22.12.07

Vorweihnachtsgedanken

Ich habe versucht, eine Bilanz für 2007 zu ziehen, jedoch nicht wie sonst üblich als Jahresrückblick mit verlinkten Artikeln, sondern unter dem Apekt eines Paradigmenwechsels. Davon kann frau wohl sprechen, wenn gegen Jahresende alles ganz anders ist als zu Beginn und dazwischen spannende, aufregende, aber auch ungemein fordernde Zeiten liegen. Am ehesten läßt es sich noch an auch bei den Ceiberweibern Wahrnehmbarem im Worte fassen - so habe ich im Jänner gegen die neue Regierung demonstriert, weil auch mir der Unterschied zu Schwarzblauorange zu gering erschien und ich den Unmut vor allem in der SPÖ gut verstehen konnte.

Nur habe ich halt auch mitbekommen, dass seither fast ein Jahr vergangen ist und die SPÖ-Regierungsmitglieder durchaus Akzente setzen und besonders im Sozialbereich (was nicht nur das Ressort von Minister Buchinger meint) auch eigene Vorstellungen umsetzen. Sicherlich bietet Journalismus einen "privilegierten" Zugang zur Politik, da man sich nicht in seiner Freizeit informieren muss, sondern vieles im Beruf mitkriegt. Allerdings sind bei weitem nicht alle Medienleute bereit, ihr Wissen auch in differenzierte Berichterstattung einfliessen zu lassen. So gaukeln sich "Volk" (oft via Webpostings artikuliert) und "die Medien" gegenseitig ein unzutreffendes Bild von Politik und AkteurInnen vor.

Da ich lange Zeit selbst in einer Partei war, habe ich es hier zugleich leichter und schwerer: einfacher ist die Erfahrung, die andere Seite zu kennen und dies automatisch auf andere Parteien zu übertragen, in denen es doch oft irgendwie ähnlich zugehen muss. Schwieriger könnte aber sein, bei Parteien, die in einigem etwas anderes als die einstige politische Heimat vertreten, die vor allem aber regieren und nicht die ewige Oppositionshaltung verinnerlicht haben, Positives und authentisch Handelnde zu erkennen und zu schätzen. Mein Leben bedeutete aber bereits nach der Einbindung in eine Partei eine Neuorientierung, wenngleich Journalismus natürlich ein politiknaher Beruf ist, wo die Intentionen manchmal gar nicht so anders sind.

Ich konnte dann sicher nicht in Schablonen denken, sondern musste Einzelpersonen und ihre individuellen Vorstellungen, Eigenschaften und Leistungen betrachten. Da ich zudem wusste, wie sich PolitikerInnen über Interviews voller aus dem Zusammenhang gerissener Zitate ärgern, wollte ich es bei meinen Berichten besser machen und immer möglichst genau wiedergeben, was jemand sagt. Meine Wertungen konnte ich separat anbringen und es den LeserInnen überlassen, Menschen anhand dessen einzuschätzen, was sie wirklich meinen. Oft war der Unterschied zu anderen Medien besonders im Umgang mit Politikerinnen sehr gross, da sie anderswo verkürzt zitiert wurden und es dann bspw. hiess "die tut doch nix für Frauen" oder "was macht die denn eigentlich?".

Heuer fiel besonders unangenehm auf, wie Medien mit Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky umsprangen, wozu ich mehrmals etwas geschrieben habe, weil hier eine Ministerin gegenüber Ministern diskriminiert wird. Die Erfahrungen dieser Männer können zwar auch ganz schön heavy sein (und wurden von mir durchaus thematisiert), man geht ihnen gegenüber aber nie so ins Persönliche wie bei Frauen. Die Unkonventionelle und die Ungerechtigkeiten ist ein neuer Artikel, der einerseits erklärt, wofür eine Regierung zuständig ist und andererseits auf den Umgang mit Kdolsky eingeht, der im Breittreten ihres Privatlebens gipfelte, das bei einem Minister kein Thema wäre.

Es gab kaum etwas, das Ministerin Kdolsky im vergangenen Jahr sagte, das nicht meist fadenscheinig kritisiert wurde. Auch Kleinigkeiten fanden Beachtung, wie dass sie gerne
Rosenstolz hört - na und? Ich höre derzeit oft Alanis Morissette, meist auf CD (aber momentan läuft Big Country) - wo ist das Problem? Ihre Schwäche für Schweinebraten kann ich zwar nicht nachvollziehen, da ich kaum Fleisch esse, aber ich finde die Idee selbstironisch, ein Schweinebraten-Kochbuch herauszugeben. Unnötig zu erwähnen, dass sich da nicht nur WebuserInnen empören, sondern auch der eine oder andere Politiker.

Es nützt allen Frauen und ihrem Spielraum, wenn energischer gegen Doppelstandards vorgegangen wird, die gerade im Umgang mit Kdolsky deutlich werden, was sie auch in einem Interview mit "News" am 20.12.2007 anspricht. Minister trennen sich und haben eine neue Partnerin, es ist für alle okay und für niemanden ein Thema, eine Ministerin wird zur sündigen Ehezerstörerin stilisiert, es werden in den eigenen Reihen Unterschriften gegen sie gesammelt. Bei Ministern spielt keine Rolle, wie sie gekleidet sind, wie sie frisiert und rasiert sind, während bei Ministerinnen immer auch das Äußere bewertet wird und beim Outfit nach "Fehlern" gesucht wird. Hier hat nur Ursula Plassnik einigermaßen Glück, von negativen Kommentaren verschont zu bleiben - aber das zeigt auch nur, dass es bei ihr ebenfalls wahrgenomen wird, eben meist positiv.

Dann kann frau auch die Diskussion über das vermutete Körpergewicht männlicher Regierungsmitglieder vermissen, während das weibliche Regierungsmitglied Kdolsky von manchen gar als Gesundheitsministerin in Frage gestellt wird, weil sie etwas üppigere Formen hat, die von Lebensfreude sprechen. Hätten die KritikerInnen auch Probleme mit einer magersüchtigen Ministerin? In der Realität sind nicht alle Frauen schlank, was meist etwas mit der Konstitution zu tun hat, wobei manche Frauen auch genetisch bedingt im Lauf des Lebens etwas zunehmen. Sollen sich Frauen mit Dauerdiäten, wenig Essen und dabei viel Bewegung quälen?

Wenn wir wieder zur allgemeinen Bilanz zurückkehren, dann hat sich mein Verhältnis zur Regierung im Lauf des Jahres entscheidend verändert. Ich kann immer mehr nachvollziehen, wie Akzente gesetzt werden und erkenne an, wenn sich einzelne Regierungsmitglieder besonders für etwas einsetzen und sich selbst treu bleiben. Natürlich verstehe ich auch kritische Stimmen, die jedoch oft von unrealistischen Vorstellungen über die Rahmenbedingungen ausgehen. Vermutlich bin ich zu pragmatisch, um mich mit der Idee von hehren, aber nicht erreichbaren Zielen abzugeben, da mir Umsetzungssstrategien Schritt für Schritt immer noch mehr zusagen als illusorisches Fordern.

Manche sehen darin, dass ich mich nicht blindlings Protesten anschliesse oder gar dann mit aufschreie, wenn die Grünen gegen etwas auf den Plan treten, ein Klein Beigeben oder Opportunismus, aber ich bin mir selbst so treu wie ich es immer zu sein versuchte. Ich bin von meinem Weg vielleicht auch überzeugter denn je, da mir untergriffige Kritik in Wahrheit vollkommen egal ist. In gewisser Weise bin ich einfach angekommen und stelle mich neuen, veränderten Aufgaben dort, wo ich hinwollte und -sollte, ohne es auch nur entfernt zu ahnen, als mein Weg vor Jahren begann. Damals bei den Grünen passierte vieles nicht und anderes schon; manches fand haarscharf nicht statt, es gab dramatische und aufregende Situationen - und das alles bekam erst viel später einen Sinn, da es Lernprozesse und Vorbereitung sein sollten.

