29.08.07

Vizekanzler ohne "Glamourfaktor"

@ Sommergespräche 28.8.2007 mit Wilhelm Molterer

Erste Feststellung: schöne Umgebung, auch wieder ein bißchen Wasser, diesmal kein Biotop oder See, sondern ein Fluß, das Ganze spielt in Steyr, Heimatstadt Molterers. Hinter dem Vizekanzler Kirchturmspitzen, die das "Gesamtbild" in Österreich nicht stören, da sie keine Minarette sind.

Molterer, der von Florian Scheuba in der "Die 4 da"-Folge "Beim Schwarzbauern" überzeugend als so trocken, dass man das nicht spielen kann dargestellt wurde, wirkte relativ lebhaft. Zumindest im Vergleich zu Van der Bellen, der auch viel undeutlicher sprach, war er ein Ausbund an Lebensfreude. Für NormalbürgerInnen aber gerade mal so weit, dass man so 10, 15 Minuten gut zuhören kann. (Und den Rest der Zeit mit laut aufgedrehtem Fernseher bloggenderweise verbringt :-)

"Hervorragende Regierungspolitik" und "die Handschrift der ÖVP" stehen auf meinem Zettel, von mir dazwischen gekritzelt aber: "und die APA-Aussendungen?", mit denen einander die regierenden Parteien, jedoch auch diese intern kritisieren. So macht große Koalition Spaß! Molterer will die "Voraussetzungen für Erfolg schaffen", was angesichts mehrerer verlorener Wahlen kühn erscheinen mag. 2002 war aber eine Ausnahme, wer gewinnt schon sonst als Regierungspartei so viele Stimmen hinzu?

Selbstkritisch meint er, dies werde in der Geschichte einmalig sein, ist aber sicher, dass die ÖVP Landtagswahlen in Tirol und Oberösterreich gewinnt. Welche Rolle Ex-Kanzler Schüssel spielt, wollen Elmar Oberhauser (ORF) und Herbert Lackner (profil) klarerweise wissen. Molterer selbst habe ihn gebeten, Klubobmann zu sein, aber er sei Parteiobmann, mit einer "ganz massiven" Verantwortung. Mit dieser habe er erst umgehen lernen müssen, meint er selbstkritisch und läßt offen, wer bei der Wahl 2010 Spitzenkandidat wird.

Es sei eine massive Belastung, zugleich Vizekanzler, Finanzminister und Parteiobmann zu sein. Molterer wolle sich in diesen Rolle nicht verändern, denn es bestehe immer das Risiko, dass das Amt einen verändere, er habe schon "viele Kunstprodukte" in der Politik gesehen, Menschen, die Sklaven ihres geänderten Images wurden. Man kann hier hineininterpretieren, dass sich Molterer als Übergangslösung betrachtet oder aber, dass er seine Rolle reflektieren und abstrahieren kann. Dies verbindet ihm durchaus mit Kanzler Alfred Gusenbauer, im Gegensatz zu vielen inhaltlichen Positionen.

"Machtworte" will er in Sachen Perspektivengruppe erst dann sprechen, wenn am 1.10.2007 die Ergebnisse vorliegen und bewertet werden sollen. Eine Abschaffung der Neutralität, so ein exotischer Vorschlag aus der Gruppe, kommt für ihn dezidiert nicht in Frage (es wollen dies immer noch jene Medien herbeischrei(b)en, die sofort bereit waren, Minister Darabos im Einklang mit "Rügen" aus den USA zu schelten). Immerhin stammt die Idee einer Senkung des Wahlalters auf 16, die bereits umgesetzt wird, auch aus der Gruppe.

Ein wenig wurde die SPÖ ideologisch gescholten, von wegen "keine linken Träumereien" oder dass manche das Regierungsprogramm aushebeln wollten (klar, es trägt ja angeblich die "Handschrift der ÖVP"!). Bei solchen Themen senkte Molterer schon mal den Blick, konnte uns nicht in die Augen sehen. Er werde die schwierigeren Bereiche im Herbst mit Gusenbauer besprechen, sagte er. Oberhauser zitierte dauernd Landeshauptmann Pröll, der gegenseitige Presseaussendungen der Regierungsparteien und die vielen öffentlichen Stimmen der Perspektivengruppe (die sein Neffe Josef leitet, der Umweltminister) gar nicht goutiert.

Er gibt Pröll teilweise Recht, denn in der Außenwirkung sieht es nach Profilierung Einzelner in der Regierung aus. Die "Zwangsgesamtschule" wird der SPÖ um die Ohren geworfen, den Frauen (warum immer uns? sind wir sooo klein? :-) der Kndergarten für unter 3jahrige, "keine Selbstverständlichkeit" in seiner Partei. Ich denke auch, dass in der ÖVP mehr 60jährige als 3jährige im Kindergarten sind.... Führungsschwäche will er nicht beim Koalitionspartner sehen, er nennt es "Koordinationsnotwendigkeit".

Man kann Regierungstätigkeiten nicht outsourcen, ist sein Statement zu Gusenbauers Klimabeauftragtem Andreas Wabl, sonst hätten wir "Regierungsbeauftragte für Regierungstätigkeit". Gusenbauer habe sich mit Wabl selbst ein Ei gelegt, das werde er noch merken. Von Strache distanziert sich Molterer, da dieser keine Distanz zu seiner Vergangenheit in Neonazi-Kreisen gefunden habe und daher nicht regierungsfähig sei (Molterer redet mit gesenktem Blick, nennt Straches Vergehen nicht beim Namen). Den guten Eindruck den man da von ihm gewinnt, macht er jedoch sofort zunichte, da Strache schon auch mal "richtige Fragen" stelle.

Somit landet die Diskussion beim geplanten Moscheeverbot von Straches einstigem Vorbild Haider, nur dass Molterer auf die Religionsfreiheit und den staatlich anerkannten Islam verweist, Österreich war aber nie ein islamisches Land und wird auch nie eines sein. Molterer betont Werte wie Gleichberechtigung und die Ablehnung von Zwangsheirat und ist somit auch einer, der vor allem im Konnex islamischer Länder an Frauenrechte denkt, Man müsse auch achtgeben, was in islamischen Gotteshäusern gepredigt wird, warnt "Pater Willi", wie ihn manche im Web nennen.

Man muss auch achtgeben, was Fundichristen etwa um Bischof Laun so alles ungeachtet der in Östereich geltenden Verfassung und der Gesetze von sich geben, notiere ich dazu. Wirtschaftspolitisch kann sich Molterer keine Steuerentlastung vorstellen, da derlei in der Hochkonjunktur unvernünftig sei, und er warnt davor, die Finanzmarktkrise zu unterschätzen, sie sei noch nicht ausgestanden (womit er Recht hat). Molterer setzt sich, auch im EU-Rat, aber immerhin für Mitarbeiterbeteiligung ein...

Siehe auch sommergespraeche.blogspot.com

und neu bei der CeiberWeibern: Sozialminister Erwin Buchinger hat einen Kommentar zu seinem Männerbild geschrieben. Mag jemand bei der ÖVP-Perspektivengruppe vielleicht sein Männerbild schildern? :-)

Und zu Angela Merkels Chinabesuch, wo sie klar Menschenrechtsfragen anspricht, bei denen manch andere Delegationen vage blieben: Kämpft sie wirklich für unteilbare Menschenrechte?

Keine Kommentare: