11.08.07

Europa bezahlt für Amerika

Der Zusammenbruch eines Systems, das auf Papiergeld beruht und nicht durch Gold abgesichert ist, musste einmal kommen. Nicht umsonst wechseln Staaten im Rohstoffhandel gerne zum Euro, sofern sie nicht durch amerikanischen Drohungen davon abgehalten werden. Die amerikanische Notenbank ist privat, nicht staatlich und druckt bei Bedarf einfach mehr Dollar (Details siehe auch 3. Teil im Film Zeitgeist).

Wir bezahlen für Amerika, stellen viele fest: Die USA haben es schon lange verstanden, über ihre Verhältnisse zu leben. Sie haben sich teuere Kriege geleistet, wie in Vietnam und Irak, und das Ausland dafür zahlen lassen, weil sie einfach die Reservewährung Dollar drucken konnten und in unruhigen Zeiten nicht einmal einen Sturz der als „safe haven" betrachteten Währung befürchten mußten. Sie konnten sich aus der letzten Wirtschafts- und Börsenkrise besser als alle anderen befreien, indem sie (a) das Haushaltsdefizit und die öffentliche Verschuldung hochgefahren haben, (b) die Binnenwirtschaft durch billige und - wie man jetzt sieht - zu einem großen Teil faule Kredite angekurbelt haben, die dann zu großen Teilen an ausländische Käufer verscherbelt wurden, und (c) sich bei einer stark negativen Handelsbilanz überhaupt massiv im Ausland verschuldet haben. Das reichste Land der Welt ist so zum größten Kapitalimportland geworden.

Man kann sich ja auch denken, dass immer teurere Krieg irgendwie finanziert werden müssen und das Geld, wenn nicht extra dafür angespart, geliehen werden muss (und eben auch gedruckt). Weiteres zur derzeitigen Finanzkrise wird hier analysiert. Vielleicht ein Zufall, dass der BAWAG-Prozess läuft, wo auch von Kasinokapitalismus dier Rede war, doch andererseits auch wieder nicht, da eine amerikanische Investmentfirma und Spekulationen der Bank den Hals brachen.

Die dafür verantwortlichen Männer gaben sich vor Gericht als Riesenbabies in der Sandkiste, die ja nur ein bisschen spielen wollten und dabei auch satte Gehälter kasiserten bzw. vor allem auf dem Golfplatz anzutreffen waren. Immer mehr Banken brauchen nun Finanzspritzen von der EZB, die ansonsten normalen Menschen vor allen dadurch ein Begriff ist, dass ihre Kreditraten dauernd teurer werden. Dafür ist die Kohle also da! Müssen wird das dann wieder büßen?!

Gerne wird aber in Kommentaren die EU geprügelt, wegen des Deals zur Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern in Libyen, wo sie angeblich Menschen mit AIDS infizierten, was natürlich absurd ist. Nun spricht Gadafis Sohn Saif Al Islam davon, dass sie gefoltert wurden, mit Elektroschocks, um Geständnisse zu erzwingen. Ausgerechnet jetzt sagt er das, kann man sich fragen, doch er soll sich schon lange für die Freilassung eingesetzt haben, über die sein Vater nicht so ohne weiteres verfügen konnte, da er nicht über die Gerichte bestimmen könne. Postete jedenfalls jemand beim "Standard", der in Libyen lebte.

Allerdings betätigen sich viele derer, die nun eine schwache EU geißeln, die Menschenrechte nicht achtet, ansonsten als Jubeltruppe für die Politik der USA. "Embedded journalists" nenne ich sie gerne, in bed with the White House, was man nicht nur am Schauplatz der Terrorkriege sein kann. Vor ein paar Wochen war ich bei einer Pressekonferenz, bei der es detaillierte und umfassende Medienschelte gab. Wer selbst in der Branche ist, weiss, wie selten so ein Ereignis ist. Die Themenstellung war zudem eine andere, es ging um neue Informationsarbeit der Vertretung des Eu-Parlaments in Wien.