Die entgültige Abkehr von den Grünen, das Kappen auch von persönlichen Kontakten war nach der tiefen Enttäuschung darüber, dass den Grünen jedes Mittel recht ist gegen eine demokratisch nach der Verfassung handelnde Regierung, relativ undramatisch. Es war eigentlich eine Entscheidung, die ich bereits im Sommer getroffen, aber noch nicht bewusst realisiert hatte, als es mich tief erschütterte, wie über mutig und souverän agierende Regierungsmitglieder mit dem Unterstellen niedrigster Motive hergezogen wurde. Persönliche Kontakt bringen mit sich, dass emotionaler Druck ausgeübt werden kann, der aber bei mir nur bewirkt, dass ich mich abschotte und weiterhin zu meiner Überzeugung stehe.

Wenn einem persönlich vergleichsweise wenig bekannte Regierungsmitglieder vertrauenswürdiger vorkommen als Menschen, die man seit Jahren kennt, man bei Anwürfen nur fassungslos fragen kann "wie kannst du sowas über die sagen?" und in Tränen ausbricht, sodass man den anderen am Handy wegklicken muss, hat man eine Wahl getroffen. In der Erinnerung finde ich diese Szene immer noch schlimm, aber es war ein Schritt auf einem rückblickend klar vorgezeichneten Weg. Ich vermisse nicht einmal die Visionen, die Grünen ganz zu Beginn hatten, und auch nicht ein Gruppengefühl, an das ich mich aus den 80er und 90er Jahren erinnere.

Ich habe einmal versucht, Leute von früher zu kontaktieren, die sich damals mehr erwartet hatten als heute vielleicht Gemeinderätin am Land oder Bezirksrat in der Stadt zu sein. Es kamen kaum Reaktionen - was einmal mehr bestätigt, dass es die Grünen von einst nie wieder geben kann. "Gruppengefühl" habe ich dann als eigenständig arbeitende Journalistin natürlich nicht mehr erlebt, nur indirekt mitbekommen, wenn ich auf den Veranstaltungen anderer Parteien war oder mit mehreren Frauen aus einer Redaktion zu tun hatte. Sicher ist mir das abgegangen, auch weil zwangsläufiges Einzelkämpferin-Sein bedeutet, sehr vieles mit sich selbst auszumachen. Dies habe ich aber immer als temporär betrachtet und niemals als Selbstzweck.

Auch das hatte, mit allen Höhen und Tiefen, tatsächlich Sinn als zeitweise Erfahrung und als Möglichkeit, mit Situationen umzugehen. Freilich war ich dabei in den letzten Monaten mehr denn je gefordert, was bis an meine äußersten Belastungsgrenzen ging (ehrlich gesagt habe ich vom Dasein als Einzelkämpferin wahrlich genug :-). Nun ist aber Durchschnaufen angesagt, sich Sammeln und ohne Zurückzublicken für alles bereit sein, was kommen wird. Es ist aber schon eigenartig, so ein Jahr ausklingen zu lassen, das in jeder Hinsicht außergewöhnlich war - so sehr, dass es vielleicht sogar noch etwas auf Lager hat...

PS: Wenn sich manche fragen, ob ich durch die entgültige Abkehr von den Grünen nichts vermisse, wo ich doch bereits mit 19 zu ihrer Vorläuferin, der Alternativen Liste kam und mich so lange engagierte: nein, mir geht überhaupt nichts ab und es gibt auch nichts zu bedauern oder noch an etwas zu denken oder zurückzublicken. Das ist nicht mehr meine Welt, während ich in meiner tatsächlichen Welt sicher noch genug gefordert werde. Vergleichsweise geht mir eher ab, dass ich im meinem Lieblingsteich in der Nähe nicht wie im Sommer baden, sondern nur am zugefrorenen Ufer stehen kann....

12.12.07

Medien-Macht

Heute abend gibt es einen Neustart des einst beliebten Diskussionsformats "Club 2" im ORF. Das Thema "Meinungsfabriken - wer bestimmt, was wir denken?" hätte unter meiner Mitwirkung diskutiert werden sollen, was auf den ersten Blick sehr ehrenvoll und schmeichelhaft klingt. Allerdings ist es der Weg von der persona non grata der Medienszene zum Diskussionsgast keineswegs so einfach nach Stigmatisierung, Marginalisierung, im Stich lassen gegen Zensurversuche und Verleumdungen, direktem Schneiden durch langjährig Bekannte in der Medienwelt. Samma wieda gut, es woa nix, und vor allem: red'ma nimma drüba?!

Sicher nicht - weshalb ich so eine Einladung auch dankend ablehne und von "den Medien" erstmal einen Lackmustest dafür verlange, dass in Zukunft auf Desinformationen, Kampagnen, Inszenierungen und regelrechte Aktionen gegen demokratische Institutionen verzichtet wird. Ein ideales Beispiel ist der Umgang mit Verteidigungsminister Darabos, der im Sommer den US-Raketenschild kritisierte, der ein Interesse nationaler Sicherheit der USA darstellt, was die Schlüsselfeststellung für den Einsatz von Geheimdiensten ist.

Somit steht bei allem, was gegen seine Politik oder seine Person gerichtet ist und über differenzierte Kritik hinausgeht, der Verdacht im Raum, dass Geheimdienste dahinterstecken. Medien sollten sich niemals zu deren Handlangern machen, auch wenn es viel an Mut und Rückgrat erfordert. Wer hier Integrität beweist, auf Opportunismus, den bequemen Weg und Vergünstigungen verzichtet, wahrt nicht nur seine Würde, sondern auch die eines anderen Menschen. Nunja, mal sehen, was dieser Appell an die Medienwelt bewirken wird....er müsste auch Auswirkungen haben auf den Umgang mit der Regierung als solche, da dieser vielleicht die einfachere Aufgabenstellung ist.

Aufgrund meiner bitteren Erfahrungen mit den erwähnten Kräften habe ich im Sommer die durchgängige harsche Medienkritik an Minister Darabos thematisiert, der ja schlicht sein Amt souverän ausübte. Ich wollte nicht, dass ein anderer Mensch ähnliche Erfahrungen wie ich machen muss, der zudem von den heftigen Gegenreaktionen eigenen Angaben nach überrascht war. Seither habe ich natürlich auch beobachtet, womit der Minister an die Öffentlichkeit tritt und welche Behandlung er dabei erfährt, und dies kommentiert.

Wer sich diesen Kräften nicht unterwirft, sondern für sein Land und seine Rechte eintritt, hat nicht nur mit Kampagnen, Inszenierungen, Falschmeldungen, Diffamieren zu rechnen, sondern nach meinen Erfahrungen auch damit, als ganze Person ins Visier zu geraten. Dies kann dazu führen, dass man "ihnen" auch unweigerlich Macht über sein Leben gibt, während man auf der Ebene vertretener Inhalte durchaus beharrlich bleibt und nicht nachgibt. Dabei landet man, ohne es recht zu merken oder gar nicht das Gegenteil dessen zu wollen, bei einem Leben im Schatten dieser Kräfte. Bedürfnissen und Wünschen wird selbstquälerisch nicht nachgegeben, weil man nicht weiss, was "sie" dann unternehmen, um einen zu treffen. Eher noch schmerzhafter wird es, wenn auch andere Menschen involviert sind, die unweigerlich ebenfalls in diesen Schatten geraten.

