04.06.07

Auswirkungen der Randale von Rostock

Viele, die wie ich daheimgeblieben sind (geht bei den meisten nicht anders, die nicht mehr z.B. StudentInnen sind :-), schlugen am Wochenende wohl die Hände über dem Kopf zusammen angesichts der Fernsehbilder von "Randale" vor dem G8-Gipfel in Rostock. Erwartungsgemäß schieben manche die Schuld vollkommen auf Provokateure, während andere meinen, dass Leute etwa aus der autonomen Szene den friedlichen Protest tausender missbraucht haben.

OrganisatorInnen von Demos dieser Dimensionen können nie ganz sicher sein, dass nur die "Richtigen" mobilisiert werden, eben weil natürlich breit angekündigt werden muss. Gewaltfreie Proteste konnten sich massiver Sympathien gewiss sein, nicht zuletzt wegen der massiven Sicherheitsvorkehrungen, die sogar so weit gingen, JournalistInnen vom BKA zu durchleuchten und ggf. auszuschließen. Genauer gesagt führte "der Veranstalter", die deutsche Bundesregierung, eine "Zuverlässigkeitsüberprüfung" durch, die man auch "Sicherheitsüberprüfung" nennen kann.

Nun würde man bei Medien annehmen, dass sie sensibel sind eben auch in eigener Sache - weit gefehlt, erst durch die Ausschlüsse wurde es Thema; sodass die Nicht-Ausgeschlossenen es wohl kritiklos akzeptierten. Was ist aber nun wirklich am Wochenende in Rostock passiert, wo eine friedliche Demo am 2. Juni den Auftakt zu den Gegenveranstaltungen bilden sollte? Die Bloggerin "pony_huetchen" meint bei politblog.net, die Polizei inszeniere einen Bürgerkrieg. Sie berichtet, dass 80.000 friedliche TeilnehmerInnen von der Polizei eingekreist wurden. Es war da gegen 17 Uhr, und bislang nichts passiert, doch meldeten Medien schon ab 16 Uhr Krawalle (siehe bspw. das ZDF). Beim Hafen beeilten sich manche, die einen Bus erreichen mussten, und denen nichts Besonderes auffiel.

Kurz nach 17 Uhr kreiste die Polizei den Rest der Demo am Hafengelände ein, es waren Polizisten ohne Dienstnummer und Namensschild, die auf die DemonstrantInnen losstürmten. Jene, die das Gebiet noch verlassen konnten, bevor es abgeriegelt wurden, begegneten Polizeifahrzeugen und Wasserwerfern (die man dann im vollen Einsatz im Fernsehen erleben konnte). Ca. um 17.20 Uhr brannte es plötzlich, AugenzeugInnen wußten nicht, wo die Leute herkamen, die beispielsweise ein Auto anzündeten, das auf einem Parkplatz abgestellt war (an sich standen vernünftigerweise keine Autos herum - warum dieses eine genau dort?). Es erinnerte an Genua - durchaus auch jene, die daheimgeblieben waren.

Vom "Schwarzen Block" und "Autonomen", natürlich auch "Gewaltbereiten" war in den Berichten die Rede, wie zu erwarten war. Heute wird beteuert, dass es keinerlei Anzeichen für diese "Randale" gab, sie also aus heiterem Himmel stattfand. Mir erscheint dies glaubwürdig, beobachten doch auch VeranstalterInnen eine Szene genau, wenn für ein Großdemo mobilisiert wird. (Erinnern wir uns an die Demos gegen Schwarzblau, da warfen die "Moderaten" immer wieder bei kleineren Demos im Vorfeld ein Auge auf jene, die Müllcontainer anvisierten und "Bullenschweine" riefen.).

Vermummte haben allerdings den Nachteil, vermummt zu sein, sodass man sie nicht zuordnen kann. Provokation ist ebenso möglich wie das Vorhandensein von Personen, die sich medienwirksam irgendwie abreagieren wollen. In diesem Zusammenhang sollte vielleicht berücksichtigt werden, dass die Rechtsextremen wegen eines Demoverbotes wütend sind - denkbar, dass sie sich als Autonome verkleiden und so doch zu Demo und Beachtung kommen?

Die "junge Welt" kommentiert heute das vielfache Verständnis für die Polizei (das mir verfrüht erscheint, solange nicht einwandfrei geklärt ist, was wann wo passierte und wer beteiligt war) mit einem Lob auf den "Schwarzen Block", der einfach nur zurückschlug, als er isoliert und angegriffen wurde. Ein wenig erinnert mich dies an Verständnis für die "RAF", bei der ja auch nicht so ganz klar ist, wer dahintersteckt(e) - vor allem nicht, je länger sie bestand und je anonymer sie wurde.

Der Spiegelfechter, ein "Spiegel"-kritischer Blog, spricht von einer "Rostock-Legende", die spiegel.de stricke: ..."die Legende von Rostock soll lauten, daß die gewaltätigen Krawalle von den offiziellen G8-Kundgebungen angestachelt wurden". Das geht z.B. so: Für 18.30 meldet SPON den Tickereintrag “[18:30] Auf der Kundgebungsbühne stachelt ein Redner die militante Szene auf: “Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.” Allerdings hat sich kein Redner dementsprechend geäußert, was TV-Aufnahmen belegen.

Liegt es an mangelnden Englischkenntnissen der "Spiegel-Redaktion"? SPON meinte die Rede des philippinischen Globalisierungskritiker Walden Bello - Träger des alternativen Nobelpreises. Natürlich hat er nicht die Worte geäußert, die SPON ihm unterschieben will, sondern in einem vernünftigen Ton Kritik an der Vermeidung des Themas Irak-Krieg beim G8-Gipfel geübt: “We have to bring the war right into this meeting - because without peace there can be no justice”.

