausen machen können, unterstellt, sie habe geklaut. Zwei Männer, entsandt von der Geschäftsleitung, zwingen sie dazu, eine Art Auflösungsvertrag ihres Dienstverhältnisses zu unterschreiben. Als sie mit dem Handy Hilfe holen will, unterbinden sie dies.
Die Frau klagt wegen Nötigung, ehemalige Angestellte kommen als Zeuginnen und beschreiben, wie sich abzeichnete, dass sie rausgemobbt wird. Die beiden aalglatten Herren, begleitet von teuren Anwälten, die sich der Konzern sehr wohl leisten kann, werden freigesprochen. Nur wenige gehen überhaupt zu Gericht, die meisten resignieren, können es entweder nicht wagen, etwas zu unternehmen, oder ahnen, dass es keinen Sinn haben wird. In einem anderen Fall, bei einem anderen Discounter, wurde eine Frau dazu gebracht, bei einem Notar zu unterschreiben, dass sie für einen behaupteten Diebstahl eines Bekannten aufkomme.
Sie hatte panische Angst und hätte alles unterschrieben, sagt sie den ReporterInnen. Nun stottert sie 5000 Euro ab, was natürlich auch in keinem Verhältnis zum angeblichen Diebstahl steht. Bei Schlecker müssen die Beschäftigten hingegen fürchten, dass Geschäfte ausgeraubt werden, da oft nur eine Angestellte den ganzen Laden schmeisst. Wer damit psychisch nicht fertig wird, kann gehen. Gewerkschaften werden nicht gern gesehen, BetriebsrätInnen gibt es meistens gar nicht - sodass die Discounter unangenehm überrascht sind, wenn sie beispielsweise nach Frankreich expandieren, wo die Gewerkschaften stark auftreten.
Die "harmloseren", uns allen bekannten Dinge, die sich auch in Gesprächen an der Supermarktkassa feststellen lassen, sind da noch die laufenden unbezahlten Überstunden. Selbst Kräfte, die nur nebenbei arbeiten, kommen an jedem Tag im Betrieb auf mehr als eine solche Überstunde. Angesichts teurer Konzernzentralen, teurem Management, teuren Anwälten und dem Vermögen der Besitzer solcher Ketten geht es wohl kaum um die Euros, die sich zusammenläppern, wenn tausende Menschen täglich viele tausende Stunden unbezahlt arbeiten. Es ist wohl eher ein Unterdrückungsinstrument, das sich in diesem Fall vor allem gegen Frauen richtet. Und das längst mehr Empörung ausgelöst hätte, wären in der Hauptsache Männer die Opfer.
Aber Frauen arbeiten sowieso viel unbezahlt - und können aufgrund ihrer schlechteren ökonomischen Position auch weniger wählerisch sein bei Jobs, was sie erpressbar macht. Dies fällt übrigens nicht mal vielen Arbeitslosen-Aktivisten auf, die derzeit via Mailingliste über einen eigenen Preisindex diskutieren, da zumindest gewisse Tarife wie öffentlicher Verkehr doch an die finanziellen Möglichkeiten angepasst werden sollten. Gute Idee - aber ist einem der Herren schon mal aufgefallen, dass Frauen im Durchschnitt 600 Euro weniger im Monat zur Verfügung haben als Männer und dennoch für alles das Gleiche bezahlen müssen?
Aus der deutschen Szene gibt es etwas Amüsantes zu melden: ein Hartz IV-Schnüffler bekam Besuch von den "Überflüssigen", die seine Lebensverhältnisse auskundschafteten. In Deutschland, aber auch bei uns, ist ja keine Massnahme zu aufwändig und zu teuer, die Menschen disziplinieren könnte, welche angeblich nicht arbeiten "wollen". Bei uns kam kurz in Diskussion, hohe Zuschüsse zur Übersiedelung von Menschen zu bezahlen, die in einem anderen Bundesland Arbeit finden. Was mit einer Partnerin oder einem Partner passiert, die/der im Heimatbundesland beschäftigt sind, oder was sein wird, wenn der neue Arbeitsplatz auch mal abgebaut wird, verrieten unsere Politiker nicht. Aber vielleicht ist das ja inzwischen vom Tisch?
Gerne ergehen sich auch diverse Wissenschafter in Zeitungskommentaren darüber, wie sinnstiftend Arbeit doch sei, sodass man den Menschen keinen Gefallen täte, wenn das Sozialsystem zu grosszügig sei. Allerdings handelt es sich bei diesen Kommentatoren um Männer, die selber sehr gut bezahlt werden und weitgehend selbstbestimmt arbeiten können (Unangenehmeres oder Faderes kann mann ja an AssistentInnen und StudentInnen delegieren). Dass es fremdbestimmte Arbeit gibt, bei der ständiger Druck herrscht und wo auch elementare Rechte verletzt werden (siehe Beispiel Discounter), ist ihnen offenbar noch nie in den Sinn gekommen.
In diversen Diskussionen auch bspw. im deutschen TV schwärmen männliche "Eliten" von Billigstjobs und verteufeln Arbeitslose, die sich darauf nicht einlassen wollen. Dass Menschen mit drei Euro Stundenlohn eher verhungern als per Konsum zur Wirtschaft beizutragen, scheint ihnen nicht zu dämmern. Damit wird klar, dass es eine Machtfrage ist: die "Eliten" legen die Arbeitsbedingungen für sich selbst fest (Spitzengehälter, Gratifikationen und Extras, die bis zum Bordellbesuch zwecks Ausbeutung von Frauen gehen) und für andere, die ihnen unterworfen sind.
Jede dieser Debatten liefe ganz anders, stünden den Herren Frauen und Männer gegenüber, die ihre Arbeitsbedingungen ebenfalls selbst festlegen wollen. Eigentlich sollte die Gewerkschaft traditionell so eine Funktion übernehmen - in Österreich nähert sie sich im Schneckentempo der Erkenntnis, dass man Arbeitslose und Atypisch Beschäftigte in die Vertretung einschließen muss. Wahrscheinlich hat man's geschnallt, wenn der letzte der typischen Klientel des stereotypen Stahlarbeiters in Pension gegangen ist.
Was ist schon "normal" nach dem dürren April? Dennoch sollten wir bei der Medienberichterstattung vorsichtig sein, da diese Extreme sehr liebt, Konsequenzen aber weit weniger. "Keine Zeitung - keine Ahnung" wirbt derzeit der Verband der Zeitungsherausgeber für das Lesen (und besonders wohl: Kaufen) heimischer Printmedien. "Eine Zeitung und trotzdem keine Ahnung" kann man aber vieles übertiteln, was nicht nur in Sachen Klima in letzter Zeit gedruckt wird, wie die Ceiberweiber hier ausführen.
Da wird ein Nestle-Sprecher gelobt, weil er vor Wassermangel warnt, obwohl der Konzern eine grosse Rolle auf dem Weltwassermarkt spielt und versucht, Brunnenwasser zugunsten von Flaschenwasser zu diskreditieren. Profit auf dem Rücken der Armen, wie einst in Sachen Babynahrung statt Muttermilch. Derlei geht an diversen Printmedien aber ebenso spurlos vorbei wie die Tatsache, dass die Mittelmeerregionen nicht wegen trockener Perioden unter Wassermangel leiden, sondern weil dort beispielsweise Erdbeeren für unsere winterlichen Supermarktregale angebaut werden.
Apropos Discounter: gestern sah ich die Wiederholung einer Sendung auf Arte, wo deren Methoden veranschaulicht wurden. Es ging nicht um haarsträubende Bedingungen, die Lieferanten aufgezwungen werden (die bekanntlich selbst für Geschäftseinrichtungen Beiträge bezahlen müssen), sondern um Arbeitsbedingungen. Die Art und Weise, wie (im Film namentlich genannt, aber sicher nicht die Einzigen) Schlecker, Aldi und besonders Lidl mit allermeist weiblichen Angestellten umgehen, erinnert an Berichte über Bordelle, Zuhälterei und Zwangsprostitution.
Damit meine ich nicht alle Details des findigen Umgangs mit Frauen, die selbst nicht sonderlich toll bezahlte Jobs brauchen (wo die Alternativen, wenn vorhanden, ebenfalls nicht viel einbrächten), sondern die verbreitete Atmosphäre. Da wird einer Angestellten bei Lidl, die dafür sorgt, dass Frauen, die 12 Stunden im Geschäft sind, wenigstens kurze Pausen machen können, unterstellt, sie habe geklaut. Zwei Männer, entsandt von der Geschäftsleitung, zwingen sie dazu, eine Art Auflösungsvertrag ihres Dienstverhältnisses zu unterschreiben. Als sie mit dem Handy Hilfe holen will, unterbinden sie dies.
Die Frau klagt wegen Nötigung, ehemalige Angestellte kommen als Zeuginnen und beschreiben, wie sich abzeichnete, dass sie rausgemobbt wird. Die beiden aalglatten Herren, begleitet von teuren Anwälten, die sich der Konzern sehr wohl leisten kann, werden freigesprochen. Nur wenige gehen überhaupt zu Gericht, die meisten resignieren, können es entweder nicht wagen, etwas zu unternehmen, oder ahnen, dass es keinen Sinn haben wird. In einem anderen Fall, bei einem anderen Discounter, wurde eine Frau dazu gebracht, bei einem Notar zu unterschreiben, dass sie für einen behaupteten Diebstahl eines Bekannten aufkomme.