Mein Prinzip wurde, "ihnen" (durch den Filter all dessen, was sie vorschicken) ohne Angst in die Augen zu sehen und so zu leben, wie ich will - nicht als unbedachter, naiver Überschwang, sondern begleitet mit strategischen Überlegungen, mehreren Handlungsszenarien und kreativem Widerstand. Was natürlich auch Situationen beinhaltet, wo ich nicht jede Eventualität abschätzen kann, sondern in gewisser Weise einfach "springen" muss. So, wie ich ganz aktuell in inhaltlicher Hinsicht bei der Arigona-Inszenierung "springen" musste, weil mir klar war, worauf sie hinauslief und nur wenig Zeit blieb, dies zu verhindern.,...

10.12.07

Diskussion zum Tschad-Einsatz

Zu Beginn der Sendung "Im Zentrum" am 9.12.2007 wurde der Afrika-Korrespondent des "Spiegel", Thilo Thielke, telefonisch zugeschaltet, der gerne Leni Riefenstahl zitiert. Er sprach von einer angespannten und fragilen Lage, der man nicht besonders vertrauen solle. Unzugänglich und lebensfeindlich sei die Gegend, der Einsatz sei von jenem in Darfur nicht zu trennen. Man werde leicht instrumentalisiert und gerate zwischen die Fronten, auch da es unklar sei, was die Rebellen im Schilde führen (notfalls das "profil" fragen? die scheinen einen guten Draht zu ihnen zu haben :-)

Dies mag anschaulich klingen, ist aber vor allem vage und stimmt atmosphärisch auf die Diskussion ein. Unweigerlich erscheint, wenn man keine kritische Haltung einnimmt, die Mission als unmögliches Unterfangen. Heinz Assmann, der Kommandant der im Tschad eingesetzten ÖsterreicherInnen meint, die Lage werde seit Monaten auch im Austausch mit anderen teilnehmenden Staaten bewertet. Selbstverständlich werden die SoldatInnen geschützt, unter anderem mit kugelsicheren Westen (dass man dies noch erwähnen muss, zeugt vom erzeugten Bild des Einsatzes).

Die EU-Truppe dient nur dem Schutz der Flüchtlinge und der Wirksamkeit der UN-Mission zur Versorgung dieser Menschen. Außerdem werden die Grundlagen für den Aufbau einer Polizeitruppe der UN geschaffen, die dann übernehmen soll. Verteidigungsminister Norbert Darabos nennt die Diskussion in Österreich eigenartig, so als handle es sich beim Einsatz um sein Privatvergnügen (allerdings hat ein Minister sicher noch verschärfte mediale und oppositionelle Bedingungen, der im Sommer ein nationales Sicherheitsinteresse der USA, den geplanten Raketenschild zu kritisieren wagte - was ihn aber in keiner Hinsicht einschränken sollte, denn wo samma denn? das ist unser Land!).

Alle 27 EU-Staaten haben den Einsatz beschlossen, der laut Mandat dem Schutz von Zivilpersonen und Flüchtlingen dient und humanitäre Hilfe erleichtern soll. 20 EU-Staaten beteiligen sich daran, und fehlende Humanität konnte man Österreich noch nie vorwerfen. "Ich habe gesehen, welches Elend dort herrscht", meinte Darabos. "Herr Pilz war in Paris, ich war im Tschad." Peter Pilz von den Grünen, der zumindest an Innenministern schon mal direkt fehlenden Kniefall vor US-BotschafterInnen kritisiert (z.B. in seinem Tagebuch am 15.2.007), sagt nun immerhin, dass man sich in den Grundfragen einig sei und das Flüchtlinge auch militärischen Schutz brauchen können.

Er bezieht sich auf den eingangs zugeschalteten Spiegel-Reporter, der den entscheidenden Grund dagegen anspricht, die politische Situation (womit Pilz vor allem unsere Neutralität meint). Er war in Paris, sagt er mit der typischen schneidende Stimme, wenn er ein potenzielles Opfer ins Visier nimmt, da Darabos und Außenministerin Ursula Plassnik nicht voll über das Risiko informiert sind. Der Tschad sei nämlich in Wahrheit ein Landflugzeugträger der französischen Armee, da Frankreich den Diktatur stütze. Der multinationale Mantel von EUFOR verschleiere eine französische Aktion. Man sei an der Seite Frankreichs im Bürgerkrieg und an der Seite des Diktators.

Minister Darabos, der eindeutig aus einer anderen Welt stammt als Peter Pilz, weist die unwahren Behauptungen zurück und betont nochmals, das EUFOR unabhängig auf der Basis eines UN-Mandats agiert. Er lasse sich bestimmt nicht auf eine Diskussion ein, in der Pilz falsche Behauptungen aufstellt. Was den vermeintlichen Kampf von Peter Pilz um die angeblich ausgerechnet durch Minister Darabos gefährdete Neutralität betrifft, sei nur an eines erinnert:

"Die Forderung nach der ersten amerikanischen Militärintervention in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg wurde in Österreich, dem neutralen Nachbarland Jugoslawiens, über den Grünexponenten Peter Pilz gestellt. Kritik daran war in Medien tabu (wie heute Kommentare pro Neutralität und pro Darabos' Handlungen als souveräner Minister eines souveränen Staates tabu sind), grüninterne KritikerInnen wurden mit wie von unsichtbarer Hand verfassten Beiträgen diskreditiert und manche auch ausgehorcht." (Wie die Grünen wurden wie sie sind, September 2007).

Die Journalistin Marie-Roger Biloa ist erstaunt, dass Armeen offenbar nur dort hingehen sollen, wo kein Risiko besteht. Man sagt aber dauernd, man müsse was tun und habe Verantwortung als Mitmensch. Das ist anscheinend im Kosovo kein Problem, da gibt es keine Debatte, was Österreich dort verloren hat. Darabos bekräftigt nochmals, dass es sich um eine humanitäre Mission handelt, was Pilz naturgemäss und seiner Agenda entsprechend kaltlässt. Man dürfe nicht kompensieren, indem man auf das Elend der Menschen verweist. Pilz würde nicht einmal als Kompensation die Not anderer Menschen erwähnen, da können wir uns sicher sein.

Die Frage sei eindeutig mit Ja zu beantworten, dass man in diesen Konflikt auf der Seite Frankreichs steht (tut es ihm leid, dass die USA an keiner Mission im Tschad beteiligt sind? wurde wieder einmal einer Botschafterin oder einem stellvertretenden Botschafter die Huld verweigert?). Er war in Paris, betont Pilz nochmal, der sich anscheinend so viel Mühe gibt wie Medien, die vor Ort im Tschad gegen den Einsatz recherchieren. Pilz in Flüchtlingslager und sichtbar betroffen wäre ja auch eine absurde Vorstellung. Ob sich Darabos über die französische L'Epervier-Operation informiert habe, die die Hauptstadt des Tschad schützt.

Der Minister habe ein politisches Problem, woraus Pilz dann auch macht, dass Darabos selbst ein politisches Problem sei (für wessen Politik? diesseits oder jenseits des Atlantik?). Man habe ihn in gutem Glauben hineingestossen, will Pilz seinem potenziellen Opfer dann auch noch den Hieb verpassen, dass er ja nicht ganz für seine Handlungen Rechenschaft ablegen könne. Darabos fehlen der Zynismus und die Menschenverachtung von Pilz, sodass er relativ verhalten reagiert: "Glauben Sie, ich als Verteidigungsminister weiss das nicht?" Tatsächlich herrscht, was auch durch die seltsame Art der Berichterstattung zustande kommt, vielfach die Ansicht, man betreibe im österreichischen Verteidigungsministerium nicht die in aller Welt übliche gründliche Einsatzvorbereitung.

Ganz so, als sei Darabos angewiesen auf die Zettel, die Pilz immer wieder aus seiner Mappe zieht, und wüßte nicht ein X-faches über den Einsatz und die Kapazitäten des Heeres als Pilz. Darabos verweist nochmals darauf, dass EUFOR Stabilität bieten soll für den Schutz der Flüchtlinge und sonst nichts. Die Grünen hatten komischerweise nichts gegen einen Afghanistan-Einsatz unter NATO-Kommando, sodass Pilz unseriös agiere und die eigene Partei in Geiselhaft nehme. Peter Fichtenbauer von der FPÖ verweist auf die gute Tradition von Einsätzen unter UN-Mandat, durch die Österreich bewiesen habe, dass es sich an humanitären Missionen beteiligt.

Diese müssten aber jedesmal neu bewertet werden, das Humanitäre dürfe nicht alle anderen Punkte überdecken. Üblicherweise gibt es UN-Mandate, wenn kriegerische Auseinandersetzungen bereits mehr oder weniger beendet sind. Hier handelt es sich aber um ein Bürgerkriegsgebiet, für das der Einsatz zu gering dimensioniert sei. Außerdem versteht sich EUFOR zwar als neutral, doch wird dies von anderen Parteien nicht akzeptiert. Fichtenbauer war recht sachlich und brachte nachvollziehbare Kritik - was eigentlich von der angeblichen Menschenrechtspartei Grüne zu erwarten sein müsste.

Vom UNHCR war Roland Schönbauer eingeladen, der anschaulich das Leben der Menschen in den Lagern schilderte. Die Lage habe sich für sie in den letzten Wochen sehr verschlechtert. Frauen werden vergewaltigt, wen sie außerhalb der Camps Feuerholz suchen, Männern getötet, wenn sie Ziegen auf die Weide treiben. Mit Polizeikräften und durch Selbstorganisation der Flüchtlinge kann man hier keine Sicherheit herstellen. Es braucht das Militär, und sowas sagt gerade das UNHCR nicht leichtfertig. Er fragt die blaugrüne Opposition, wie sie Flüchtlingen helfen wolle, und meint, EUFOR müsse die Neutralität der Mission kommunizieren.

Es gebe marodierende Truppen, die auch über die Grenze in den Sudan nach Darfur wechseln. Wenn nicht bald etwas geschieht, müsse das UNHCR die Hilfe einschränken, und das wird dann auch viele Menschenleben kosten. Assmann spricht ebenfalls von Frauen und Kindern, die vergewaltigt und verschleppt werden, wenn sie die Lager verlassen. Die allerersten SoldatInnen, unter denen sich auch unsere befinden, werden eine Informationskampagne machen, damit alle wissen, dass die Mission nur der Sicherheit der Flüchtlingslager dient. Man verwendet keine Native Speaker, da diese auch eigene Spielchen spielen könnten, sodnern eigene Dolmetscher.

Peter Pilz fängt wieder damit an, dass man in einen bürgerkriegsartigen Konflikt komme und darauf vorbereitet sein müsse, und erklört dem Kommandanten, was Sache ist. Wenn man ihm zuhört, möchte man meinem, er wolle locker nicht nur Minister Darabos, sondern auch den Generalstab, die Einsatzplanung und alle 160 SoldatInnen ersetzen, so gut scheint er sich eigener Einschätzung nach auszukennen und zu wissen, was zu tun ist. Vor allem hat er auch eine Menge an der Ausrüstung des Heeres auszusetzen, gegen die er sich allerdings meist wandte, wenn es um Neuanschaffungen ging. Unsägliche Schlamperei und noch nie eine derartig schlampige Vorbereitung erlebt (hat er denn je eine Vorbereitung direkt erlebt?) und ein angebliches, aber wieder einmal unwahres Angebot nicht wüstentauglicher Hubschrauer durch den Minister gehört zu seiner weiteren Munition.

Darabos verwehrt sich dagegen, dass pausenlos Fakten ignoriert werden und erwähnt nochmals die Ziele der Mission, den Schutz von Zivilpersonen, Flüchtlingen, UN-Personal. Er habe mit vielen MitarbeiterInnen in Lagern geredet, die ihn, was er nicht gerne so deutlich sage, händeringend um Hilfe gebeten hatten. Die zitierte US-Studie (mit zweifelhafter Intention) gehe von der falschen Voraussetzung aus, es gehe um mehr als um Sicherheit zwischen den Lagern. Die Grünen hätten auch dem Afghanistan-Einsatz zugestimmt, der Anfang 2002 nach nur einem Monat Vorbereitung startete, erinnert Darabos.

Das "profil" brachte schon ein Rebelleninterview, das eigenartigerweise neben Frankreich nur Österreich und nicht 18 weiteren EU-Staaten drohte (wobei ich nirgendwo explizite Drohungen gegen diese anderen Ländern fand). Nun machte, sagt Moderatorin Ingrid Thurnher, diese Rebellen wiederum im "profil" Darabos ein Angebot, er solle doch für Friedensverhandlungen sorgen. Der Minister meint, genau in diese Falle einer Parteilichkeit werde er nicht gehen, sodass er das Schrieben an die EU weitergeleitet haben. Wenn er sich da einmische, sei dies genau das falsche Signal.

Man versucht also mit allen (auch leicht durchschaubaren) Mitteln, ihn zu desavouieren, sodass er für sich eigentlich nur die Entscheidung treffen kann, sich in keinster Weise einschüchtern und beirren zu lassen oder gar seine Integrität einzubüssen. Es gibt für alles eine Gegenstrategie, sodass Querschüsse nach hinten losgehen - oder auch mal überraschenderweise darauf verzichtet wird, weil man sich schon denken kann, dass etwas so schwer nach hinten losgeht, dass man es gar nicht erst versucht. Immerhin ist die Republik Österreich souverän und neutral, es gilt die Bundesverfassung einschliesslich der Europäischen Menschenrechtskonvention auch für Bundesminister...

09.12.07

Klimawandel und Konsumrausch

Medial gepusht wurde in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestern abend für fünf Minuten das Licht ausgeschaltet - angeblich für das Klima. Allerdings war es eine eher kontraproduktive Aktion, da es einen plötzlichen Lastabfall und anschliessendes Wiedereinschalten gibt, was sogar zu Netzabschaltungen führen kann. Sinnvoll ist hingegen der ökologische Fußabdruckrechner, den ich der Licht aus - Aktion gegenübergestellt habe.

Hier erfährt man, welchen Ressourcenverbrauch der eigene Lebensstil bedingt und auch, wie man sich "ökologischer" verhalten kann. Freilich kommt so eine Initiative, selbst wenn sie durchaus beworben wird, auf leisen Sohlen daher und eignet sich nicht zur bequemen Gewissensberuhigung. Sie verlangt uns mehr ab als uns an Promis und PolitikerInnen zu orientieren, die in Medien bekennen, das Licht für fünf Minuten abzuschalten. Wobei auch diese Menschen sicher genau wissen, dass weit mehr erforderlich ist, aber eben den Gesetzen einer Medienwelt folgen.

Der gestrige Tag war auch ein Einkaufssamstag und "eigentlicher" Feiertag, mit dem der Supermarkt Billa werbetechnisch punktete. Die Angestellten hatten am Samstag frei, mussten aber am Tag davor einen Massenansturm bewältigen, da alles um 15% billiger war als sonst. Ich betrat abends einen Billa, weil er am Heimweg lag, kehrte jedoch gleich wieder um anegsichts der langen Schlangen.

Meine Mutter erzählte mir dann, dass sie am Vormittag in der Nähe von Graz bei Billa einkaufte und die anderen in der Schlange begeistert waren. Sie hat die MitarbeiterInnen gefragt, was es für sie bedeutet: ab 5 Uhr in der Früh mussten sie sich auf den Ansturm vorbereiten und hatten durch das dauernde Nachschlichten von Waren und die Massen an KundInnen einen sehr anstrengenden 7. Dezember. Übrigens kaufte ich dann in einem fast leeren Supermarkt ein...

Am Samstag war die Wiener Innenstadt so voll wie ich das selten oder überhaupt nie erlebt habe. Es war fast unmöglich, das Rad durch die Fußgängerzonen zu schieben, immer wieder mußte ich stehenbleiben und warten. Irgendwie wirkt dies auch wie eine unbeirrbare Antwort auf den Klimawandel, denn sicher werden nur wenige der Einkaufenden realisiert habe, dass jeder Konsum auch mit Ressourcenverbrauch und Transportwegen verbunden ist (und vieles unter ausbeuterischen Bedingungen in anderen Ländern produziert wird).

Eigentlich sollte diese Zeit doch ein wenig an Besinnlichkeit und Rückzug beinhalten - keineswegs nur für jene, die sich an christlichen Traditionen orientieren, sondern auch für andere. Dies durchaus in Fortsetzung von Gewohnheiten, die Menschen in Gegenden mit kalten Wintern bereits vor dem Christentum angenommen hatten. Es war die einzige Zeit im Jahr, in der zwangsläufig wenig an äußerer Aktivität entfaltet wurde und so überhaupt mehr Raum für Nachdenken und Innehalten bestand.

Wer dies unter welchem Label auch immer tut (man/frau kann sich auch pantheistisch verstehen, also an die in allem offenbarte Göttlichkeit glauben, die Tradition der Verehrung der Großen Göttin fortsetzen oder sich ganz einfach spirituell nennen) wird erkennen, dass es eigentlich nur auf Werte ankommt. Sie machen einen Unterschied und helfen uns dabei, unserem Leben einen Sinn zu geben, vielleicht sogar einem "höheren Plan" zu folgen, wenn man es so sehen will. Werte liegen immer in unserer Freiheit, egal in welcher äußeren Situation wir sind. Wir können stets entscheiden, was unsere Handlungen und Haltungen leitet.

Mir ist bewußt, dass gestern im Vorweihnachtsrummel auch viele Menschen unterwegs waren, denen nur das Betrachten von Auslagen und Regalen bleibt, weil sie sich gerade eben das Allernötigste leisten können. Unbemerkt von all den anderen, die ohne weiteres die Kreditkarte zücken litten die Ärmeren darunter, dass für sie so vieles unerreichbar ist und sie sich auch generell oft unverstanden fühlen. Manchmal erscheint ja jedwede öffentliche Debatte so, als kämen sie nur als Statistik und gelegentlich auch persönlich als "plakatives Fallbeispiel" vor, in die Diskussion geworfen von AkteurInnen, die ökonomisch weit besser gestellt sind.

Ich habe da auch keinen Rat und will mir auch nichts anmaßen, war aber selbst einmal arbeitslos und erinnere mich daran, wie es war, doch sehr aufs Geld schauen zu müssen. Für mich war aber das größere Problem, keinen Bezugsrahmen zu haben, in den ich mit meinen Fähigkeiten eingebunden war, sondern mich einfach mit Recherchen auf eigene Faust zu Themen zu beschäftigen, die mich zu interessieren begannen. Freilich ist so etwas nicht so zielgerichtet und findet auch keine Anerkennung, wenn es außerhalb eines Arbeitsrahmens oder Auftrags geschieht.

Entsetzt war ich damals über jene Arbeitslosen, die so lethargisch wurden, dass sie mehrmals am Tag duschten, nur damit die Zeit vergeht. Sie konnten keine Perspektiven entwickeln, die sie aus ihrer Situation führten, da ihnen ja Unrecht geschehen war, sie eigentlich dort weitermachen sollten, wo sie aufgehört hatten. Das dürfte eines der Hauptprobleme bei einer Umorientierung sein, die natürlich auch ein Sprung ins kalte Wasser ist und umso leichter gelingt, je klarer man Vorstellungen konkretisieren kann. Meine eigene Umorientierung war erstens Internet und zweitens ein back to the roots, da mich der Journalismus noch vor der Politik sehr interessierte und außerdem beide Bereiche Gemeinsamkeiten haben, man sich auch durch Berichterstattung täglich mit Politik befasst.

Empfehlen könnte ich anderen, zu sich zu stehen, also auch zu ihrer persönlichen Situation, die vielleicht in den Augen der Gesellschaft geringeren "Wert" hat als die einer Person, die nicht nur einen Job hat, sondern gar Karriere macht. Es macht wenig Sinn, die eigene Lage zu verschweigen oder nicht zu thematisieren, da Arbeitslose eben nicht in der Situation einer Person in Beschäftigung sind. Hier zu zaudern bedeutet, sich auch noch selbst abzuwerten. Auf Mailinglisten, wo auch Arbeitslose diskutieren, geht die Verzweiflung aber oft bis zu blindem Hass auf alle, die als Eliten gesehen werden. Diesen Menschen wird Allmacht zugeschrieben und Blindheit gegenüber den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, auch der Situation von Erwerbslosen.

Besonders gerne werden Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, Sozialminister Erwin Buchinger und natürlich das AMS attackiert. Unter welchen Rahmenbedingungen agieren Regierungsmitglieder nach Ansicht dieser (meist männlichen) Arbeitslosen? Glauben sie auch wirklich, dass Gusenbauer seine Herkunft aus "einfachen Verhältnissen", wie dies genannt wird, für immer vergessen hat und nicht gewisse Prägungen stets in sich tragen wird? Meinen sie etwa, das jemand, der aus bürgerlichen, gutverdienenden Kreisen stammt, mehr Verständnis entwickeln könnte oder in keiner Weise von seinen frühen Erfahrungen beeinflusst ist?

Jeder Mensch weiss doch selbst, wie Herkunft und Erfahrungen sich auf den eigenen Zugang auswirken. Meiner ist beispielsweise sicher immer etwas anders als der in Menschen, deren Verwandtschaft bereits im eigenen beruflichen Umfeld tätig war und daher auch Stütze und Lobby bedeutet. Dazu kommt, dass ich lange Zeit parteipolitisch aktiv war abseits der etablierten Parteien, sodass dadurch nicht der Vorteil des Eingebundenseins in gewachsene Strukturen bestand, sondern eher der Nachteil, dass das Engagement mancherorts sogar als gewisser Makel betrachtet wurde. Es kommt immer darauf an, was man selbst aus den Umständen und den eigenen Vorbedingungen macht. Die wütenden (männlichen) Arbeitslosen kämpfen oft um längst vergangene Chancen und möchten vielleicht auch gar keinen Neuanfang, da ihnen ja was anderes zusteht.

Jedweder Vorschlag, doch kreativ und selbstbejahend mit der eigenen Lage umzugehen, wird in Bausch und Bogen verdammt. Ich meinte zu diesen Typen einmal, sie sollten doch Medienleute zu einer samstäglichen Flohmarkttour einladen, da es ja sicher "Betroffene" gibt, die nicht nur deswegen Flohmärkte besuchen, weil man dort Originelles erwerben kann. Es könnte zeigen, wie man mit wenig Geld versucht, Bedürfnisse zu decken, und wäre anschaulicher als das Vorzeigen von Arbeitslosenbescheiden. Vorzuschlagen, dass "Betroffene" doch mit ihrer vergleichsweise gut verfügbaren Zeit gesellschaftlich Notwendiges bewusst als Erwerbslose tun, um im Gespräch darüber Zugang zum verdeckten Arbeitsmarkt zu erhalten wagte ich dann schon nicht mehr.

Heute ist Sonntag, also gab es eine "Pressestunde", in der Gerald Groß (ORF) und Martina Salomon (Die Presse) Alexander van der Bellen von den Grünen befragten. Keinerlei Hoffnungen mehr in eine Veränderungen dieser Partei zum Besseren und Authentischen zu setzen erwies sich einmal mehr als richtig. Als Salomon von einer "genialen Inszenierung" Van der Bellens als "Nichtpolitiker" sprach, wollte er "genial" partout als Kompliment verstanden wissen. Salomon musste sich darum bemühen zu erklären, wie es gemeint war. Tatsächlich ist ja auch der Umstand gewöhnungsbedürftig, dass die als Partei relativ jungen Grünen den ältesten Parteichef haben, der dies auch weitere zehn Jahre bleiben will.