Denn selbst gut aufbereitet Informationen, Pressekonferenzen, Veranstaltungen, Ansprechpartner helfen nicht wirklich darüber hinweg, dass die EU wenn, dann meist negativ vorkommt und besonders auch das Parlament als teure Quatschbude hingestellt wird. "Brüssel" wird speziell im Kleinformat, wo wenig Platz ist für Texte neben den bunten Bildern, als Hort der Bürokratie, der unverständlichen Verordnungen, der falschen Entscheidungen und der Verschwendung hingestellt. Nichts gegen berechtigte Kritik, von der es wie anderswo auch genug gibt. Doch geht die Art und Weise, wie die EU dargestellt wird, einher mit dem xten angeblichen Terrorvideo Osama bin Ladens (natürlich alte Bilder, aber die Stimme soll ganz frisch und neu sein) anderswo in den Blättern, einher mit unkritischer Berichterstattung über US-Politik (unkritisch ist auch, nur die toten Soldaten zu erwähnen, nicht die sog. ZivilistInnen, nicht die Opfer von Depleted Uranium usw.).

Bei dieser Pressekonferenz zog nun der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas gewaltig vom Leder, wie ich im Artikel zitierte: die Wirklichkeit, nämlich die Gleichstellung des EU-Parlaments mit den Regierungsvertretern im Rat und der FraktionsführerInnen mit den Klubobmännern im heimischen Parlament sei in der Medienöffentlichkeit nicht abgebildet. Seine letzten Einladungen zu wichtigen ORF-Terminen mit Gelegenheit zu ausführlicher Stellungnahme (Pressestunde im TV, Im Journal zu Gast im Radio) seien im Jahr 2004 erfolgt, also wegen der EU-Wahl.


"Wir werden hier nicht verwöhnt", beurteilt Karas die österreichischen Medien und ihren Umgang mit EU-Themen. Aber nicht nur diese vernachlässigen die Aufklärungarbeit, es gibt außer dem Vertretungsbüro auch keine Einrichtung, die der Bedeutung der Arbeit der Abgeordneten gerecht wird. Karin Scheele schließt sich seiner Kritik an und ergänzt, dass die Abgeordneten auch darauf angewiesen sind, dass hier politisch tätige Personen sich an der Vermittlung der EU-Ebene und ihrer Themenstellungen beteiligen. Es ist nicht nur des straffen Terminkalenders durch Plena, Ausschüsse, Fraktionssitzungen, Reisen mit Delegationen etc. wegen unmöglich, die ganze Arbeit den Abgeordneten zu überlassen, die immer nur tageweise in Österreich sind.

Oha, mag man sich denken, doch es ging noch weiter: Die Sündenbockfunktion, die der EU vielfach aufgehalst wird, ist den Abgeordneten schon viel zu vertraut, als dass sie sich drüber ärgern würden, meint Scheele. Es sei aber beunruhigend, weil dies Distanz schaffe und suggeriert wird, auf EU-Ebene werde ganz anders Politik gemacht als in Österreich, also auf undurchschaubare Weise. Abhilfe sollen regelmäßige gemeinsame Pressekonferenzen vom Vertretungsbüro mit Abgeordneten schaffen, deren Öffentlichkeitsarbeit ansonsten im Rahmen des EU-Parlaments stattfindet und die bei einzelnen Pressekonferenzen in Österreich nicht unbedingt von Medieninteresse überrannt werden. Teilweise läßt sich beobachten (zuletzt anhand einer Delegation des EP nach Palästina), dass österreichische Abgeordnete in deutschen Medien ausführlicher vorkommen als in heimischen.

Wie ist sowas möglich? (Übrigens ist auch nur deswegen möglich, dass mir diese Diskrepanz auffällt, weil ich einen Abgeordneten gut kenne und daher natürlich die Berichterstattung verfolge, wenn er nach einigem Zögern doch mal bei einer Nahost-Delegation ist, was für Juden nicht einfach nur eine weitere Reise darstellt.) Ein wenig Betroffenheit mag man erwartet haben, wenn gut untermauert Beschwerde geführt wird, doch weit gefehlt: es wurden vor allem Fragen gestellt, die mit der Kritik nichts zu tun hatten, sodass außer mir niemand wirklich darauf einging, und ich hatte auch Vorschläge:

Aufgrund meiner Erfahrungen mit Infos von Abgeordneten wollte ich wissen, ob man die Materialien nicht in Zukunft "benutzerfreundlicher" gestalten kann. Wenn ich Studien vom EP bekomme, dann sind das brandneue 60, 70seitige pdf-Dokumente in Englisch (nicht alles kann sofort in alle Sprachen übersetzt werden), die ich dann durcharbeite und in einem Artikel zusammenfasse. Wahrscheinlich bin ich da eher die Ausnahme, da sich andere diese Mühe gar nicht erst machen. Hier wäre hilfreich, wenn nicht nur kurze Pressestatements der Abgeordneten (die sicherlich oft die Haupt-Pressearbeit in Straßburg und Brüssel machen, weil sie ja für Ausschüsse sprechen) verschickt würden, sondern auch Zusammenfassungen auf ein paar Seiten. Diese Anregung wird aufgegriffen - und auch, dass der Jargon, in den Abgeordnete automatisch verfallen, oft nur für Interessierte verständlich ist.

Nunja, "die EU" ist weiterhin präsent, wenn's Eurobarometer-Umfragen gibt (darüber schreibt man gerne genüßlich, während ich auf Umfragen "wie zufrieden sind Sie mit Österreich?" noch warte) und wenn man "schwere Gänge" bei Kontakten zwischen EU-PolitikerInnen und der amerikanischen Regierung vermuten kann. Was die Abgeordneten betrifft, so kommen sie nicht nur konträr ihrem tatsächlichen Einfluss vor, sondern werden auch genau so dargestellt, wie sie nicht sind, sondern wie eher durchschnittliche Abgeordnete in nationalen Parlamenten beschrieben werden. Auf EU-Ebene ist man nämlich unabhängiger von den Fraktionen zuhause, ergo auch weniger an vorgegebene parlamentarische Mehrheiten gebunden, man erweitert seinen Horizont, ist stets mit Neuem konfrontiert und kann als Individuum in Ausschüssen oder anderen Gremien Meriten erwerben.

Mit anderen Worten: EU-Abgeordnete sind echte Konkurrenz zu jenen, die daheim gewählt werden und würden frischen Wind und vielleicht auch mehr Rückgrat in die Politik bringen. Wer dies nicht will, stellt sie als abgehalfterte Politiker im Ausgedinge dar (statt das Ausgedinge in den Hinterbänken im nationalen Parlament zu vermuten: das Einkommen ist gleich, der Job ist weit weniger anstrengend und kaum mit Reisen verbunden). Nach der Erweiterung wurde die Anzahl der ParlamentarierInnen pro Land verändert, dh für Österreich verkleinert. Mit dem "was tun denn die eigentlich"-Minus durch Nichtberichterstattung ist es auch ganz einfach, "Protestpotential" per aus dem Hut gezauberter Kandidatur zu binden, es den Arrivierteren so schwerer zu machen, was besonders kleine Parteien trifft.

Aus dem bisschen verstärkter Medienpräsenz, das vor der Wahl gegeben ist, müssen die KandidatInnen dann halt das Beste machen - um dann, wenn sie gewählt werden, wieder jahrelang ignoriert zu werden. Und das soll Zufall sein? Es bewirkt immerhin auch eine negative Einstellung der Menschen zur EU, sie nehmen das Parlament nicht als ihre Vertretung wahr, und dadurch ist auch der "Spirit" der EU als eigenständiger Zusammenschluss von Staaten in Europa geschwächt.

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