Der Spiegelfechter fügt seinem Eintrag noch Updates hinzu: Es ist fast überflüssig, zu erwähnen, dass SPON die gefälschten Zitate nicht korrigiert hat und sie von Teilen der Presse bereits wiedergegeben werden. SPON hat sein sinistres Ziel erreicht - mit rund 2 Millionen Besuchern, die mit dieser gefälschten Meldung gefüttert werden, wird erfolgreich Meinungsmache betrieben - meine rund 2.000 Besucher wissen es jetzt zwar besser, sind aber natürlich in der eindeutigen Minderzahl. Und wer weiß, vielleicht ist diese absichtliche Fälschung nur die Spitze des Eisbergs, bei der SPIEGEL-Berichterstattung über Rostock. Ich kann nur jedermann raten, bei SPON Berichten äußerst kritisch zu sein und im Zweifel lieber nichts zu glauben, was dieses Magazin berichtet.

Update III: Es ist auffällig, dass SPON das gefälschte Zitat über eine Stunde später in den Ticker stellt. Wie man im Phoenix-Video sehen kann, ist das Zitat um 17.17 gefallen, was sich auch mit den bei SPON erwähnten “ersten brennenden Autos” deckt. Im Newsticker wird allerdings erst um 18.30 darauf eingegangen. Wiederum: Honi soit qui mal y pense. Ein weiteres Update einige Stunden später meldet, dass nun ein Kommentar des "Spiegel" vorliegt, das den schwarzen Peter der Agentur dpa zufügt.

Da fragt sich die Journalistin, die keinen riesigen Apparat zur Verfügung hat, zweierlei:
1. Besteht die redaktionelle Arbeit des "Spiegel" gerade bei wichtigen Fragen daraus, ungeprüft Agenturmeldungen zu übernehmen und zu zitieren?
2. Macht es nicht stutzig, wenn ein Träger des alternativen Nobelpreises und philippinischer Globalisierungskritiker (eben Walden Bello) zu Gewalt aufrufen soll? Wie engstirnig sind "Spiegel"-Redakteure? Glauben sie an die Scheibenförmigkeit der Erde, wenn dies von der dpa behauptet wird?

Weitere interessante Links in Sachen G8:

konsumblog.de
Screenshots von Onlinemedien
Google-Blogsuche G8
G8 TV
indymedia.de
G8 live Radio
Erklärung von attac.de zu den Vorfällen

Noch eine Anmerkung: Natürlich bringen Berichte über Gewalt die Anliegen der weltweiten Protestbewegung in Mißkredit (die nach Genua 2001, nach dem Irakkrieg und in einer Zeit, wo Auswirkungen des Klimawandels immer mehr zu spüren sind, immer stärker geworden ist). Es scheint so, dass in Sachen Anliegen der GlobalisierungskritikerInnen mit einem "ja aber diese Ausschreitungen bei eurer Demo" gesprochen wird.

Hingegen kommen die G8 positiv in die Schlagzeilen, weil anscheinend doch etwas in Sachen Klima mit den USA vereinbart werden kann. Heiße Luft, buchstäblich, wenn ihr mich fragt - keine wie immer angedachte Maßnahme ist imstande, wirklich etwas am Klimawandel zu ändern, da radikales Umdenken im reichen Westen / Norden erforderlich ist. Und wer ist dazu schon bereit? Sicherlich innerhalb des Goldenen Käfigs von Heiligendamm kaum jemand, im Gegensatz zu vielen von den vielen außerhalb....

PS: Als "Neues" meldeten unsere Medien letzte Woche, dass "die Wissenschaft" nun herausgefunden habe, dass auch nach 9/11 Menschen an 9/11 starben. Wenn eine Wissenschaft dazu fast 6 Jahre benötigt, ist sie wohl eher Kaffeesudleserei - aber vielleicht liegt es an der Wahrnehmung von Massenmedien. Abseits von deren ausgetretenen Pfaden ist nämlich seit etwa Anfang 2002 bekannt, dass 9/11 weiterhin Opfer fordert. Etwa durch Blutkrebs, wie nun die ABC News berichten, und dies durch eine Studie des Mount Sinai-Spitals abgesichert (in dem man sich in Wahrheit nicht erst jetzt über die Häufung an Krebs bei Helfern am "Ground Zero" wundert).

Bezüglich der Gefährlichkeit der 9/11-Staubwolken log auch die Environment Protection Agency, woran dieser Artikel erinnert. Illustriert ist er mit einem eindrucksvollen Bild, das uns zum Nachdenken anregen sollte: sind solch riesige Wolken wie bei einem Vulkanausbruch wirklich auf zwei Flugzeuge mit Kerosin im Tank zurückzuführen, vorausgesetzt, so kann man Gebäude zum Einsturz bringen? Haben diese Wolken irgendetwas mit "controlled demolition" zu tun, wie die Sprengung von nicht mehr benötigten Gebäuden heißt, die zu gross sind, um sie abzutragen? Wäre "controlled demolition" vergleichbar, gäbe es wohl massive Anrainerproteste gegen die Sprengung von Stadien, Brücken, Hochhauskomplexen, alten Hotels etc. Nicht nur wegen der riesigen Staubwolken, sondern auch wegen deren Inhalt (da ja die Rede von Asbest im Fall 9/11 und Krebstoten ist).

Und nun das Neueste bei den Ceiberweibern:

Ein Mentoringprojekt für Migrantinnen zieht Bilanz
Gespräch mit Stella Deetjen (Women's World Award 2006)
Frauenlauf in Wien mit Rekordbeteiligung
Lange Nacht der Kirchen (auch in vielen Bildern verewigt)

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