Auf einem lauen Bundeskongress fand kürzlich eine maue Diskussion über Unbehagen in den eigenen Reihen statt, das, wenn ich Van der Bellen richtig verstanden habe, nun an "Organisationsentwicklung" delegiert wird, um ein paar "Junge" einzubeziehen. Umso mehr werden natürlich andere kritisiert, etwa die SPÖ, die in der Regierung die Rolle des BZÖ übernommen habe. Also jener Partei, die gerade mit "Graz säubern" einen Gemeinderatswahlkampf führt. Seltsamerweise beobachten nicht nur Meinungsforscher eine Reideologisierung der Politik gerade auch im Verhalten der Koalitionsparteien, was die Innenpolitik insgesamt spannender macht. Van der Bellen ist dies anscheinend entgangen, oder wird er wieder einmal dem Ruf als "Schlaftablette" gerecht.

Bei der Einordnung der Grünen sieht er Linksliberales ebenso wie "konservativ Bewahrendes", wobei er betont, an keine Schöpfung zu glauben, weil er den Glauben im religiösen Sinne verloren hat. So gesehen ist natürlich der technokratische Zugang auch zu ökologischen Fragen erklärbar, da Van der Bellen nicht so wirkt, als täte ihm das drohende Schicksal der Eisbären oder die dramtischen Veränderungen im Leben indigener Menschen am Polarkreis in der Seele weh oder als würde ihm das Herz aufgehen bei herbstlichem Farbenrausch in der Natur.

Van der Bellen wird befragt, kommuniziert aber nicht, lächelt nur über seine eigenen Formulierungen, die ungeheuer geistreich sein müssen. Ich komme nicht ganz dahinter, was an ihnen so besonders sein soll, da er schlicht versucht, Positionen zu erläutern, die ja meist durchaus etwas für sich haben, wären sie denn mit Engagement und Leben erfüllt. Vor allem scheinen sie aber dazu da zu sein, sie den anderen Parteien in moralischer Erhöhung der Grünen um die Ohren zu hauen. Das mag in der Politik ein meist üblicher Stil sein, ist aber meilenweit entfernt von den Visionen Grüner lange bevor Van der Bellen auftauchte.

Einst ging es nämlich auch darum, nicht nur vielfach andere Forderungen aufzustellen und Visionen zu haben, sondern mit politischen Kontrahenten anders umzugehen. Vielfach wirkt Van der Bellen in sich selbst versunken, als ob er dort erst Begründungen für diese oder jene Haltung finden müsste, was sicher nicht immer leicht ist, wenn InterviewerInnen ihm eigentliche Positionen und Überzeugungen seiner Partei entgegenhalten. Bereitschaft, auf sicherlich kritisierbare, aber vorhandene Stimmungen in der Bevölkerung so einzugehen, dass versucht wird, für eine "bessere" Haltung zu werben, ist zumindest in der Integrationsfrage nicht zu bemerken.

Kann es nicht sein, dass ein Teil der Probleme (seitens der "Mehrheitskultur") darin besteht, dass hierzulande das Christentum dominiert und viele ZuwanderInnen sich zum Islam bekennen, fragt Martina Salomon. Van der Bellen will hier niemanden dort abholen, wo er steht und verweist auf den "Integrationshintergrund" der Namen führender roter und schwarzer Politiker und auch darauf, dass er selbst eigentlich einer zweiten Generation angehört, da seine Eltern aus Russland "zugewandert" sind. So wird dann wohl auch das Hick-Hack insbesondere zwischen ÖVP und Grünen rund um die niederösterreichischen Landtagswahlen im März weitergeführt, das aus regelmäßigen gegenseitigen Vorwürfen meist um Asylpolitik besteht.

Übrigens wirkt es manchmal so, als ob die Reaktionen der anderen Parteien auf eine "Pressestunde" oder einen anderen längeren Medienauftritt bereits verfasst würden, ehe das Ganze vorbei ist. Tatsächlich erfordert ist für geübte Personen aber nur wenige Minuten, etwas in Sätze zu fassen, das ohnehin bereits in Stichworten notiert worden ist. Aus diesem Grund können viele Presseaussendungen auch Aktivität vortäuschen, was Oppositionsparteien gerne vorgeworfen wird. Dabei kommt es aber auf die Substanz an, da einer gut und klar formulierten Meldung durchaus Bedeutung zukommen kann.

Als Reaktionen auf Van der Bellen finden wir in der APA:

Josef Cap (Klubobmann der SPÖ)
Herbert Kickl (Generalsekretär der FPÖ)
Gerald Grosz (Generalsekretär des BZÖ)
Hannes Missethon (Generalsekretär der ÖVP)
Andreas Schieder (Außenpolitischer Sprecher der SPÖ)

Die Reihenfolge ist hier übrigens umgekehrt, beginnend mit der letzten Aussendung - als erstes meldete sich Schieder um 12:31, also 31 Minuten nach Ende der Pressestunde :-)

07.12.07

Politik, Medien und Privatleben

Diese Woche gab es in der Zukunftswerkstätte, einem Veranstaltungsort der SPÖ für inhaltliche Diskussionen, der leider nicht mehr fortbestehen soll, Diskussionen über Politik(erInnen), Medien und Privatleben. Ich war an beiden Abenden dort und habe natürlich auch bei den Ceiberweibern berichtet siehe 3.12. und 4.12. 2007.

Diese Art Journalismus, der über reine, ohnehin oft spannende Politik hinausgeht, kannte ich bislang nur als Medienkonsumentin, also wie alle anderen auch. Wobei ich aber doch auch jene teilweise kenne, die "Gesellschaftsjournalismus" machen und für deren Bereich Politik nicht von den Inhalten her interessant ist, sondern wenn sich AkteurInnen bei Events zeigen, ihr Privatleben in Teilbereichen offenbaren ("Homestory") bzw. es gegen ihren Willen offenbart sehen. Hier ist übrigens gerne von mutmaßliche Beteiligte fragen, von Rücksichtnahme auf Kinder und davon die Rede, dass nur das geschrieben wird, was beweisbar ist, sofern es einen eklatanten Widerspruch zur Programmatik einer Person darstellt.

Also wenn jemand mit traditionellen Familienwerten wahlkämpft, auch oft mit Familie auftritt und in Wahrheit die Welt längst nicht mehr so heil ist. Das ist nachvollziehbar, fällt es doch in die Kategorie von Politikern, die Promillegrenzen beschließen und dann betrunken autofahrend erwischt werden. Ansonsten aber wird, man höre und staune vielleicht als LeserIn, Privatleben respektiert. Oft fällt dies sichtbar schwer, etwa wenn es in den Fingern juckt, einen Politiker, der oft wenig Achtung vor den persönlichen Grenzen anderer Menschen zeigt, der auch vor Wehrloseren nicht halt macht, die nicht den Bereichen Politik, Medien und Verwaltung angehören, als homo- oder bisexuell zu "outen".

"Warum macht ihr da nichts draus?", fragten die BesucherInnen der Diskussionen anwesende Journalistinnen danach. Es wurde recht ehrlich Antwort gegeben, wobei ich die "KollegInnen" aus anderen Medien unterstützte. Zum einen geht es rein pragmatisch darum, dass niemand gerne Klagen bekommt (und Medien schon mal Vorhaltungen machen, "was du uns wieder gekostet hast", auch wenn die Journalistin / der Journalist bestmögliche und ansonsten auch weitgehend ungeklagte Arbeit liefert). Zum anderen kann es ja, gerade wenn wir an diese Geschichte denken, auch sein, dass jemand einer Journalistin /einem Journalisten zuerst bereitwillig Auskunft gibt, etwas mit dem "gehabt" zu haben, dann aber abspringt.