Sie hatte panische Angst und hätte alles unterschrieben, sagt sie den ReporterInnen. Nun stottert sie 5000 Euro ab, was natürlich auch in keinem Verhältnis zum angeblichen Diebstahl steht. Bei Schlecker müssen die Beschäftigten hingegen fürchten, dass Geschäfte ausgeraubt werden, da oft nur eine Angestellte den ganzen Laden schmeisst. Wer damit psychisch nicht fertig wird, kann gehen. Gewerkschaften werden nicht gern gesehen, BetriebsrätInnen gibt es meistens gar nicht - sodass die Discounter unangenehm überrascht sind, wenn sie beispielsweise nach Frankreich expandieren, wo die Gewerkschaften stark auftreten.
Die "harmloseren", uns allen bekannten Dinge, die sich auch in Gesprächen an der Supermarktkassa feststellen lassen, sind da noch die laufenden unbezahlten Überstunden. Selbst Kräfte, die nur nebenbei arbeiten, kommen an jedem Tag im Betrieb auf mehr als eine solche Überstunde. Angesichts teurer Konzernzentralen, teurem Management, teuren Anwälten und dem Vermögen der Besitzer solcher Ketten geht es wohl kaum um die Euros, die sich zusammenläppern, wenn tausende Menschen täglich viele tausende Stunden unbezahlt arbeiten. Es ist wohl eher ein Unterdrückungsinstrument, das sich in diesem Fall vor allem gegen Frauen richtet. Und das längst mehr Empörung ausgelöst hätte, wären in der Hauptsache Männer die Opfer.
Aber Frauen arbeiten sowieso viel unbezahlt - und können aufgrund ihrer schlechteren ökonomischen Position auch weniger wählerisch sein bei Jobs, was sie erpressbar macht. Dies fällt übrigens nicht mal vielen Arbeitslosen-Aktivisten auf, die derzeit via Mailingliste über einen eigenen Preisindex diskutieren, da zumindest gewisse Tarife wie öffentlicher Verkehr doch an die finanziellen Möglichkeiten angepasst werden sollten. Gute Idee - aber ist einem der Herren schon mal aufgefallen, dass Frauen im Durchschnitt 600 Euro weniger im Monat zur Verfügung haben als Männer und dennoch für alles das Gleiche bezahlen müssen?
Aus der deutschen Szene gibt es etwas Amüsantes zu melden: ein Hartz IV-Schnüffler bekam Besuch von den "Überflüssigen", die seine Lebensverhältnisse auskundschafteten. In Deutschland, aber auch bei uns, ist ja keine Massnahme zu aufwändig und zu teuer, die Menschen disziplinieren könnte, welche angeblich nicht arbeiten "wollen". Bei uns kam kurz in Diskussion, hohe Zuschüsse zur Übersiedelung von Menschen zu bezahlen, die in einem anderen Bundesland Arbeit finden. Was mit einer Partnerin oder einem Partner passiert, die/der im Heimatbundesland beschäftigt sind, oder was sein wird, wenn der neue Arbeitsplatz auch mal abgebaut wird, verrieten unsere Politiker nicht. Aber vielleicht ist das ja inzwischen vom Tisch?
Gerne ergehen sich auch diverse Wissenschafter in Zeitungskommentaren darüber, wie sinnstiftend Arbeit doch sei, sodass man den Menschen keinen Gefallen täte, wenn das Sozialsystem zu grosszügig sei. Allerdings handelt es sich bei diesen Kommentatoren um Männer, die selber sehr gut bezahlt werden und weitgehend selbstbestimmt arbeiten können (Unangenehmeres oder Faderes kann mann ja an AssistentInnen und StudentInnen delegieren). Dass es fremdbestimmte Arbeit gibt, bei der ständiger Druck herrscht und wo auch elementare Rechte verletzt werden (siehe Beispiel Discounter), ist ihnen offenbar noch nie in den Sinn gekommen.
In diversen Diskussionen auch bspw. im deutschen TV schwärmen männliche "Eliten" von Billigstjobs und verteufeln Arbeitslose, die sich darauf nicht einlassen wollen. Dass Menschen mit drei Euro Stundenlohn eher verhungern als per Konsum zur Wirtschaft beizutragen, scheint ihnen nicht zu dämmern. Damit wird klar, dass es eine Machtfrage ist: die "Eliten" legen die Arbeitsbedingungen für sich selbst fest (Spitzengehälter, Gratifikationen und Extras, die bis zum Bordellbesuch zwecks Ausbeutung von Frauen gehen) und für andere, die ihnen unterworfen sind.
Jede dieser Debatten liefe ganz anders, stünden den Herren Frauen und Männer gegenüber, die ihre Arbeitsbedingungen ebenfalls selbst festlegen wollen. Eigentlich sollte die Gewerkschaft traditionell so eine Funktion übernehmen - in Österreich nähert sie sich im Schneckentempo der Erkenntnis, dass man Arbeitslose und Atypisch Beschäftigte in die Vertretung einschließen muss. Wahrscheinlich hat man's geschnallt, wenn der letzte der typischen Klientel des stereotypen Stahlarbeiters in Pension gegangen ist.
Abonnieren
Posts (Atom)