Dazu kann dann noch die Behauptung kommen, von "den Medien" irgendwie gelegt worden zu sein, als ob ein erwachsener Mensch nicht in etwa einschätzen kann, welche Folgen es haben könnte, mit "den Medien" zu reden. Wichtiger wiegt aber, dass hier auch andere Menschen involviert sind, die unter so einer Situation, wenn sie denn wirklich besteht, ohnehin leiden werden. Sollen sie die Kränkung auch noch offiziell und öffentlich haben? Wenn jemand formal heterosexuell, also verheiratet ist, dann ist bei unserem Beispiel eine Frau die Leidtragende, die ohnehin die Jahre über für die Karriere eines Mannes immer wieder zurückgesteckt hat.

Schließlich hätte ein "Outing", das vielleicht sogar antidiskriminierend gemeint war (nach dem Motto: "Ich bin schwul und das ist gut so", mit dem der Berliner Bürgermeister Wowereit mit seinem Privatleben umgeht), einen diskriminierenden Effekt. Es wäre unvorstellbar, dass die Heterosexualität eines Politikers Schlagzeilen macht, dass hierfür immer wieder nach Beweisen gesucht wird, um der Gerüchteküche mal nachzugehen. Anders verhielte es sich, wäre Homosexualität die Norm (dann würde etwa Haiders Ex-Partei FPÖ auch nicht gerade aktuell Homosexuelle als verkappt pädophil diffamieren, sondern hätte Angst, Kinder heterosexuellen Männern anzuvertrauen). Die abweichende Heterosexualität hätte dann den Hauch des Sensationellen und wäre Ziel von Recherchen.

Solange es kaum PolitikerInnen gibt, die sich offen als schwul oder lesbisch bezeichnen, wird mit zweierlei Mass gemessen. Es kann ja nicht sein, dass österreichweit nur ganz wenige Schwule und Lesben politische Ämter innehaben, zumal ja seit Ewigkeiten immer wieder Gerüchte über "Scheinehen" samt Kindern kursieren, die in manchen politischen Milieus erforderlich sind, um an eine Karrierer überhaupt denken zu können. Diese Menschen hatten es früher nicht unbedingt leichter, da Medien zwar nichts über das Privatleben von Politikern (-innen gab es nur wenige) berichteten, aber durchaus parteiinterner Druck entstehen konnte.

Bei einer Diskussion wurde dies am Beispiel eines allerdings heterosexuellen ÖVP-Landeshauptmannes mit Freundin illustriert, dem seine "Parteifreunde" mit dem scheinheiligen Hinweis auf "die Medien" zusetzten, die damals in den 80er Jahren aber ganz sicher keine einzige Zeile geschrieben hätten. Was meinen Zugang als Journalistin betrifft, so interessiert mich weder, ob mir ein Politiker / eine Politikerin gute Gartentipps geben kann oder sich als BeziehungstherapeutIn bewähren würde, sondern wie sie / er die jeweilige Aufgabe erfüllt. Umgekehrt würde ich von GärtnerInnen und BeziehungstherapeutInnen auch nicht erwarten, nebenbei gute PolitikerInnen zu sein.

Freilich war ich ja lange Zeit selbst in einer Partei, in der es wie in jedem anderen Arbeitsumfeld auch (also wie bspw. in den Redaktionen) "menschelt". Es sollte nie zu auffällig sein, auch nicht scheinbar unter sich, weil ja doch auch etwas nach außen getragen werden konnte, wenn keine Presse anwesend war. Dennoch gab es natürlich einiges, worüber viele Bescheid wußten und wovon zumindest manches sicher auch bei den Medien bekannt war, die es allerdings nie erwähnten. Über eine Person gab es sogar Gerüchte über Sex mit unter 14jährigen Mädchen, was, wenn es so leicht beweisbar gewesen wäre, doch eindeutig die Grenze des Zulässigen überschritten hätte. Allerdings weiss man nie, ob nicht Behauptungen in die Welt gesetzt werden, um einer Person indirekt beizukommen, bei der es direkt viel schwieriger ist.

Ich habe nie Interesse verspürt, mal bei Medien nachzufragen, was sie denn über wen wußten, als ich selbst Journalistin war. Denn der "menschliche" Bereich ist allemal noch ein sympathischer Zug an jeder Organisation, mag es in ihr auch sonst noch so hart zugehen. Von daher kann ich mir aber doch in etwa vorstellen, wie es beispielsweise Ministerin Kdolsky und ihrem neuen Partner ging, als das bißchen an Privatheit, das beim Job der Ministerin rein zeitlich möglich ist, in Medien breitgetreten wurde. Da PolitikerInnen auf Medien angewiesen sind, kann es da eigentlich auch keine direkte Gegenwehr geben, obwohl zumindest mitbetroffene Personen vollen Schutz ihrer Privatsphäre genießen müßten, was ja ein an sich unteilbares Menschenrecht ist.

Wäre ich mitbetroffen wie Kdolskys "Neuer", dann würde ich wohl Jäger zu Gejagten machen und mich energisch zur Wehr setzen, da ich ja selber Öffentlichkeit herstellen kann. Zudem bin ich, wie mir eine nette Journalistin kürzlich schrieb, in der Medienszene eine Art "heißes Eisen", die Person, deren Name tabu ist, eben weil ich oft medienkritisch schreibe, wenn ich den Eindruck habe, es finden Inszenierungen statt. Die Ignoranz ist also weniger Nichtbeachtung als vielmehr "die schon wieder", wenn ich darstelle, was mit Berichterstattung anderswo bezweckt wird. Die Vorstellung, wie das "heiße Eisen" herumgeworfen wird, damit es am Ende bei einer landet, die mich kennt, hätte aber etwas Amüsantes.

An der Stelle von Kdolskys Partner würde ich diese Journalistin dann auf den politischen und öffentlichen Druck hinweisen, unter dem die Ministerin steht, und vermuten, dass dieser Druck einfach noch auf einer anderen Ebene gesteigert werden soll. Aktuell ist Kdolsky damit konfrontiert, dass Transparency International die Korruption in Österreich untersucht hat und da das Gesundheitsweisen negativ auffällt. Von mir bekäme die Journalistin die Information, dass TI keineswegs neutral agiert, sondern zum National Endowment for Democracy gehört, das für "philantropischen Imperialismus" bekannt ist, was man eigentlich wissen sollte.

Das NED entstand in den 80er Jahren unter einer Executive Order von Präsident Reagan und ist eine Art "Privatisierung" von CIA-Aktivitäten. Es werden NGOs gefördert, Organisationen wie Reporter Ohne Grenzen, die auch in Österreich als Kämpfer für Pressefreiheit auftreten (was aber nicht meine journalistische Freiheit meint, denn als ich gezielt und existenzbedrohend verleumdet wurde, schwiegen sie wie alle anderen), und die "Farbrevolutionen" in ehemals kommunistischen Ländern. In westlichen Demokratien kann man in Aktionen der NED-Familie sowas wie einen Versuch sehen, das Vertrauen der Menschen in ihre Regierungen zu schwächen, in dem Kritikpunkte übertrieben dargestellt werden.

Starke souverän agierende Regierungen in der EU bedeuten, müßte sich so eine Journalistin anhören, dass auch die EU stärker auftritt, was ja wohl keine rechte Freude bei manchen Kreisen in den USA aufkommen läßt. Offenbar, würde ich folgern, hat die Kritik von Transparency International der Ministerin weniger als erwartet zugesetzt, sodass es jetzt anderswie probiert wird. Vermutlich käme bei solchen Kontern, noch dazu von einer selbst publizierenden Person, die sich alles Mögliche ausdenken kann, weder in den Redaktionen noch anderswo große Freude auf.

06.12.07

Nachts im Parlament

Am 5.12.2007 bzw. eigentlich schon am 6. Dezember konnte man via Web mitverfolgen, wie über den EUFOR-Einsatz des Bundesheeres im Tschad diskutiert wurde. Die FPÖ stellte einen Misstrauensantrag gegen Verteidigungsminister Norbert Darabos, weil dieser angeblich damit die Neutralität verletze. Ausgerechnet die "NATO-Partei" unterstellt so ziemlich der letzten Person, der man dies zu Recht nachsagen könnte, eine Affinität zur NATO.

Das Plenum begann viele Stunden zuvor mit einer Fragestunde mit Frauen- und Medienministerin Doris Bures, bei der sie sich zur Unabhängigkeit des ORF und zu Qualitätsansprüchen bekannte. Wie der ORF selbst seine Unabhängigkeit sieht, zeigt die Art und Weise, wie auf orf.at über den Misstrauensantrag berichtet wird: "Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) darf weitermachen. Der Nationalrat lehnte kurz nach 1.00 Uhr Nacht einen von der FPÖ eingebrachten Misstrauensantrag gegen den Ressortchef ab."

Darf weitermachen? Seit wann ist dafür maßgebend, was die FPÖ fordert? Über Misstrauensanträge gegen andere MinisterInnen wird nicht in diesem beinah enttäuschten Tonfall berichtet. Es geht aber in dem Stil weiter: "FPÖ-Wehrsprecher Peter Fichtenbauer begründete sein Begehr damit, dass mit dem Einsatz im Tschad die österreichischen Soldaten fahrlässig gefährdet würden. Darabos selbst verteidigte einmal mehr die geplante Mission." Immerhin wird dann erwähnt, dass der Minister humanitär argumentiert und meint, es wäre "ein Verbrechen an der Menschlichkeit" wegzusehen.

"Unterstützt wurde er auf der Regierungsbank auch zu nächtlicher Stunde - neben dem Verteidigungsminister saßen Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), Infrastrukturminister Werner Faymann (SPÖ) sowie Frauenministerin Doris Bures (SPÖ)." Vermutlich ist das symbolisch notwendig, wenn der Widerstand gegen den Einsatz auf einer unehrlichen Ebene läuft, was der Minister auch mehrmals ansprach - und wir können annehmen, dass auch die abwesenden MinisterInnen Schmied, Berger und Buchinger ihren Regierungs- und Parteikollegen nicht im Stich lassen.

"Das BZÖ fand jede Menge Punkte, warum Misstrauen gegen Darabos angebracht sei und schloss sich der FPÖ an. Vor allem kritisiert wurde, dass die Kosten für den Tschad-Einsatz nicht absehbar seien und diese auch noch dem Bundesheer mit seinem ohnehin kargen Budget umgehängt würden." So endet die Nachricht des ORF, die doch deutlich mit der Kritik am Minister und seiner Politik sympathisiert. Wir dürfen gespannt sein, wie über die Fragestunde am 6.12. mit Außenministerin Ursula Plassnik berichtet werden wird, bei der es auch stark um den Tschad-Einsatz ging. Die Ministerin verteidigt die Mission ebenso und war auch an ihrem Zustandekommen beteiligt - allerdings bislang ohne Misstrauensantrag.

Aber der 6.12. bedeutet ja einen weiteren langen Plenartag, an dem der FPÖ noch etwas einfallen könnte (oder auch eingeflüstert wird). In der nächtlichen Debatte argumentierte Minister Darabos mehrfach mit dem humanitären Aspekt (u.a. damit, das Frauen vergewaltigt werden) und wunderte sich einmal mehr über die ganz andere Haltung von Medien und Opposition, die in keinem der anderen teilnehmenden Ländern ähnlich ist. Er verwies auf die Einstimmigkeit in der EU, die ja von der UNO ersucht wurde, Hilfsmaßnahmen im Tschad durch Peaecekeeper abzusichern. Die Grüne wandten dazu ein, dass dass EU-Parlament aber nicht so einmütig abstimmte, da die Grünen dagegen waren.

Die Grünen hätten ihren Anspruch auf moralische Autorität und Humanität verspielt, meinte Darabos zur fortwährenden Kritik. Seitens der SPÖ legte Klubobmann Josef Cap noch nach, indem er auf den Zusammenhang zwischen Asylgerichtshof-Debatte, die am Vormittag geführt wurde, und Flüchtlingen in Afrika hinwies. Einerseits soll als die Politik der Regierung menschenverachtend sein, andererseits aber ist man so menschenverachtend, Flüchtlinge im Stich zu lassen. Da distanzierte sich Peter Pilz dann doch recht deutlich vom xenophob motivierten Misstrauensantrag der FPÖ...

Ergänzung: Strache sieht das Ganze ganz anders als ich (gewissermaßen diametral entgegengegesetzt), wie eine Presseaussendung verrät:
"Offenbar drückt etliche Abgeordnete in SPÖ und ÖVP das schlechte Gewissen wegen des unverantwortlichen Tschad-Einsatzes", meinte heute FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache. Anders sei es nämlich nicht zu erklären, dass gestern nur 115 Abgeordnete der Regierungsparteien für diesen Kriegs- und Kampfeinsatz gestimmt hätten. Insgesamt hätten 34 Abgeordnete für den FPÖ-Antrag gegen die Entsendung unserer Soldaten nach Afrika gestimmt. (Anmerkung: Strache meint den Misstrauensantrag spät nachts)

Strache bezeichnete die mitternächtliche Debatte als hochinteressant. Hier seien die Emotionen zwischen Rot und Schwarz hochgegangen. Massenweise hätten sich SPÖ-, ÖVP- und Grün-Abgeordnete vor der Abstimmung über den Tschad-Einsatz und über den Misstrauensantrag gegen den Verteidigungsminister gedrückt, um sich bloß nicht deklarieren zu müssen. Peter Pilz wiederum habe sich dezidiert gegen den freiheitlichen Misstrauensantrag ausgesprochen und habe somit offenbar nichts gegen einen parteiischen Kampfeinsatz an der Seite der Franzosen. Pilzens Neutralitäts- und Glaubwürdigkeitslack sei damit endgültig abgeblättert.

Beim Misstrauensantrag habe zudem kein einziger ÖVP-Minister Verteidigungsminister Darabos auf der Regierungsbank gestützt. Obwohl Außenministerin Plassnik für den Kriegseinsatz federführend mitverantwortlich sei, habe sie sich in dieser Phase gedrückt und durch Abwesenheit geglänzt. Dies lasse einige Schlüsse über das Koalitionsklima zu, meinte Strache.
Wie sehr Strache am Boden der Realität ist oder doch nicht, zeigte ja auch eine Auseinandersetzung mit der SPÖ-Abgeordneten Bettina Stadlbauer, die sich darüber empörte, dass er Müttern die Schuld an Misshandlungen und Missbrauch von Kindern durch Männer gibt. Eben nach dem Motto, es sind immer die Frauen schuld am Verhalten von Männern - und getreu den Aktivitäten der FPÖ für "mehr Männerrechte".

Im "Falter" gibt es am 5.12. einen Kommentar von Minister Darabos zum Tschad-Einsatz

Ceiberweiber zu dieser Thematik u.a.:

Warum werden Österreichs Truppen von Rebellen bedroht? (explizit als Einzige neben den Franzosen)
Welchen Zweck hat die US-Studie zum Tschad-Einsatz? (Der Background des Autors offenbart keineswegs uneigennützige Interessen)
Anneliese Rohrer im "Kurier" gegen Minister Darabos (Beispiel für platte Medien-Argumentation)

Dazu passend: Gender und Peacekeeping und auch Asylpolitik, Sicherheit und Klimawandel

Im Web kann man Parlamentssitzungen übrigens hier verfolgen:
www.parlament.gv.at
www.ots.at